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Reisebericht 2009 PDF Drucken E-Mail
Sonntag, 8. Februar 2009

Tagebuch Marokko 09

 

Die Gesamtroute (incl. Bus und Taxitransfers):

 

Das Profil der ertsen 5 Tage der Überquerung des Hohen Atlas 

 

 

Ich bin dann mal weg...

Als ich im November erste zaghafte Nachfragen nach Flügen einleitete, fiel auf, dass nur noch (recht teuer) Agadir und nur noch ein Flug pro Woche im Winterflugplan der Charterflieger war.

Ich wollte eigentlich versuchen, wieder Roland für eine gemeinsame Reise zu gewinnen. Das klappte leider nicht, also buchte ich spontan einen Flug Ende Januar über meinen Geburtstag bei Ryan-Air. Startort sollte Bremen sein, Ziel Marrakech, das ganze für schlappe 132 Euro incl. Rad und Rücktrittsversicherung.

Eine unbekannte Strecke musste her. Erfahrungsgemäß (das kann ich jetzt wohl sagen ;-) ) bringt der Winter dem Atlas die eine oder andere Schlechtwetterperiode, so dass ich von vornherein versuchte, immer zu jeder Planung eine auch bei Regen fahrbare Alternative zu haben.

Zuerst war der Plan über Demnate nach Agouti über Piste, dann zur Zaouia Ahensal gen Cathedrale le Rochers zu kommen. Ein Bericht von Christoph und Uta, die zum Jahreswechsel dort waren und über katastrophale Pistenzustände berichteten, ließ mich den Plan verwerfen. auch gab es bis kurz vor meiner Abreise erhebliche Schneefälle in den Höhenlagen, so war der Tizi-n-Tichka noch am 22.1. wegen Schneefalls gesperrt....

Eine feste endgültige Planung bestand also auch kurz vor Abreise nicht. Grob wollte ich im ersten Teil der Reise über den Atlas auf der Achse Imilchil - Tinerhir, im zweiten Teil eine schöne Wüstenrunde ab Rissani drehen.

Am Ende wurde es eine wunderschöne, erlebnisreiche, wenn auch in weiten Teilen ungeplante Tour, im regenreichsten Winter seit 20 Jahren gelang es mir immerhin, nicht ein einziges Mal im Regen zu fahren!

 

26.1.09
Nachdem die Kinder im Bett sind, mache ich mich auf zum Bremer Flughafen. Dort parke ich unseren Camper in einer Nebenstraße in einem Wohngebiet. Ich hatte vorher bei Google Maps einen interessanten Parkplatz gefunden mit einem kleinen Durchgang in ein dem Ryanterminal nahe gelegenes Industriegebiet. Natürlich fahre ich noch einmal schnell hinüber zum Terminal und gucke mich um. Alles großzügig und nah beieinander gelegen... Beruhigt lege ich mich schlafen.

27.1.09
Leider bin ich schon um 3 Uhr wach... Dafür aber als einer der ersten am Check in... Alles verläuft sehr entspannt, bis mir die Dame an der Taschenkontrolle mitteilt, dass ich das Werkzeug (Inbusschlüssel und Pedalschlüssel) abgeben müsse. Fieberhaft überlege ich, welche Rettung möglich ist. Schließlich spreche ich ein jüngeres freundliches Paar an, das noch in der ersten Schlange steht und diese sind so nett die Teile mit aufzugeben!
Später treffe ich Peter aus dem Marokkoforum, der zusammen mit einem Freund Skifahren will. Netter Kerl, wir klönen fast den ganzen Flug. Die Zeit geht schnell herum, schon um 9.00 h  Ortszeit sind wir im Landeanflug. Dank eines Tricks von Peter, der mehrmals im Jahr nach Marrakesch fliegt, sind wir schnell durch den Zoll und schon um 9:35 h bin ich komplett abfahrbereit! Wenig später bekomme ich im Hotel Essaouira die hinterlegte Gaskartusche und lasse mein Verpackungsmaterial dort. So gelingt es mir, den 11.20 h Bus nach Demnate zu erwischen.
Der Atlas ist tief hinab verschneit, die Luft klar und das frische Grün gibt tolle Kontraste.
Nach zwei Stunden Gefahren endlich aufs Rad und los. Der Bus fuhr interessanterweise die Nordvariante über Tamelelt . Zunächst eine Abfahrt aus Demnate heraus, dann bei wenig Wind immer an der Atlaskante entlang.
Aber der Tag bringt nicht nur Gutes schon bald wird klar, dass mit meiner Schaltung etwas nicht stimmt. Leider ist sowohl ein Zahn am kleinsten Kettenblatt verbogen, als auch der Daumenschalter irgendwie kaputt, die Gänge 4-8 rutschen immer heraus. Das Bergauffahren wird so zur Qual, sobald Druck auf die Pedale kommt, rutscht die Kette durch, kleinstes Blatt geht gar nicht...
Es geht immer bergauf und  -ab. Leider ist die Gegend stark kultiviert und ich finde keinen guten Schlafplatz und entschließe mich dann, nach Azilal durchzufahren, die letzte Stunde ist es dann schon dunkel...
Im Hotel France komme ich für 50 DH unter. Ich nutze den Stop zu einer langwierigen Reparatur aller Probleme am Rad, koche warm und gönne mir in einer Patisserie noch eine Vanilleschnitte.

82 km, 4 h 30 min, 7 - 14°, 1000 Hm, Ü auf 1350 m

28.1.09

Erwartungsgemäß ist es eine laute und kurze Nacht in diesen einfachen Stadthotels... So bin ich schon um 6.30 h unterwegs.
Das Rad läuft wieder prächtig! Teilweise sind die Pfützen gefroren, es ist wolkenlos und nahezu windstill. Zunächst beginnt ein langgezogener Anstieg auf einen 1520 m hohen Pass. Im Hintergrund die verschneiten Berge sehend kurbele ich hinauf, nach einem kurzen Stück Abfahrt öffnet sich plötzlich der gigantische Blick über den Stausee Bin-el-Ouidane, der leider unter 800 m liegt... In rasender Fahrt geht es hinein in grüne Wiesen und eine Sommerfrische. Schnell ist die Staumauer erreicht, schon geht’s wieder hinauf. In kleinen Wellen wandert die Straße am malerischen Südufer entlang und erreicht das schön gelegene Ouaouizarht, welches aber rechts der Strecke liegen bleibt. Die nächsten 40 km sind die einsamsten, die ich in Marokkos Bergen je gefahren bin, nur ein winziger Ort, dessen 2 Boutiquen aber geschlossen sind, sonst keinerlei Versorgungsmöglichkeit! Die Strecke hat es in sich, ständig bergan, bergab, auf über 1500m, dann runter zum Oued el Abid, der zweimal gequert wird. Bei einer längeren Mittagspause schlafe ich auf einem Mäuerchen fast ein.. Ziemlich erschossen komme ich im großen Ort Taghleft an und ordere erst einmal eine Coke :-). Welch eine grandiosen Strecke war das. Nahezu kein Verkehr störte den Genuss, ein echter Geheimtipp durch traumhafte Bergwelt.
Der quirlige Marktplatz Taghleft liegt auf einer Art Hochebene auf 1000 m. Ich erledige einige Einkäufe und bunkere Wasser, bald soll Schluss sein. Der vielleicht 13-jährige Abderrahman begleitet mich noch ein paar Kilometer aus dem Ort heraus und lässt sich nur durch eine Apfelsine zum Umdrehen bewegen.
Es geht in der heißen Nachmittagsonne in Kehren bergan und meine Kräfte schwinden. Eine der Kehren läuft in einer alten Piste aus und so finde ich den vielleicht schönsten Übernachtungsplatz seit langem. Im Rücken eine spannende Felsformation, und dann ein 180° Panorama über die Hochebene mit 3500er Schneeriesen dahinter. Was freue ich mich auf eine ruhige Nacht - ein Hirte kommt mit seinen Ziegen vorbei, sonst herrscht Totenstille...


91 km, 6 h 19 min, 2 - 15°, 1887 Hm, Ü auf 1200 m

   

29.1.09

Mal wieder Geburtstag in Marokko! Wolkenlos und 0° beim Aufstehen, ich habe mir 12 h Schlaf gegönnt... Komme um 7:30 h los, gleich ein 300 Hm Anstieg zu einem kleinen Pass, gerade gut in Fahrt gekommen, schwingt sich die Straße durch einen Weiler, ein Mann gestikuliert wild und ich halte an. Er öffnet sein Cafe und tischt auf: Tee, Brot, Olivenöl, später noch eine Art Griesbrei und Datteln. Er macht mir mit Gesten klar, dass ich ja in der Kälte gezeltet habe und noch einiges vor mir hätte! Welch ein sympathischer Typ, Mohammed, 55 Jahre alt. Als ich zahlen will winkt er ab und zeigt nur nach oben - Allah will es so... Ich lasse für seinen Enkel noch einen Müsliriegel da, was anderes fällt mir so schnell nicht ein.
Die Strecke ist weiterhin äußert attraktiv, auf den letzten Kilometern vor Mündung in die Strecke El Ksiba - Imilchil zieht sie sich durch ein tolles Flusstal mit saftigen Wiesen und bunten Hütten. Die Strecke nach Süden dann steigt gleich heftig an und kippt erst nach Erreichen einer Hochebene auf 1400 m ab. In dem ersten größeren Ort ist Souk, alles voller Esel, Menschen und Bedford LKW. Ich werde wiederum vom Besitzer eines kleinen Ladens zum Tee eingeladen. Er schwatzt pausenlos auf mich ein, berichtet unter anderem, es solle morgen schneien!
Nach der Ebene beginnt der Anstieg auf den 1730 m hohen Tizi-n-Ifar. Schneereste säumen den Straßenrand. Leider ist die Höhe schon bald wieder verloren und ich sause hinab in eine wesentlich größere zweite Hochebene, die nach Süden deutlich von der ersten Kette des Hohen Atlas begrenzt wird. Vorbei am Abzweig nach Aghbala geht es in ständigem Hoch und Runter durch eine völlig unbesiedelte, von kleinen strömenden Bächlein gesäumte Berglandschaft. Ich erreiche den an einem großen Fluss gelegenen Ort Ouarouioud, wo es mehrere Cafes gibt und ich Wasser und Süßigkeiten auffülle. Kurze Zeit später, Kraft und Lust wären zwar noch vorhanden, aber die schneeweiße Wand rückt bedenklich näher, finde ich gegen 16.00 h eine perfekte Biwakstelle, kann noch duschen und das Zelt trocknen bevor die Sonne früh verschwindet - das Thermometer
fällt beim Kochen rasch von 15 auf 8°.

98 km, 6 h 35 min, 0 - 15°, 1947 Hm, Ü auf 1630 m



30.1.09
Das war sicher einer der spektakulärsten, anstrengendsten aber auch schönsten Fahrradtage meines bisherigen Lebens!
Morgens ist es wieder wolkenlos, aber knapp über dem Gefrierpunkt. Recht bald geht es in den Anstieg zum 2300 m hohen Pass vor Imilchil. Auf 1900m wird eine Forststation passiert, überall immer wieder schöne Campingmöglichkeiten. Immer mehr Schneereste säumen die Strecke, oben am Pass steht eine Steinsäule. Der Blick ist eindrucksvoll, fast völlig weiß, dazwischen das schwarze, völlig vegetationslose Gestein. Es geht noch weiter hinauf, knapp 2400m, dann öffnet sich überraschend der Blick auf den (angefrorenen!) Lac Tislit. Die Straße ist stellenweise vereist, die Luft beißend kalt.
Schnell ist Imilchil erreicht. Riesige Schneeberge türmen sich in den Gassen, im Hintergrund eine gigantische weiße Bergwand. Letzte Woche hat es hier über einen Meter Schnee gegeben...
Ein Engländer spricht mich an, Tony, der erste Tourist seit vier Tagen. Er ist ganz begeistert, hat auch ein Rad auf dem T5 Camper dabei und ist als Fotograf seit 10 Wochen im Land. Wir setzen uns auf die Dachterrasse eines Cafes und klönen. Welch quirliges Treiben - es ist Markt und der Ort kocht. Alleine hier könnte man Tage verbringen. Seit unserem letzten Besuch vor 12 Jahren hat Imilchil gewonnen! Ich mache mich aber nach nur kurzer Pause nach Agoudal auf. Zunächst noch 20 km Teer, immer um 2200 m hoch durch das Flußtal, Frauen waschen Wäsche im Fluß, Männer hacken mit kleinen Geräten im Boden herum. Ab dem Abzweig (links Rich, rechts Agoudal) folgt dann die Piste und oh je: Matsch, Wasser und Schneereste. Die Geschwindigkeit sinkt um die Hälfte. Schlimmer noch, die Räder blockieren und meine Vorstellung, heute noch über den Tizi-n-Tirherhouzine zu kommen, scheint unrealistisch. Ich passiere einige Dörfer, kein Auto weit und breit, nur drei spanische 4 x 4 kommen mir entgegen. Endlich Agoudal, auch hier erschwertes Vorankommen, alles ist schlammig... In der Ortsmitte sprechen mich zwei junge Männer an und ich frage nach einem Cafe. Am Ortsende und Beginn der Strecke nach Tinerhir liegt ihre Auberge Afoud. Ich esse ein Omelett und erkundige mich nach Stecke und Versorgungsmöglichkeiten. Ein sehr starker Wind kommt auf, ich spiele die Möglichkeiten durch - wenn es hier anfängt zu regnen oder zu schneien, geht tagelang nichts mehr. Gegen die Vernunft beschließe ich also, den Pass noch unter die Räder zu nehmen. 18 km, 350 Hm, klingt harmlos. Der Wind pfeift mit 5 Bft eiskalt heran, ca. 20 mal muss gefurtet werden, immer wieder blockieren die Räder und ich kratze mit einem Stock alles frei. Mehr als 8 oder 9 km/h sind nicht drin... Die Zeit läuft mir davon, fast vergesse ich die großartige Landschaft aufzusaugen. Insgesamt drei marokkanische Fahrzeuge kommen mir entgegen. Nach zwei Stunden völlig ausgepowert bin ich 100 Hm unter der Passhöhe - und das schwierigste Stück kommt jetzt!  Tiefer Schneematsch gepaart mit klebrigem Lehm, ich verzweifele fast, die Sonne ist fast weg, es sind 4° und durch den durch Mark und Bein pfeifenden Wind ist es saukalt.
Endlich oben, welch Panorama! Die Piste nun Marke Kinderpopo und ich brause mit mehr als 30 Sachen im Stehen hinab. Noch 12 km, dann ist eine Gite ausgezeichnet. Im letzten Licht erreiche ich den Ort. Die Gite ist eine Oase. Zunächst scheint mir der Preis mit 150 DH zu hoch, aber das Zimmer hat ein eigenes Bad mit heißer Dusche und echtem WC, ist extrem geschmackvoll eingerichtet. Doch nicht nur das, eine Tajine ist zu bekommen und man bietet mir gar eine Waschmaschine an - kann der Tag besser enden?

98 km, 8 h 25 min, 0 - 12°, 1494 Hm, Ü auf 2120 m


31.1.09
Als erstes mache ich heute Morgen mich an das Flicken des gestern schon platten Vorderrads. Ich habe schlecht geschlafen da ein wahnwitziger Sturm die ganze Nacht tobte, sogar der Vorhang wurde herunter gerissen... Das Frühstück ist vom Feinsten: ein Omelett, 5 Sorten Marmelade und Olivenöl, Milch und ein Minztee. Auch die Wäsche ist trocken, lediglich das Säubern des Rades muss verschoben werden, da alle Außenwasserhähne zugefroren sind...
6 km Piste bis Ait Hani, dann wieder Asphalt. Es geht durch ein schönes Hochtal, der Fluss ist an den Rändern gefroren obwohl die Sonne schon hoch steht. Die Michelinkarte ist jetzt etwas ungenau, die 40 km bis Assoul geht es durch ein schönes, einsames Tal, immer leicht bergab mit stetem leichtem Rückenwind. Assoul glänzt mit gut erhaltener Lehmarchitektur und einem gepflasterten Ortskern, bis hierher sehe ich genau 1 Fahrzeug. Die nächsten 30 km bis Amellago durch das hochgradig spektakuläre Rheristal sind ein echtes Erlebnis, eine wundervolle Strecke. Ich nutze eine Furt zum Reinigen des Fahrrads, was eine halbe Stunde in Anspruch nimmt. Hinter dem Ort verengt sich das Tal nochmals und die Felswände steigen bis in den Himmel, leider hole ich mir beim Furten zweimal nasse Füße - nicht aufgepasst...
Nach gut 100 km mache ich eine letzte ausgedehnte Pause in einem Dorf mit Hawaii und Keksen und lasse Schuhe und Socken in der Sonne trocknen.
Bald darauf schlage ich mich einem km weit links in die Pampa, da hier bereits eine dichtere  Besiedlung beginnt. Interessanterweise taucht nachdem ich schon eine Stunde dort bin, geduscht und das Zelt aufgebaut habe, ein Hirte auf, der sich gar nicht wieder einkriegen kann, das ich dort "lebe". Er lässt mir noch seine GSM-Nummer da und zieht dann mit seinem Reisigstapel von dannen. Ein Esel reitet noch in der Dämmerung vorbei und ein Mofa knattert entlang, ich genieße den mit 9° fast lauen Abend.


115 km, 5 h 40 min, 0 - 15°, 436 Hm, Ü auf 1148 m


1.2.09
Wieder nur 0° am Morgen. Ich fahre die 15 km durch eine Oase nach Goulmima, ein sympathischer Ort. Immer wieder überraschen mich die Preise, ich kaufe zwei Teigkringel, frisch gebacken, und zahle 1,5 DH zusammen, hatte eher mit 10 gerechnet...  Die Strecke quer hinüber gen Erfoud über Touroug ist laut eines Polizisten Piste, also mache ich mich nach Tinejdad auf, im Windschatten eines Mopeds ist dies schnell erreicht. Leider hat sich der Himmel seit dem Aufstehen zugezogen, es ist kalt! Ich gehe zunächst einmal in ein Internetcafe und schaue nach dem Wetter. Insgesamt morgen eher regnerisch, das spricht für die Wüste. Nach einem längeren inneren Kampf entscheide ich mich also, eine Mitfahrgelegenheit ins Tafilalet zu suchen. Zwischenzeitlich hatte ich alternativ daran gedacht, einfach nach Marrakesch zurück zu fahren, aber das Wetter scheint im Süden stabiler. Die letzten Tage mit der Kälte und den zahlreichen Höhenmetern haben viel Kraft gekostet. Ein einziges Grand Taxi (50 DH incl. Gepäck) fährt nach Erfoud und es benötigt 90 Minuten um sich zu füllen... Ich genieße die Zeit am zentralen Platz für ausgiebige Studien des Treibens und einen Besuch in der Patisserie. Um 14:30 h erreichen wir Erfoud, der Himmel ist grau, starker Südwind stemmt sich mir auf den gut 20 km nach Rissani entgegen. Noch vor dem Ort biege ich geradeaus auf den Circuit touristique ab und fahre bequem auf Asphalt weiter nach Süden. Großartige Lehmwohnburgen (Ksour) säumen diese Strecke. Ich bunkere Wasser und Brot, vielleicht muss es bis Remlia reichen? Abrupt endet der Teer, eine vernünftige Piste beginnt, die ich alsbald beim Verfolgen des Tracks auf dem GPS verliere. Auf einer Salztonebene mit Sicheldünen geht es toll daher, ich finde auch etwa 7 km lang eine Art Hauptpiste, auf der ich mich schon in drei Stunden nach Remlia fliegen sehe. Aber den Anschluss an meine geplante Strecke finde ich nicht. Vor einer Betonfurt über das Oued Rheris, das hier bereits breit wie ein See ist, führt nur eine schwache Piste weiter auf meinen Wegpunkt zu, die sich aber bald im brüchigen Lehm verliert.
Ich schiebe fluchend einige Zeit umher, gebe dann auf und versuche der Piste über die Furt hinweg zu folgen, hier führt sie aber genau auf einen Ort zu und da es fast dunkel wird, beschließe ich erst einmal zu zelten und eine Nacht drüber zu schlafen. In der Hoffnung, dass sich der böige Wind legt (die Heringe halten kaum im weichen sandigen Boden) und es nicht regnet, werde ich morgen hoffentlich die richtige Entscheidung treffen - insha Allah!

82 km, 4 h 35 min, 0 - 17°, 82 Hm, Ü auf 750 m




2.2.09
In der Nacht fliegt fast das Zelt weg, was für ein Sturm! Dafür ist es morgens wolkenlos... Ich fahre ein paar hundert Meter zurück und versuche querfeldein zur anderen Piste zu kommen. Es sind gut 2 km, teilweise ist der Boden pulvrig weich, teils fester und nur an der Oberfläche brüchig. Die andere Piste läuft ebenfalls gut, ich komme voran, aber: der weiterhin kräftige Wind kommt genau aus Südwesten, der Richtung Remlia. Als dann ein unübersichtliches Feld von Sicheldünen auftaucht entscheide ich mich, umzudrehen. Ich bin mir nicht mehr sicher, dass ich es an einem Tag nach Remlia schaffen würde. Die gestrige Stunde des Herumirrens hat mich Zeit, Nerven und Wasser gekostet. Alleine ist mir der Trip bei diesen Wetterbedingungen zu gefährlich. Eine gute Entscheidung, wie ich später merken soll. Auf dem Rückweg durch diese herrliche Wüstenlandschaft bin ich sehr enttäuscht. Ich treffe kurz vor der Abzweigung nach Alnif einen Mopedfahrer, der mich anspricht, ob ich Jan Cramer sei? Ein Freund von Himmi aus Remlia , wie sich herausstellt! Dieser hat ja eine Greencard gewonnen und arbeitet nun in einem Restaurant in New York. Er lädt mich zu sich nach Hause ein, ist aber erst um 12.00 h in der Schule fertig. Schade, ich mache mich lieber weiter auf den Weg gen Westen. Der Wind ist weiter angeschwollen, 12 km/h sind drin, an kleinen Hügelchen muß das kleine Kettenblatt her. 2 Tage für die 90 km bis Alnif ? - nach 5 km drehe ich um. Rausche mit über 30 Sachen nach Erfoud und nehme den Bus nach Tinerhir. Unterwegs wird mir klar, wie gut meine Entscheidungen heute waren: Staubsturm aus West/Südwest, Sichtweite 100 m, Palmen biegen sich. Ab Tinejdad dann noch Regen und ziemliche Kälte in Tinerhir. Hier versuche ich erneut vergeblich Edi Kunz im Hotel Tombouctou zu besuchen, er ist leider in Rabat bei einer Veranstaltung, wir telefonieren noch kurz über sein Handy.
Ich gucke noch nach dem Wetter im www, dann düse ich die ca. 15 km bis zur engsten Stelle der Todhraschlucht hinauf  - da kaum noch Licht einfällt und ein eiskalter Wind geht, wird es eine kurze Stippvisite, zufällig treffe ich ein deutsches Kletterpäarchen, das mir sein Hotel empfiehlt, Riad Todhra. In der Tat ist diese Unterkunft ein Lichtblick im Tal, für 150 DH incl. Halbpension checke ich ein. Ein Schweizer, drei Sloweninnen und wir drei Deutschen bilden die Belegschaft und klönen nett beim köstlichen, reichhaltigen Abendbrot. Irgendwann wird auch der Ofen angestellt und es wird angenehm warm. Nach der heißen Dusche falle ich in die Koje.


75 km, 4 h 16 min, 9 - 18°, 350 Hm, Ü auf 1400 m



3.2.09
Morgens hat der Besitzer natürlich verschlafen :-) dafür macht er mir ein leckeres Frühstück, als ich ihn wecke... Wolkenlos fahre ich in die Stadt, aber kaum dass ich gen Boumalne abbiege pfeift mir wieder dieser eiskalte Wind entgegen. Also zum Taxistandplatz und für 16 DH nach Westen, das Rad kostet weitere 20 DH, wie immer. In Boumalne noch schnell das Wetter abgefragt und auf in die Berge. Über Ait Youl nach Bou Thrarar fahre ich auf altbekannten Wegen. Der Mgoun tief verschneit und die Piste stellenweise durch starke Regenfälle zerstört, es existiert nun eine ein paar hundert Meter südlich führende Ausweichroute, die ich aber ignoriere. Das ist schon ein übles Geholper! Aber die Landschaft entschädigt ebenso wie die vielen Begegnungen mit freundlichen Schäfern. Es hat zudem weit hinunter geschneit gestern Abend, am Nordhang liegt die Grenze bei ca. 2000 m! Durch Bou Thrarar geht das Gehoppel weiter bis plötzlich eine schöne neue Teerstraße beginnt. Diese kennt das GPS noch nicht... Auf und ab windet sich diese am Asif Mgoun entlang. Leider hat es sich inzwischen vollständig zugezogen, so dass die tollen roten und ockerfarbenen Felsen im Rosental nicht richtig zur Geltung kommen, dennoch ist die Strecke sehr abwechslungsreich.
Über 13 Grad kommt das Thermometer heute nicht heraus, so dass die Abfahrt nach El Kelaa de Mgouna wenig Spaß macht. Dort entere ich eine gute Patisserie und esse mich durch... Zudem erkundige ich mich nach den Abfahrtszeiten der Busse nach Marrakesch und schaue mich nach Hotels um. Dem Tipp aus Edith Kohlbachs Reiseführer folgend fahre ich 5 km aus dem langgezogenen Ort heraus um das Hotel Rosa Damaskina in Augenschein zu nehmen. Der Mensch will aber partout von seinem Doppelzimmer Preis von 169 DH nicht abrücken (obwohl er teils auch einzelne Betten darin stehen hat und es sonst völlig leer ist). Nun gut, 30 weitere Kilometer nach Westen folgen und kurz vor einem spektakulären Sonnenuntergang (Sonne unter der Wolkendecke) erreiche ich einen schönen sichtgeschützten Platz ohne meine Entscheidung zu bereuen. Als ich noch eben meine Outdoordusche durchführen will, bekomme ich einen riesigen Schreck: der 4 l Wassersack vom Gepäckträger ist weg! Schnell ist er jedoch wieder gefunden, hatte ich beim querfeldein Fahren doch noch ein Oued gequert und ihn dabei abgeworfen...
Jetzt gilt es die Daumen zu drücken, dass die Nacht trocken bleibt.

110 km, 6  h  24 min, 8 - 13°, ca. 1000 Hm, Ü auf 1321 m




4.2.09
Mit dem ersten Licht sitze ich im Sattel - bloß nicht im Regen fahren... Bei nahezu Windstille passiere ich Skoura und den Abzweigung nach Demnate. Eine wundervolle Ruhe liegt über Landschaft. Die aufgehende Sonne taucht die weißen Gipfel in lila und rosa Farbtöne, die Luft ist kalt und glasklar, die Berge zum Greifen nahe. Wie ich später im Internetcafe erfahre, regnet es zur selben Zeit in Agadir und Marrakesch. Die über 60 km nach Ouarzazate sind schon um 9:30 h erledigt, ich erkundige mich am Gare Routiere noch nach den morgigen Abfahrtszeiten der Busse und checke dann im Hotel Es-Salam für 70 DH ein. Den Tag verbringe ich mit Spaziergängen und kleineren Einkäufen im Souk und den umliegenden Straßen. Ich finde auch Campigazkartuschen Typ C 206 für etwas mehr als 10 DH in einem Supermarkt "Dades" nahe dem Hotel. Dieser Laden hat ohnehin eine bessere Auswahl und vernünftigere Preise, als die anderen großen Geschäfte. Zu Abend esse ich im einfachen, aber sauben Restaurant "aux bons amis" direkt  am zentralen Platz in den Souks. Für eine Harira, Couscous Poulet und einen frisch gepressten O-Saft zahle ich 31 DH...


65 km, 3 h 04 min, 2 - 16°, ca. 250 Hm, Ü auf 1140 m



5.2.09
Ich finde mich bei wolkenlosem Himmel eine Viertelstunde vor Abfahrt des 8.00 h Busses am Gare Routiere ein (60 DH, 30 Gepäck). Über dem Atlas liegt in der Ferne eine dunkle Wolkendecke. Der Fahrer ist ein direkter Verwandter der Schuhmachers, hupt zudem alles aus dem Weg. So sind wir, trotz der üblichen Ehrenrunde um den Busbahnhof, wo alle 3 m jemand neues zusteigt, nachdem er in Seelenruhe seinen Kaffee ausgetrunken hat, schon schnell in Agouim. Hier beginnt ja erst der eigentliche Pass. Schnell schließt sich die anfangs magere Schneedecke und es wird klar, dass es in der Nacht geschneit haben muss. Selbst auf der Straße ist nun stellenweise Schnee! Die Landschaft entwickelt sich zu einem großartigen Szenario. Plötzlich Stillstand, nichts geht mehr, alle steigen aus, eine große Wolke zieht auf. Angeblich habe es einen kleinen Unfall gegeben. In der Tat sieht man später, dass sich ein Fahrzeug in die fast einen Meter hohen Schneewälle beiderseits der Fahrbahn gegraben hat. Das ganze spielt sich aber im Nebel in einer Kurve ab. Zwei Schneepflüge kommen hinz, nach 30 min rutschen wir weiter bergab. Unter 2000 m entspannt sich die Lage und wir erreichen nach exakt 5 Stunden das windige, kühle Marrakesch.
Ich fahre vom Busbahnhof zum Marjane-Supermarkt, um mir das Sortiment einmal anzusehen. Es gibt wirklich alles inklusive Gaskartuschen. Dann rufe ich Peter an, den ich auf dem Hinflug kennen gelernt hatte. Wir treffen uns an der Hauptpost und ich folge ihm und Ansgar bis zu seinem Haus im Stadtteil Gueliz, ca. 5 km entfernt. Dort trinken wir zusammen einen Tee und berichten uns vom Erlebten. Peter hat sich leider am 2. Tag in Oukaimeden die Schulter ausgekugelt und musste in die Klinik nach Marrakesch!
Ich werde eingeladen die letzte Nacht doch dort zu verbringen und fahre am Nachmittag ins Hotel Essaouira direkt am Djemaa el Fna. Abends esse ich Brochettes Poulet und laufe viel durch die quirlige Medina.

25 km, 1 h 20 min, 5 - 14°, Ü auf 430 m

     


6.2.09
Ich wache vom Plätschern des Regens im Innenhof des Riadhotels auf. Erst später am Vormittag hört der Niederschlag auf und ich hole mir mein Frühstücksbaguette.
Es lockert sogar ein wenig auf, so dass ich gegen 11.00h zum Marjane-Supermarkt fahre und dort ein paar Kleinigkeiten besorge. Von hier sind es nur 800 m zu Peters Villa.
Wir trinken noch einen von Adil gekochten Pfefferminztee und fahren dann zur Barrage Lalla Takerkoust. Hier genießen wir neben Hagel und prächtigem Aprilwetter im Restaurant „Floka“ köstlichen Kuchen und starren auf den prall gefüllten Stausee.
Adil, Peters marokkanischer Freund und Fahranfänger, fährt auch wieder nach Marrakesch zurück, was alle Beteiligten ein paar Schweißperlen kostet... Starker Regen lässt einige Straßen zu Seen mutieren. Zuhause zurück gucken wir die Fotos meiner Radtour und unterhalten uns angeregt bis zum Abendbrot. Früh verschwinde ich in der Koje meines prächtigen Schlafgemachs. Falls es morgen regnet hat Peter mir angeboten, mich zum Menara Airport zu bringen!

15 km


7.2.09
Es regnet nicht, ich schwinge mich also um 6:15 h in den Sattel und fahre in stockfinsterer Nacht die 12 km zum Flughafen hinaus. Kurz vor der Zufahrt zum Terminal finde ich einen bereits offenen Laden mit frischem Brot. Als erster checke in am Schalter ein, meine Pferdedecke reicht der Dame als Verpackung nicht aus und ich muss eine Vereinbarung unterzeichnen, dass bei Schäden am Rad nicht gehaftet wird. Natürlich mu0ß auch, wie immer in Marokko, die Luft abgelassen werden. Wenig später kommt Paul, den ich aus dem Radforum schon kannte und welcher eine Woche vor mir gestartet war und zusammen mit mir zurück fliegt, ich helfe ihm beim Verpacken seiner Ausrüstung.
Als wir in der langen Schlange am Zoll, der Sicherheitskontrolle und später der nochmals langen Schlange n der Passkontrolle stehen, bekommen wir ein bisschen Panik, dass wir zu spät sind…
Aber letztlich reicht es gut hin mit der Zeit und wir ergattern im relativ gut gefüllten Flieger zwei angenehme Plätze. Der Reise vergeht Dank unserer angeregten Gespräche wie im Fluge und auch in Bremen sind wir schon 30 Minuten nach Landung der Maschine fertig.
Auch der Camper steht noch an der erwarteten Stelle und eigentlich spräche nichts gegen ein schnelles Nachhausekommen… Aber leider machen Brückenbauarbeiten an der A 1 unseren Plan zu Nichte. Ganze drei Stunden benötigen wir von Bremen nach Hamburg und kommen etwas genervt und müde endlich gegen 19.00 h zuhause an.

12 km

Fazit der Tour:


Eine runde Sache diese Reise! Zunächst lerne ich, dass Ryan Air ein super Preis-/Leistungsverhältnis ohne spürbare Serviceeinbuße anbietet. Ich kann mich nicht erinnern zuletzt so bequem nach Marokko gekommen zu sein.


Leider konnte ich nur den ersten Teil meiner Planungen erfüllen, die Wüstenreise muß aufgeschoben werden. Die 5 Tage im Mittleren und Hohen Atlas waren sehr intensiv und schwer, zwei Ruhetage und die Wüste wäre vielleicht "drin" gewesen, aber man soll den Bogen ja lieber nicht überspannen...


Am Ende habe ich Rosinen gepickt, mir die Dinge angeguckt, die ich lange nicht gesehen habe oder immer schon mal sehen wollte. Auch mein Aufenthalt in Marrakesch weg von der Medina hat etliche interessante neue Aspekte geboten.


Alles in allem eben ein feiner Mix, 870 km Rad, 700 km motorisiert, ich habe mal wieder einiges und vor allem Neues vom Land gesehen, man glaubt kaum, dass das nach so vielen Begegnungen möglich ist!
 

 

 
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