Wetterprognose

Franks 1. Marokkoreise 2002 PDF Drucken E-Mail
Dienstag, 9. Februar 2010
Süd –  Marokko

Reisetagebuch vom 10. Dez. 2002 – 7. Jan. 2003

1. Tag        Di.  10.12.02        Hinflug

-5°C am Düsseldorfer Flughafen, + 20°C in Agadir
4.45h aufgestanden, Mein lieber Nachbar und Freund Christoph Münch fährt mich bei –5°C zum Düsseldorfer Flughafen. Meine vierte Satteltasche wird nicht als Handgepäck akzeptiert, also zurück zum Schalter und neu einchecken. Die  A320 nach Stuttgart kann erst gar nicht losfliegen, weil sie einen Bremsenschaden suchen. Alles aussteigen, im Bus 1h über den vereisten Flughafen geholpert, dann um 10h mit dem Flugzeug nach Lanzarote bis Stuttgart mitgenommen. Der Agadir Flieger hat auf uns gewartet, sodass wir mit 4h Verspätung in der Sonne ankommen, um 15h. Das Gepäck ist schnell da, nur das Rad dauert lange, die Lampe und der Flaschenhalter sind verbogen.
Kurze Orientierungspause vor dem Flughafen und schon sind drei Jugendliche da und fragen nach 1€.
Erste Eindrücke und Kuriositäten: 2 Lehmausbesserer an einer ein-km-langen Mauer, Eiertransporteur auf einem Rad, ein älterer Mann auf einem Mofa mit Krückstock und Kardanwelle um den Hals. In AIT MELLOUL werden LKW´s auf der Strasse geschweißt; alles einfache und improvisierende Handwerker und Händler.
Das Atlasgebirge grüßt am Horizont.
Nach 20Km erreiche ich das pulsierende Leben in INEZGANE – größter Busbahnhof und Taxistand in ganz Marokko -  mein erster Ort. Agadir will ich umgehen, da dort nur Touristen sind. Das Hotel „Paris“ habe ich schnell gefunden. Abdelghani  ist auf einmal da und managt alles.
Geldwechsel im Cafe. Ein Jugendlicher schiebt mir 300 gewechselte Euros über den abgewetzten Tresen. Führung durch den Souk/Markt: Kamelschlachter, Teepause beim Kräuterhändler, durch dunkle Gassen und bestelle meine erste Tajine (Eintopf im landestypischen Tontopf gegart) für 16 Dirham (DH, 10DH = 1 Euro). Um 21h bin ich total erschossen und falle in meinem einfachen Zimmer ins Bett. Draußen fängt es an zu regnen.


2. Tag        Mi. 11.12.     58Km        Im Land der Schlöh Berber

6.30h aufgestanden. Im Zimmer ohne richtiges Fenster nach draußen, nur mit  einem Dachlicht zum Innenhof. So ist es hier üblich. Erster Schreck, es regnet noch immer, darauf bin ich gar nicht gefasst. Frühstücksuche an der Hauptstrasse: es ist noch dunkel. Zusammengekauerte Deckenbündel im schmutzigen Djeballah (Mantel/ Umhang) liegen auf ihrer Kartonunterlage in den Häuserecken. Es wird heller und der Straßenverkehr nimmt schlagartig zu. Viele Cafes mit wartenden Männern, es befindet sich kaum etwas auf ihren Tischen.
Ich gehe „mutig“ in so ein Cafe, der kleine Junge hinter der hohen Theke ruft seinen großen Bruder (er versteht kein französisch) und ich bestelle  „Tee noir ou marrocaine et pain“ für 6DH plus frischer Minze.
Am Eingang backt eine Frau Pfannekuchen und Bisquitteigplatten. Es wird abgewogen und als Frühstück (gerissen) serviert. Zwei Maultierfuhrwerke parken hier, der Gemüseexpress und die Müllabfuhr. Pinkfarbene Peugeot 205 Taxen rauschen vorbei. Buntes Treiben auf der Hauptstrasse.
Der Regen hört auf, die Atlaskette zeigt sich und der Sattel ruft. Bei leichtem Missel +14°C geht es um 8h los, durch das verkehrsreiche INEZGANE. Vorbei durch das geschäftige AIT MELLOUL, die Hauptstrasse nach BIOUGRA, große Wasserlachen und Schlaglöchern umfahrend, reichlich dieselstinkende LKW´s und Taxen, Verkehr wird aber auch dünner, die Wolken reißen auf, +17°C, viele Leute am Straßenrand „Salam“ und „Bonjour“ grüßend und winkend. Dann kleine Sanddünen, karge Landwirtschaft mit Arganienbäumen und kletternden Ziegen. Der Hüter will gleich ein paar DH für ein Foto, ein Junge auf dem Rad auch. Kinder laufen schreiend hinter mir her, ich gebe bergauf Gas.
Die erste ECHTE Steigung auf das Hochplateau schaffe ich nicht ganz, habe noch nicht genügend Kraft, der restliche Km wird geschoben. Als Belohnung gibt es einen schönen Blick auf die Sous Ebene Richtung Atlantic. Nach kleinen Hügeln hoch und runter, Schussfahrt rein nach AIT BAHA bei 595Hm, direkt zum hübschen Hotel Al-Adrissa für 106DH (mit Abstand das beste Hotel in meinen 4 Wochen, hätte ich das gewusst, hätte ich es mehr genossen). Wann kommt das warme Wasser aus dem Hahn? Erst mal ´ne halbe Stunde Pause auf dem Bett, da merke ich, wie erschossen ich bin, trinke den letzten halben Liter meines Mineralwassers.
Gang durch den Ort. Hauptstrasse mit vielen kleinen Geschäften und heute ist Suq. Die Fischbraterei lockt mich, muss dem aber aus hygienischen Gründen erst mal widerstehen. Rinderviertel hängen beim Schlachter draußen an einer Eisenstange. Beim Hühnchenschlachter hängen immer nur zwei frische Hühner draußen, die Lebenden warten drinnen in Käfigen auf ihre Bestimmung.
Im Cafe bei meinem ersten Minztee: Männer im traditionellen Djeballah schlurfen mit schwarzen Plastiktüten vom Suq vorbei, ein Schuhputzer mit kleinem Kästchen, nur einer Bürste und einer Schuhcreme, wartet ebenso schüchtern wie vergeblich auf Kundschaft. Wenn der 6. Fahrgast ins Daimler-Benz D240 Taxi steigt, geht’s los, mit weniger Personen wird nicht gefahren. Undurchsichtige Chefs managen den Taxistand. Bei 600.000Km zeigen die Federn keine Wirkung mehr. Die Elektrizitätsgesellschaft fährt funkelniegelnagelneue Allradwagen, ansonsten ist der Durchschnitts PKW ca. 30 Jahre alt.
Der Himmel zieht sich zu, es wird dunkler und kälter. Das einzig neue Gebäude ist die Tankstelle von TOTAL. Immer und überall stehen oder hocken Männer, wartend, begrüßend, erzählend oder trübsinnig auf ihre 10 Ziegen oder Schafe aufpassend - hier im Land der Schlö Berber. Keine Ehepaare unterwegs, ebenso keine Anmache an mich. Ich werde aber gesehen, denn bin heute der einzige Europäer im Ort. So wird es noch weitere 10 Tage bleiben.
In einem kleinen Restaurant bestelle ich mein übliches Abendessen: Tajine, der traditionelle Eintopf. Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln, Paprika, Aubergine, reichlich Gewürze, etwas Hühnerfleisch oder Rind, je nach Wunsch, werden in einer Tonschüssel sorgfältig aufgeschichtet, mit einem tönernen Deckel versehen - einem Spitzhut ähnlich - und knapp 1h auf dem Holzkohlenfeuer oder dem Gasherd gekocht. Es wird heiß serviert. Im Boden hat sich nun eine leckere Sauce gebildet, die mit dem gereichten Pitabrot aufgetunkt wird.
Dieses Gericht ist in den Restaurants im Prinzip kaum vorrätig, da die Einheimischen grundsätzlich nur zu Hause essen. Also muss ich mein Abendbrot immer vorbestellen. So bin ich heute, wie auch in Zukunft, der einzige Gast, der etwas isst.
Auf dem Hotelzimmer sende ich noch meine allabendliche SMS an Thomas, damit sich meine Familie und meine Freunde keine Sorgen machen.  
Früh gehe ich um 21.30h ins Bett.


3. Tag        Do. 12.12.     96Km        Mein erster Pass und eine Höllentour

6.15h aufgestanden. Mit dem Sonnenaufgang will ich los. Es wird ein langer Tag, länger und anstrengender als ich mir gedacht habe. Umfangreiches Frühstück mit O-Saft und Arganöl zum Brot tunken (Arganienbäume wachsen nur in Marokko. Das Öl zu gewinnen ist sehr aufwendig und ist daher eine Kostbarkeit).
7.45h los nach TAFRAOUT, erst mal die falsche Richtung, der übliche Dorfpolizist am Ortsausgang von AIT BAHA weist mir die Richtige. Man muss nur früher fragen, ausgeschildert ist sowieso nichts, auch nicht bei drei Ortsausgängen. Schöner sonniger Tag, es ist schon 17°C, die Morgensonne zeichnet die Landschaft, Berberdörfer und KASBAH´s kleben an den Hängen, im Tal die wilde Schlucht.
(KASBAH, arabisch für Burg, (berberisch für Igherm) sind befestigte Teile eines Dorfes oder eines fürstlichen Wohnsitzes. Sie sind häufig bis zu 5 oder 6 Stockwerken hoch und werden aus Stampflehmerde hergestellt.)
Erstmals versuche ich mit den Klickpedalen zu fahren, es geht nur bergauf, natürlich mit Gegenwind. Selbst flache Stellen muss ich im kleinen Gang nehmen. Bei km 37 gebe ich die Klicks auf, zu umständlich bei den vielen Stopps und dem Absteigen. Die Steigungen schaffe ich schon nicht mehr –ich habe ja auch noch jede Menge Lebensmittel im Vorrat von der Heimat- es wird geschoben.
Das erste Freiluft Cafe und Souvenier Laden in 1.338Höhenmetern (Hm) erwartet mich: eine Berberfamilie plus Chef mit schwarzen Zahnstümpfen und deutschen Heften versorgt mich mit Atay (Tee) und Frischwasser. Zum Tee werden mir wieder drei kleine Gläser serviert. So wird es auch bleiben: es sind die drei traditionellen Gläser: eines auf das Leben, eines für die Liebe und eines auf den Tod.
Es geht leicht ab und gut bergauf. Meine Rechnung: Sonnenuntergang 17h, dunkel um 18h. Das wird knapp, aber eigentlich müsste ich es schaffen.

Die Gegend ist steinig mit etwas Terrassenkultur. Auf den nächsten 30-40Km liegen keine Ortschaften. Auf 96Km 4x die Gelegenheit gehabt, Tee zu trinken und nur 1x was zu essen zu kaufen. Ansonsten sehr schöne karge Bergwelt mit Hochplateau und Schluchten. Ich quäle mich schiebend auf 1.480Hm und erreiche die Steinmarke des Passes TIZI-N-TARKATINE. Ich denke, ich habe es geschafft, aber Pustekuchen: noch 50Hm, dann ist der Zenit im Dorf. Kinder begleiten mich mit „Bonbon“ und Kuli /“Stylo“ Rufen.
 

Zwei Dutzend Männer im warmen Djeballah warten gemeinsam liegend auf der Dorfsteintreppe auf den Abend. Es wird gegrüßt was das Zeug hält. Schussfahrt mit 50km/h, aber das ist nur sinnlose Höhenvernichtung, danach geht’s an der Kehre wieder bergauf, zu Fuß natürlich. Erholungspausen gibt es nicht, Müsliriegel und Stullen werden nur noch ohne Rast eingeworfen. Die Dämmerung droht.
Die Steigungen wollen nicht abnehmen. Irgendwann muss doch mal oben sein. Die Karte und das Reisehandbuch (ist ja auch nicht speziell für Radfahrer) geben auch nicht mehr Information. An einer Quelle den ersten Liter Wasser angezapft. Ob das in Ordnung geht? Nach jeder Kehre sieht es nach dem Zenit aus, aber ich muss warten und schieben. Unvermittelt nach 75Km eine große Kreuzung: AIT BAHA 75, IRGHERM 75, TAFRAOUTE 21. Noch 50Hm und an einem Felsdurchbruch ist der Pass TIZI-MLIKI 1.680Hm! Bei 12°C und 17.45h, beste Dämmerung, roter Himmel. Ich bin total fertig, aber glücklich.
Den Fleece, warme Mütze und Handschuhe angezogen. Licht an (jetzt kommt der Nabendynamo zur Geltung). Und 15Km Schussfahrt die Serpentinen runter im Dunkeln, aber mein neues Reiserad und der halbe Mond geben reichlich Licht. Es gibt keine Autos, also fahre ich in der Straßenmitte, ab und zu ein unbeleuchteter Radfahrer und grüßende Gestalten, hockend am Wegesrand.
Die letzten 3Km mit winziger Steigung schaffe ich vor lauter Entkräftung nicht mehr. Also wird in die Dunkelheit geschoben. Letzte Pause und Energieeinwurf: Quellwasser und Nüsse. Ganz kleine Krampferscheinungen in den Beinen. Zur Erholung lege ich mich für eine halbe Stunde auf die Fahrbahn.
Aus dem Dunkeln fragt mich eine Stimme, ob ich eine Panne habe und er mir helfen kann.  „Merci, toute est bonne“, antworte ich zurück.
Im Mondlicht sehe ich die ersten Palmen. Dann geht’s doch noch ganz gut, radle nach 12h Fahrt! (normal sind 4-6h) und 1.000Hm um 21h in TAFRAOUTE ein.
Kurzer Halt am Place-al-Massira, ein Blick ins „Därr“ und ich entscheide mich für´s „Hotel“ Tanger („wo die Busfahrer schlafen“). Ein Abdullah ist auch schon da, quatscht mich an. Er muss erst mal auf mein Gepäck aufpassen. Der Laden ist ziemlich geschäftig, das Rad kommt in die Garage. Mit Abdullah und Ibrahim gibt’s Atay, bei meiner Suppe gehen sie. Sie wollen mir eine Geländewagenfahrt verkaufen.
Dann erscheint Hosseine mit blauem Touareg Schal, echt netter dezenter Typ, bei meiner super leckeren Tajine geht auch er.
Ich mache vor der „Dusche“ noch einen Gang durch den Ort. Osama von Maison Berbere nervt, in der nächsten Gasse ruft jemand meinen Namen. Es ist Housseine, wir trinken mit seinem Freund Raschid Atay/Tee. Ganz nett und lustig und unaufdringlich. 23h unter der primitiven Duschplastikwanne, danach schreibe ich eine SMS an meinen Bruder Thomas.
Mensch sind die Beine schwer. Das Zimmer schlichte 30DH, in Taxitürkis. Ich schlafe unruhig, Hundegebell und jemand lässt Wasser laufen!? Nervig. Am Morgen kommt die Auflösung: der seltene Regen fällt plätschernd vom Flachdach durch ein Rohr auf die Straße und macht reichlich Krach.


4. Tag        Fr. 13.12.     Rast in  TAFRAOUTE

Regen um 8.30h. Bei den engen französischen Plumsklos gilt: bloß nichts anfassen! Ein ausgiebiges Frühstück gönne ich mir im eleganten Restaurant „Etoile d`Agadir“. Ich sitze im Regen auf der Terrasse, beschallt mit Berber Music. Es klart auf und es erscheint der etwas blaue Himmel, 16°C. Die Berggipfel verschwinden in den Wolken. Dann treffe ich Housseine, es gibt erst mal Tee und dann führt er mich durch die bewässerte Palmerie mit Gärten und zur Gazellen Gravour.
Kurzes Omelette essen im Cafe Marrakesch. Ich radle kurz nach ADAI raus und finde recht zufällig nach „Därr“ eben diese Gazellen Gravour nochmals.
Pause im Hotel und Postkartenschreiben in Ibrahims Teppichladen. Im Hotel Tanger läuft Fußball: Casablanca gegen Ägyptischen Club 0:1 mit deutschem! Sprecher.
Mein erstes Couscous (unter Dampf gegarter Weizengries mit etwas Gemüse) hält sich in Grenzen, es ist mir zu trocken. Dröhnende Musik von nebenan.
Abdallah lungert herum. Housseine als Führer hat keine Ahnung von südlicher Gegend und ob es eine Asphalt Straße in Richtung SO AFELLA gibt. Aber er telefoniert mit seinem Cousin. Die Schlucht ist angeblich wegen der Regenfälle überflutet. Also will ich am nächsten Tag über die Straße 7038 nach IGHERM. Die Quälerei den Pass hoch mit 600Hm will ich mir nicht an tun und beauftrage ein Taxi für Frühmorgens. Schlafe wieder schlecht.


5. Tag        Sa. 14.12.    80Km         Atemberaubendes Hochland

6.45h aufgestanden, zu spät. 7h Frühstück, immer eine Wundertüte, Tee noir ist Cafe, nur Margarine, Marmelade und Brot auf dem Teller. Um 8h bin ich mit dem Taxifahrer Hassan und seinem klapprigen Peugeot 504 verabredet. Wir verlassen TAFRAOUTE und erklimmen den Pass  TIZI-MLIKI  auf 1.680Hm. 8.45h da und 14°C,  Sonne  und ca. 80Km dieser ANTI-ATLAS-Hochstrasse erwarten mich schon.

 

Mittlere Schussfahrt nach  AIT ABDULLAH, heute ist der Souk (Wochenmarkt). Ich rolle langsam durch den Ort: lebende Hähnchen werden vom Schlachter gewogen, im Pickup rupft ein Junge die toten Kreaturen. Vor dem Ort sind die Esel an den Beinen kurz angebunden.
Es geht jeweils 50Hm hoch und runter. Diese Strasse verbindet so gut wie nichts, verläuft zwischen 1.600 – 1.700Hm und 10 Autos überholen mich am ganzen Tag.
Irgendwann schiebe ich nur noch hoch. Sehr schöne Strecke im Hochgebirge, die neue Asphaltstraße lässt sich gut fahren, es gibt immer genügend Zeit den Blick in die Landschaft zu schweifen. Kilometersteine und sonstige lateinische Wegpunkte fehlen, 2-3 kleinere Dörfer kleben am Wegesrand, aber kein Cafe für einen Atay in Sicht. Fahrt über die Hochebene mit grandiosem Blick über Hügel, schroffe Gesteingegend, aber dauerhaft kleine mühsame Terrassenkulturen. Gepflasterte Dreschplätze zeugen von Getreideanbau. Hirten winken am Horizont.
 

Auch Frauen und Mädchen sind freundlich und zutraulich: fünf Holzbündel tragende Frauen kichern herum, für ein Foto gibt es 5DH. Im Ort versuche ich eine Kindergruppe zu fotografieren, aber sofort ist die restliche, 30-köpfige Dorfkinderschar dabei. Unmöglich ein Foto zu machen. Die Möglichkeit auch einen Dirham zu bekommen, macht sie rasend. Ich packe meine Sachen und nehme Reißaus, die Serpentinen bergauf.

 

Sechs Kinder folgen mir durchs steinige Gelände, einige barfuss, und schneiden die Serpentinen ab. „Klever und sportlich“. Mit dieser übersichtlichen Gruppe handele ich ein paar Fotos aus und sie geben mir ihren Namen. Leider ist der erste Film voll.
Die kurzen Pausen nutze ich immer mit essen, die drei Literwasserflaschen reichen für den Tag, weniger dürfte ich aber auch nicht dabei haben.
Weiter geht’s bei bestem Wetter und Klima die Hügel hoch und runter, die Straßenbauer haben sich schon Mühe gegeben, das Profil zu glätten. Auf der Michelin Karte 959 ist diese Strecke noch als Piste gekennzeichnet.
Aber irgendwann ist meine Kraft zuende. Fahrt auf der Hochebene. Karg, karg aber schön und bewirtschaftet. Dieses Zeichen der Besiedlung lässt mich nicht alleine sein. Und dann ist IGHERM nicht 72 sondern 80Km entfernt. Ich merke, dass ist auf Dauer zuviel. Pünktlich nach 80Km ist IGHERM per Schussfahrt erreicht, am Polizeiposten vorbei, ist ja auch eine Garnisionsstadt. Der Polizist will nach Dienstschluss bei mir im Hotel noch auf einen Tee vorbeisehen. Na ja, von mir aus nicht, ich bin mal wieder total geschafft, wenn gleich nicht so erschossen wie vorgestern. Mittlerweile nehmen die Kräfte zu.
Das einzige Hotel finde ich nicht auf Anhieb, ich fahre die 300m heruntergekommene Dorfstrasse 2x hin und her. Ich will gar nicht wissen, wie das Hotel aussieht. Im dritten Anlauf entpuppt sich das schlichte Cafe mit „cuisine maroccaine“ als ein „Hotel“. Na ja, das einzige Hotel auf 80 – 120Km Entfernung, keine Konkurrenz, dementsprechend ist es auch. Aber das ist nur die Fassade. Der sehr nette und aufmerksame Chef SLIMANI  und sein Sohn 5-jähriger Sohn ABDULLAHAD  (steht die ganze Zeit bei mir am Tisch) sind heute Abend meine Gastgeber.
(Bei einem Besuch in 2007 erfahre ich, dass es mindestens zwei weitere Hotels am Ort gibt. Der sehenswerte Souk ist am Mittwoch).
Erst einmal gibt es die traditionelle Suppe (Harira) und eine Kanne Atay. Ich setze mich nach draußen auf dem einfachen Gestühl, er will mich gar nicht rauslassen, sondern ich soll in der guten Stube bleiben, aber ich brauche die frische Luft. Die Blumenampel aus rostigem Moniereisen verschönert die Terrasse. Die Tajine von seiner Frau RHKIA  gekocht ist sehr gut, und wird mit Sicherheit eine der besten meiner ganzen Tour.
Das Zimmer ist ultra einfach, ein kleines Fenster zum Flur, nur grob verputzt, die nackte Glühbirne lächelt von der Decke. Kein fließend Wasser, Eimerchen spenden das Händewaschwasser, das WC befindet sich im „Restaurant“ und ist mini klein. Alles sehr schlicht und lädt nicht gerade zum verweilen ein. Ich räume das Zimmer um, das Bett von der klammen Wand weg. Und das Rad kommt mit ins Zimmer, es  eignet sich sehr gut als Garderobeständer. Der 1. Film der Kamera wird gewechselt.
Beim Abendessen mit Chef die Landkarte studiert und er hat mir die arabischen Worte zu der Kinderschar geschrieben.
Morgen habe ich zwei gemütliche Tage bergab nach TATA vor. 2 SMS von Christoph aus Neuss erreichen mich. Gut müde gehe ich um 21h ins einfache Bett. Keine Heizung sowieso.
SATURDAY  NIGHT  FEAVER  auf marokkanisch.


6. Tag        So. 15.12.     125Km    Es wird doch wieder länger als geplant

6h aufgestanden, im Zimmer ist es 10°C  und klamm, klar bei 1.700Hm ohne Heizung. Das verabredete Frühstück um 6.30h klappt. Es dämmert noch. Die ganze Familie ist im Restaurant (oder auch Wohnzimmer) und hustet. Slimani kümmert sich sehr aufmerksam um mich, reicht mir warmes Wasser zum Händewaschen. Ich tanke Energie: 2 Kaffee, 1 großes Omelette und natürlich Brot. Er verrechnet sich, aber was soll es, hier habe ich alle Lebensmittel bekommen, auch die heutige Tagesration.
Bei 5°C fahre ich um 7.20h in IGHERM los. Richtig schnell geht es nun bergab durch das schräg gestellte Faltengebirge, ein bisschen wie das Monument Valley. Ich verlasse die Bergzüge des Anti-Atlas, hinunter in die Ebene der Steinwüste (Hamada).
Es wird deutlich wärmer, nach 30Km trinke ich in ISHAFEN einen Tee. Dann wird es flacher mit kleinen Auf und Abs. Frauen bestellen mühselig mit Eseln und Holzpflug kleinste Äcker. Alle winken.
TISQUI  und  IMITEK sind Dörfer ohne Infrastruktur, es gibt keinen Tee und keine Übernachtungsmöglichkeit. Also wird es wieder eine lange Tagesetappe zu Tajine und Bett. Ab IMITEK wird es arider (trockener), kaum Bewuchs, aber wärmer, meine 3 Liter Wasser werden etwas knapp. Ich befinde mich jetzt südlich des ANTI-ATLAS und befahre nun die nördlichen Ausläufer der SAHARA.
Die letzten 30Km kann ich teilweise mit bis zu 30Km/h fahren, muss mir aber den letzten halben Liter Wasser einteilen. Am Stadtrand von TATA hole ich an der Tankstelle erst mal eine Flasche Wasser. Das tut gut. Alle Mühsal ist vergessen nach 125 Tages Km mit höchsten Durchschnitt bisher: 19,6Km/h.

 

Endlich TATA, mal sehen, was die Hotels hergeben: ein sehr teures und gutes für 260DH, ein mal besser gewesenes für 120DH, und eins „wo die Busfahrer schlafen“ für 50DH. Ich nehme das mal besser gewesene. Das besser gewesene war auch mal besser, der Tee braucht 20 Min, d.h. schlechter Service, also hier bestelle ich kein Abendessen. Ich dusche in meinem DZ und ab in die Stadt.
Keine 5Min später ist Idir da (Teppichladenbesitzer), nett zurückhaltend -sein Bruder und Onkel sind es nicht - wollen mir die Teppiche auch nach Hause senden. Idir „empfiehlt“ mir ein Restaurant, ist auch wirklich gut, aber verkauft mir ein Menü für 80DH, zu teuer, na ja das Dessert (Obst) ist dann für morgen.
Kurzer Gang durch den Ort, mit den Männern vorm Hotel palavert. 22h ab in die Falle.


7. Tag        Mo. 16.12.    92Km        Gemütliche Fahrt durch die HAMADA

18°C leicht bewölkt, optimales Wetter. Das wird heute nicht mein Tag. Die Verabredung um 6.30h zum Frühstück funktioniert nicht. Ich wecke das schlafende Faktotum im Saal, von der Küche ist nichts zu hören, ich hole mir mein Rad aus der Garage, bin sauer und zische los. Ich hinterlasse 100DH statt 120 und ab zum Busbahnhof und Marktplatz. Ein sehr nettes Cafe hat schon auf: 2 Cafe au lait, 1 O-Saft, 1 Teilchen und ab geht’s in die Morgenkühle, TATA lasse ich schnell hinter mir.
Der leichte Gegenwind in der Steinwüste nervt; ein armer angefahrener Vogel hockt auf der Fahrbahn. Bis TISSINT (Oase mit Cascade) sind es nur 74 flache Km. Kaum Bewuchs, keine Landwirtschaft, nur ein paar Nomadenzelte. Überall Wasserlachen in der Wüste; es hat wohl in den letzten Tagen geregnet.
Kaum Auf und Abs, schönes flaches Straßenprofil, ich lasse es gemütlich rollen. Das habe ich nach der Schufterei der ersten Woche auch verdient. Ich genieße das entspannende geradeaus fahren, keine Abzweigungen. Alle halbe Stunde mal ein Auto, Grand Taxi, LKW oder Reisebus. Da kann ich mal bequem rechts auf den Schotterstreifen gehen und „meinen“ Radweg freigeben. Der leichte Gegenwind stört mittlerweile nicht mehr.
Grosse Pause auf Ouedstein bei 20Km vor TISSINT. Die Strasse nach AKKA IRGEN ist nicht ausgeschildert. Beim Einpacken lasse ich meine Michelin Karte liegen! Das merke ich erst später.
3km vor meinem Tagesziel erstreckt sich ein wunderschönes Flusstal entlang des Bergrückens. Ich halte an und schaue in die Tiefe. Palmen umrändern den träge fließenden Fluss.
Am Ortseingang die übliche Straßensperre. Das gibt wieder ein nettes kleines Palaver. Und ich muss meine Personalien auf einen Zettel schreiben. Als Beruf gebe ich Boulanger (Bäcker) an. Der freundliche Polizist wird in einigen Monaten Vater. Herzlichen Glückwunsch. Von meinen Zigaretten möchte er keine.
Vom Norden biegt die Hauptstrasse in den Ort ein. Um 14.30h erreiche ich das erlösende Cafe. Ich werde bestaunt wie ein bunter Hund, die Kinder halten reichlich Abstand. Das „Hotel“ scheint hier nicht besser zu sein, also versuche ich es mal mit Camping. Die Tajine bestelle ich bei LHACHMI schon mal auf 16.30h. Das Camping an den Cascaden kann ich vergessen, es sind nur zwei Betonstaustufen für das dürftige Wasser, und die Bevölkerung nutzt sie als Überweg. Also viel zuviel los, und absolut einsehbar.
Ich fahre vollgepackt durch die Palmerie: kleine Kanäle bewässern die Privatgärten, vertrocknete Palmwedel sind kunstvoll zu Zäunen geflochten. Über leicht schlammige Wege durchfahre ich die Palmenoase, alles dicht besiedelt - Hütten und Gärten - nach ca. 2Km fängt wieder die Wüste an, keinerlei Bewuchs. Aber brauchbare Campingstellen, auch hinter einem zerfallenen Haus. Die bestellte Tajine wartet auf mich, möchte die Oasengärten aber nicht noch mal durchfahren, sondern fahre ganz einfach außen herum.
Folge einer Piste, die natürlich in einer Besiedlung endet. Ich fahre durch den Ort, nur ein Weg mit Privathäusern. Es wird enger, das Labyrinth der Fußwege wird immer undurchsichtiger. Viele Menschen staunen. Doch es gibt kein Durchkommen. Ich bin ziemlich weit abgekommen. Also wieder zurück zum Ortsrand. Ich fahre einen riesigen Bogen um die ganz Oase, bis ich die südliche Zufahrt zur Hauptstrasse finde. Jetzt sehe ich erst mal wie groß so eine Oase mit Ansiedlung ist, nicht nur der Dorfkern mit den paar Geschäften. Klar, irgendwo müssen ja die Unmengen Kinder und Menschenmassen herkommen. Zu meinem Abendessen muss ich mich sputen und noch 5 lange Km einlegen.
Verschwitzt erreiche ich nach 16Km Dorfumrundung pünktlich meine bestellte und sehr gute Hühnchen Tajine, das Fleisch ist grob zerhackt.
Ich entspanne und beobachte das Dorftreiben. Der Überlandbus bringt ein bisschen Aufregung in den Ort. Als Nachtisch gibt es eine Tüte Bananenmilch, habe ich bisher noch nicht probiert.
Im Cafe läuft Fußball, Marokko: Kuwait 1:1. Kinder kommen aus der gegenüber-liegenden Schule und bestaunen mein Rad, sie können aber noch kein Französisch.
Ich schaue mir das gegenüberliegende Hotel an. So schlecht ist es gar nicht. Den Campinggedanken verwerfe ich also hiermit. Ich schleppe mühsam das Rad mit voller Ausrüstung (ca. 40Kg) die steile Treppe nach oben, das soll bei mir bleiben, außerdem muss ich nicht alle Taschen abmachen.
Der Hotelier wischt erst mal schnell das Waschbecken und holt eine Hose und ein Radio (wer wohnt denn hier sonst) aus meinem Zimmer. Erst einmal ne halbe Stunde die Beine hoch und wieder runter ins Cafe zu Keksen und Tee mit Lhachmi.  
Er ist schwarz, sein Bruder Abdelfatah  aber hellhäutig. Viele Marokkaner sind negrider Abstammung (ehemalige Sklaven). So spielen die Gene nach einigen Generationen Roulette. Beide träumen wie alle hier von einem Visa für Frankreich oder von einer deutscher Ehefrau.
Das Restaurant ist unter meinem Zimmer hat das TV an und ist bis 23h geöffnet.


8. Tag        Di 17.12.      0 Km         Trampen in der Wüste

Um 6.30h aufgestanden und den Überlandbus um 7h genommen, zurück Richtung TATA, wo ich die Karte liegengelassen habe. Ich lasse das Rad abgeschlossen am Bettrahmen zurück und ohne Frühstück in den Bus. Nach einer halben Stunde bin ich am gestrigen Rastplatz, 20Km vor TISSINT, aber die Karte ist nicht mehr zu finden.
Nur ein frischer menschlicher Scheißhaufen! Wenn die Karte hier war, hat sie derjenige bestimmt mitgenommen. OK, wann kommt das nächste Auto. Aus Langeweile suche ich den Rastplatz nochmals weiträumig ab.
Nichts. Warten. Lesen. Angenehme Frische. Zwei Nomadenfrauen treiben ihre kleine Ziegenherde durch die Steine. Die Luft ist so klar und so ruhig, dass ich ihre Stimmen auf über 300m höre. Zwei Jungen treiben ihre Ziegen über einen Felsenkamm. Drei Frauen sammeln Feuerholz. Die Morgensonne bescheint die Atlashügelkette in der Ferne, sieht aus wie große Sanddünen. Warten auf einen „Lift“, oder 18Km gehen?
Nach einer Stunde knattert ein alter Familien Ford Transit vorbei und hält nicht an. Ein grossvolumiger Wassertanklastzug biegt ab und versorgt ein Dorf mit frischem Wasser. Nach knapp 2h biegt ein älterer Mitsubishi Pick-Up zu dem Dorf ab, erledigt was und nimmt dann einen Einheimischen und mich mit. Er ist vom „Medicine Administration“ und fragt mich ob ich weiter nach FOUM-ZGUID mitmöchte. Ich lass mich darauf ein, und sage ja. Er erledigt noch was in TISSINT, ich packe schnell meine Sachen, kriege noch ein ordentliches Omelette als spätes Frühstück, und lade mein Rad auf seinen Pick-up.
Schnelle Fahrt über den Wüstenasphalt bis nach FOUM-ZGUID. Am Ortseingang ist das Gebäude der „Santé“ (Gesundheitszentrum/kleines Krankenhaus). Mitarbeiter und Ärzte warten schon auf ihn. Nur einige sprechen Englisch, kaum einer hat einen Auslandsaufenthalt hinter sich, und die Ärzte fahren mit Fahrrädern oder Mopeds nach Hause. Ein aufdringlicher Arzt will mir mein Rad sogar abkaufen.
Mit ihnen gehe ich  am Marktplatz „Mittagessen“ und dann in ihre „Werkswohnung“. Sehr schlicht eingerichtet, später merke ich, das ist normal. Wir liegen auf dem Teppich, futtern Mandarinen und der TV läuft.
Sie bezahlten mein Essen mit und um 17h fahren alle wieder vollgepackt auf dem Pick-Up zurück nach Tata. Herzlicher Abschied von allen, leider mache ich kein Foto.
Ich suche mir eine Bleibe für die Nacht, das einfache Bani-Hotel oder das Touristenhotel (Lac-) Eriki. Ich entscheide mich für das komfortablere Eriki. Ich bin mal wieder der einzige Gast, und ELHAMDAOUI SALH  bewirtet mich bestens. Mal ein gutes Hotel für 160DH Vollpension im geräumigen Doppelzimmer.
Ich sitze draußen vor der Tür zum Relaxen, kommen zwei Ostdeutsche mit einem Leihwagen und wollen die Übernachtung für 2 Personen von 150DH auf 100 runterhandeln. Peinlich. Das ist doch schon spottbillig für Touristen. Der Hotelmanager lässt ihn abblitzen.
Viele Kinder sind dabei und ich lasse sie ihren Namen auf Arabisch in meinem Reisetagebuch aufschreiben.
Ich dusche wunderbar warm (es gibt sogar ein Handtuch, zweckmäßigerweise halbiert und einfach mit der Hand umgenäht; Motiv: hellblau plus Anker!). Und bekomme eine leckere große Tajine zum Abendessen.
Kleiner Gang durch den Ort. Volles Leben, diffuses Licht; Hühnerschlachterei mit frischen, noch lebenden Hühnern im Käfig,... frischer geht’s nicht. 3 St. Orangen = 4 DH, 80 Pfenning.
Nachts um 1h lässt der Bauer seinen dicken Ford Trecker warmlaufen und hantiert lautstark an der Stahltür. Das habe ich dann öfters mitbekommen. Die Bauern nutzen die kühle Nacht zum Arbeiten auf dem Feld.


9. Tag        Mi. 18.12.    55Km        Tagestour in die Sahara
6h aufgestanden, 6.30h einfaches Frühstück und um 7h los zum Ausflug auf die Piste 6961 Richtung TAGOUNITE, mal sehen wie das so ist auf einer Piste. (Fast 2 Wochen später werde ich mit Antonio aus dieser Richtung kommen und diese sehr anstrengende Pistenquerung geschafft haben.)
Die Morgenröte will nicht so recht mit dem Licht heraus, 15°C und sehr bewölkt, diesig bis dunkel, es fallen ganz kleine Regentropfen. Und das in der Wüste. In Fahrtrichtung Südosten klart es auf. Ein Militärlaster quält sich durch die Wüste, hupt und die Soldaten von der Ladefläche, dick eingepackt in Decken und Mäntel, grüßen. Echt nett, alleine bin ich selbst in der Wüste nicht.
Mache Rast und umgehe mein Rad in ca. 50m Entfernung. Einziger „kultureller“ Fixpunkt, neben Steinhaufen als Markierung. Nach 16Km wichtige Teilung der Piste, allerdings kein Hinweisschild! Ich wähle rechts, vermutlich Lac IRICI (Hauptroute geht aber links). Piste geht so, nach 25 Gesamt-Km kehre ich um. Bei Rast schaue ich mal über die Hügel, da kommt ein einheimischer Mopedfahrer und fragt mich nach dem Weg. Nette Begrüßung und ich schenke ihm eine Orange. Er pellt sie und teilt sie mit mir. Sucht hier in der Wüste nach Mineralien und Versteinerungen.
Kehre also zu dem Abstecher von der Piste  Richtung Zagora zurück, an der unbeschilderten Kreuzung vom Hinweg fahre ich ein Stück in die linke Alternativrichtung. Eine mit zwei Spuren sehr breite ausgebaute Piste, mit Steinbarrieren einfach begrenzt. Wenn das bis Zagora so gehen soll, au backe...
Bleibe vor Abfahrt zum Qued (ausgetrocknetes Flussbett) stehen und höre im REGEN (!) kauende Geräusche: zwei halbwilde Dromedare äsen an stacheligen Akazienzweigen das bisschen Grün ab. Nach langsamem Herangehen komme ich auf ca. 5m an sie heran. Weiter im nächsten Qued: fünf Esel, an den Vorderbeinen gefesselt, knabbern die Rinde der Akazien ab. Sie sind scheu, was sonst.
Zügig fahre ich zurück. Schade, alleine möchte ich diese Dreitagestour mit ca. 150Km nicht machen, obwohl es reizt: drei Tage Abenteuer, alle Lebensmittel und Wasser mitnehmen!? Bewölkt und diesig. Die Felsformation zur linken weist mir den Weg, der Taleinschnitt bei FOUM-ZGUID bildet den Zielhorizont.
Im Hotel IRIKI werde ich freundlich begrüßt. Erst mal duschen und eine Stunde schlafen. Im Ort trinke ich beim „Schlamm-Cafe“ einen Atay, auf dem Weg dorthin werde ich von allen Seiten begrüßt. Etwa alle Viertelstunde fährt ein klappriges Auto über den Dorfplatz. Ein schwerer Militärlaster brummt zurück in die angrenzende Kaserne. Es wird kühl, leichter Wind zieht auf.
Zur Teekultur: In Inezgane gab es Zucker und frische Pfefferminze zum Tee dazu, in IGHERM war die Pfefferminze schon drin, Zucker extra, hier in FOUM-ZGUID ist alles schon drin.
Ich freue mich auf die bestellte Tajine im Hotel.
Beim Metzger stehen zwei Rinderfüße quer auf dem Tresen, die Fetthaut hängt als Angebot in der Auslage und ein Rinderviertel ist frisch hereingekommen.
Es ist kalt und alle Menschen sind warm angezogen, haben aber keine Strümpfe an.
Drei Frauen mit ihren kleinen Kindern spazieren vor mir – teetrinkend vor dem Hotel – lächelnd und scherzend. Ich pelle eine große Orange und verteile sie an die Kinder. Ich blättere in meinem Reisehandbuch DÄRR,  wie es ab hier weiter geht: erstmal morgen bis TAZENAKHT.


10. Tag    Do. 19.12.     90Km        Anfangs tierischer Wind

Das fängt ja gut an! 6h aufgestanden. 6:30h gibt es das gute Frühstück. Draußen fegt ein stürmischer Wind um das Haus, und die Flurtür schlägt mit großem Getöse zu. Die anderen Gäste sind jetzt wohl auch wach. Die Zugluft fegt unter den Türen mit „Hochwasser“ durchs ganze Haus. Ich mache es was langsam, bei dem Gegenwind habe ich keine Chance auf dem Rad. Vielleicht schläft der Wind ja ein?
Keine Streckeninformation im DÄRR für FOUM-ZGUID – TAZENAKHT. Die kleine Karte im Reisehandbuch ist das Einzige, was mir zur Orientierung dient.
Am Ortsausgang bewachen zwei frierende Polizisten bei 10°C die Quedbrücke. Die ganzen Schulkinder des Dorfes kommen mit ihren Fahrrädern grüßend entgegen. Heute ist wohl Markt. Reichlich Ford Transit mit aufgeschweißten Dachträgern (plus Schafstall) fahren in die Stadt. Nach 5Km erreiche ich ein Dorf. Erstes Steinhinweisschild „79Km“ bis nach TAZENAKHT. Ich tanke einige Tropfen Kettenöl –wirkt Wunder an der trockenen Kette- ich gebe ihm eine Orange als Dankeschön.
Ein junger Mann fährt mit seinem Rad mehrere Km mit. Er arbeitet in den Gärten/Jardins und will gerne in Deutschland arbeiten...
Es ist mittlerweile windstill und die flache Strasse geht durch ein Plateau mit Oasental. Hinter mir der Bergeinschnitt von FOUM-ZGUID, vor mir die nächste Hügelkette, wie komme ich da durch? Leichter Anstieg.
Drei holzbündeltragende Frauen scherzen mit mir bei meiner Pause. Soll ich ein Foto machen, weiß nicht. Habe ja schon solche Motive geschossen.
In einem namenlosen Dorf mit reichlichen Kindern um mich rum mache ich Rast. Das Cafe hat eine 1a Terrasse mit Südblick und schattenspendenden Blumen. Drei Männer hocken am Nebentisch. Es ist schwierig Tee zu bekommen, Kuchen unmöglich. Ein Trinkwasserfass für alle steht auf der Terrasse. Erhöht auf alten Mineralwasserkasten, ummantelt mit groben Mehl- und Kartoffelsäcken, grobe Stiche halten dieses Patchwork zusammen. Ein Plastikbecher mit Schnur bietet den Service.
Der Tee hält bis zur nächsten 15Km Pause. 3x Route déviée (beschädigt), unterspülte und kaputte Quedbrücke, klar ohne viel Unterbau und ohne Armierung, nur ein bisschen Beton hält die Fahrbahndecke zusammen. Die Fahrt geht recht flach durch ein weites Quedtal mit Palmenansiedlungen, Ziegen und Hirte dösen im Palmenhain.
Nach 50Km mache ich Pause an einer kaputten Quedbrücke, drei Dattelpalmen spenden mir erfrischenden Schatten. (Auf meiner Michelin Karte ist diese Strasse noch als Schotterpiste beschrieben, d.h. der Asphalt ist recht neu. Aber von Quedbrückenbau haben die keine Ahnung. Leider.)
Mein Snack besteht aus der Pita, die ich mitgenommen habe, einfache Margarine, dem Thomashof Goudakäserad, Orange und einem Aldi Müsliriegel.
Vögel (Spatzen, Amseln?) zwitschern von Palme zu Palme.
Wasser- und holzholende Frauen am Brunnen. Wäsche waschende Frauen am Fluss begleiten meine Route.
Auf den nächsten 1.000m in der Steinwüste: eine Dromedarherde, ca. 20 Stück, äst auf der anderen Quedseite; an der Furt steht ein Junge und hütet seine Ziegen, passt wohl auf, das sie nicht auf die Strasse laufen; ein vollbesetzter und bepackter Fort Transit überholt mich, freundlich hupend; auf der Heckstosstange und Anhängerkupplung steht ein Mann im grünen Djeballah und hält sich bei voller Fahrt an dem aufgeschweißten Dachgepäckträger fest, er winkt . Echt nett, so bin ich halt auch im „Nichts“ nicht alleine. Ziegen blöken im Hintergrund.
Unmerklich bin ich von 640 auf 1.000 Höhenmeter geklettert. Endlich baut sich meine Kraft und Kondition auf. Dann geht’s aber langanhaltend aufwärts auf eine große Hochebene mit 1.160Hm. Phantastische Sicht. Ein großes Plateau mit sanft abfallender Gebirgskette. Geringer Bewuchs ziert die Steine. Am Talrand durchfahre ich eine kleine Oase. Es gibt kein Cafe und somit auch keinen Tee. Wieder nur eine einfache Rast am Straßenrand.
Ein knall gelber kanadischer Allradwagen überholt mich an der Kreuzung Richtung AGDZ, 20Km vor meinem Tagesziel. Wie aus dem nichts ist er plötzlich mit hohem Tempo da und genauso schnell am Horizont verschwunden. Was ist denn das?
Ein kleiner Hügel mit ca. 50Hm ist zu meistern und dann geht’s richtig zur Sache: der Tizi-Taguergoust mit 1.640Hm. Mehrere Km fahre ich im 2 oder 3 Gang, geht ganz gut, meine Beine sind o.k. Ich schnaufe gut, die Nachmittagssonne wärmt, lässt mich aber nicht allzu sehr schwitzen. Blick zurück ins Tal mit tiefstehender Sonne.
Um 15:50h habe ich es geschafft: einen ordentlichen Pass ohne Pause hochgeradelt. Nach TAZENAKHT geht es noch 9km bergab, so lässt es sich rollen. Die „übliche“ Begrüßungseinfahrt und „Spießrutenlauf“ bis ins Centre Ville. Aha, meine erste größere Stadt mit imposanten Suq. Hole mir kurze Information aus dem DÄRR, welches gute Hotel ich heute nehme. Ich fahre die Hauptstrasse hoch und runter um mir einen Überblick zu verschaffen. Ich bin noch nicht abgestiegen, schon kommt „der übliche nervige Teppichhändler“ vorbei: „Hello mon ami“. Sein Bruder ist aber ganz nett. Ich wähle das gute Hotel Zenaga und bestelle für 19h eine Tajine.
Nachdem ich meine Sachen und das Rad auf das hübsche Zimmer gebracht und geduscht habe, mache ich einen kleinen Rundgang durch den abgeräumten Suok: gefesselte Kälber. Es ist noch genügend Licht fürs Foto, bei 1/30 sec., ein Zaun dient als Stativ.
Der nervige Teppichhändler fängt mich wieder ein, die übliche Nummer mit dem Tee trinken. Nach drei Minuten soll ich einen Teppich/Tapís kaufen. Idiot. Hier treffe ich auch die Kanadier wieder. Dann gehe ich essen.
Eine Suppe und eine große Tajine warten auf mich auf der Außenterrasse. Die erste richtige Restaurantterrasse, echt hübsch. Ein großer Bettler mit freundlichen und hellen Augen umstreift längere Zeit meinen Tisch, er läuft barfuss bei 14°C. Mir wird es ja schon in meinen Socken kalt.
Beobachte das Stadttreiben, stecke dem Kanadier meine Visitenkarte an die Windschutzscheibe, schreibe im Tagebuch und bin um 23h im Bett.



11.Tag    Fr.  20.12.    98km        Es kommt alles anders

TAZENAKHT – Hotel Zenaga, 1.600Hm, 10°C im Zimmer! 6h aufgestanden. 6:30h Frühstück! Alles bestens, auch der frische Orangensaft. Draußen ist es noch saukalt und der Vollmond steht über dem Suq. The Canadian Daniel aus New Brunswik hat mir seine Visitenkarten überbringen lassen. Sehr aufmerksam.
Da meine Route heute ca. 100Km lang sein wird, ich noch den Pass von gestern wieder zurückfahre und nicht immer so lange Touren um 100 Km fahren will, werde ich das erste Stück bis BOU-AZZER (im Südosten) mit dem Taxi fahren (ca. 33Km, ist eine Bergarbeitersiedlung, also kein Hauptverkehrsort). Es fahren die normalen Taxis aber nur nach QUARZAZATE (Richtung Nordost).

 

Ich bin also früh morgens am Taxistand. Großes Menschengewimmel, nur gibt es kein Grand Taxi (Ford Transit) nach BOU-AZZER. Keiner kümmert sich um mich, obwohl ich meinen Fahrwunsch äußere. Nur ein „Reisender“ kommt auf mich zu und vermittelt mir eine Fahrt, angeblich in einer halben Stunde. Es passiert aber nichts. Buntes Treiben, alle strömen zum Suq, Busse fahren Richtung Westen nach Agadir und nach Norden nach Marrakesch.
Ich hole mir zum ersten Mal ein frisch gebackenes Fladenbrot für 1,50DH beim fliegenden Händler. Echt lecker, nach einer halben Stunde Warten, habe ich das schon aufgegessen und hole mir noch eins.
Um 8:45h habe ich die Faxen voll, wo ist mein Taxi? Ich entschließe mich, doch selber zu radeln. Habe leider fast 2h „verloren“. Aber das morgendliche Treiben war doch interessant, ein schönes Foto hat der „Reisende“ von mir auch noch gemacht.
Fahre also den Pass zurück, was nur 50Hm sind. Dann verlasse ich die Strasse von gestern und biege Richtung Osten ab. Diese Nebenstrecke hat ein unruhiges Profil, auf und ab durch eine abenteuerliche Gebirgsschlucht. Dicken Lastern muss ich Platz machen.
Impressionen im Tal: Mädchen hüten ihre Ziegen, eine Frau repariert den Steinbrunnen, einem LKW ist das hintere linke Rad von der Achse gesprungen, das gab ein 30m lange Schleifspur im Asphalt. Der Fahrer hat sogar vorschriftsmäßig ein Warndreieck aufgestellt. Und das bei ca. 50 Autos am Tag. Nach 2,5 Stunden anstrengender Fahrt bin ich im Bergwerksdorf BOU-AZZER auf 1.340Hm angelangt.
Die werden wohl eine Kantine oder Cafe haben. Ich rolle durch die Bergwerksanlage und finde endlich in einer Seitengasse das rotweiße Coca Cola-Schild einer Bar. Der Besitzer bietet mir an, das Rad mit hinein zu nehmen. Ich nehme auf der Steinbank Platz und beobachte die Mitarbeiter in ihren Blaumännern. Hier gefällt es mir so gut, daß ich meine Pause mit einem zweiten Tee verlängere, außerdem gibt es gekochte Eier und Bananen Yoghurt im Plastikbeutel – echt lekker.
Aber jetzt heißt es aufbrechen für die 65Km bis AGDZ und dazu noch auf einem Stück Piste, da bin ich ja mal gespannt. Der Abzweig ist so gut wie gar nicht ausgeschildert, aber Inshallah (Gott sei Dank) hat mir der Kantinenwirt diesen Abzweig beschrieben. Ich bewege mich weiterhin auf 1.400Hm. Nach 8Km habe ich diesen Abzweig erreicht. Ich lasse aus den Reifen etwas Luft, damit es sich auf der Piste nicht so hart fährt. Die Piste fängt ganz schön holperig an, wird dann aber flacher und es geht leicht bergab. Die hochstehende Sonne taucht das Hochplateau in ein rötliches Licht.
Plötzlich bleibt ein kleines französisches Wohnmobil vor mir stehen. Das Pärchen aus Nizza erkundigt sich nach mir und will wissen, ob ich Wasser brauche. Ein netter Plausch entsteht und eine Nomadenfamilie gesellt sich dazu. Aber dann heißt es wieder Abschied nehmen.
Die Piste rollt sich gut bei 20Km/h, ein Waldweg ist auch nicht besser. Keine Wolke, kein Strauch, 22°C. 10Km weiter steht ebenso plötzlich René aus St. Gallen/CH mit seinem Militärrucksack vor mir. Ein Wanderer in der Wüste! Mit dem bisschen Gepäck, unglaublich. Er ist seit Monaten über Berg und Tal zu Fuß unterwegs und überwintert hier in Marokko. Ich gebe ihm noch Zigaretten und eine Orange. Nach zehn Tage der Erste, mit dem ich Deutsch rede. Adieu.

 

Unterwegs spende ich einem armen alten Mann im Rollstuhl eine Münze. Die letzten 16Km rolle ich auf einer neuen Asphaltstrasse. Ich komme sehr gut die Hügel hoch und die tiefstehende Sonne heizt mich von hinten gut auf. Teilweise fahre ich 28Km/h. Nach 96 Tageskilometern rolle ich durch das königliche Jubeltor über die breite Hauptstrasse nach AGDZ ein. Die erste „ordentliche“ Stadt bisher auf meiner Reise. Hier ist der Eingang zum Vallée du Drâa. Ein wasserführendes und daher fruchtbares 200Km langes Tal. Ausgangsort auch für touristische Wüstenausflüge.
Ich fahre gleich durch zum empfohlenen Campingplatz „Palmerie“. Wirklich schön hier, unter Dattelpalmen. Wasserkanäle bewässern die Gemüsegärten.
Hier will ich zwei Tage bleiben. Möchte mal das geliehene Zelt von Ralf ausprobieren. Wann habe ich das letzte Mal ein Zelt aufgebaut? Kann mich gar nicht daran erinnern. Den Campingplatz teile ich mir mit noch einem französischen Ehepaar mit 14 jähriger Tochter. Dusche und Klo sind super, das Beste bisher. Kurz ausruhen und ab ins Centre Ville.
Sehr viele Garküchen im Stadtzentrum, schade, das ich schon eine Tajine beim Campingplatz bestellt habe. Einen aufdringlichen Typen kann ich gleich mit „challini tranquil“ (verschwinde/lass mich in Ruhe) vom Hals kriegen.
Für einen frisch frittierten Krapfenkringel bezahle ich 0,50DH/10 Pfennig! Gehe einmal um den Platz und wähle das „Restaurant“ an der äußeren Ecke, neben der Krapfenbäckerei. Ich stelle mein Rad neben meinen Tisch. Netter Chef, bringt mir erst ein Touristenglas Tee, dann aber eine ganze marokkanische Kanne. Ich habe eine schöne Sicht auf den Platz, geschäftiges Treiben, man merkt dass das hier ein touristisches Zentrum ist.
Frisch gebackener Fisch liegt auf dem Grill. Den gibt’s dann halt morgen und noch eine traditionelle Harira Suppe. Ein Junge fragt nach 1DH, ich sage nein. 10 Minuten später bestellt er sich hier ein Tellergericht und setzt sich ganz unbescheiden an den vordersten feinen Tisch mit Blumenvasendeko und Tischdecke. Das habe ich bisher noch nicht gesehen. Auch das erste Mal, das ich einen Marokkaner in der Öffentlichkeit was essen gesehen habe. Aber dieser Junge hat das Betteln raus. Reicher Armer.
Auf schwach beleuchteten Wegen fahre ich 2Km zurück zum Campingplatz. „Gestalten“ lehnen an den Hausmauern, der Mond erhellt sie zu Skulpturen. Kleine Geschäfte sind das einzige Licht in der unendlichen Häusermauer. Ein kleines ca. 8 jähriges Mädchen geht alleine in der unbeleuchteten Strasse barfuss, nach Hause? Die Tajine auf dem Campingplatz ist der einzige Essenflop bisher: lauwarm, und die dick geschnittenen Kartoffeln sind nicht gar. Das Hähnchen geht einigermaßen, das fein geschnittene Gemüse ist Matsch. Das liegt mir schwer in meinem hungrigen Magen. Hoffentlich wird das nichts Schlimmeres.
Campingschlafen: das Liegen auf der einfachen Isomatte ist doch etwas härter als gedacht, schlafe daher unruhig. Hundegebell durchdringt die Nacht. Der Vollmond beleuchtet den Platz. Pinkeln bei Mondlicht an der Dattelpalme.


12. Tag    Sa.  21.12.        20km         Pause     in AGDZ

Ausschlafen und ein Ruhetag ist angesagt. Morgens ist es im Zelt 9°C auf 925Hm, aber ich bin gut warm angezogen.
Mein erster kleiner Waschtag, die Dattelpalme dient als prima Wäscheständer. Ich pumpe die Reifen wieder auf und fahre um 9:30h ins Stadtzentrum zum Frühstück. Impressionen unterwegs und in der Stadt: Der Schreiner benutzt die Oberfräse als Flex, der Eierverkäufer ist mit dem Rad unterwegs. Die Eselfuhrwerke haben grob gemalte Ordnungs-Nummern auf den Seitenteilen. Es gibt sogar einen Straßenkehrer. Meine Cafeterrasse liegt noch im Schatten mit 16°C, aber im Fleece ist mir nicht kalt, es wird schon wärmer werden, das ist sicher. Leichte Wolken bedecken den Horizont.
Ein erster Eindruck vom „Massen-Tourismus“: ein neuer Reisebus mit TUI, Tjareborg und Jahn Reisen Aufkleber (oder am Besten „bitte nicht füttern“). Oder „Tour-Extreme“: drei Landrover, vollgepackt mit je zehn Mountainbikes auf dem Dach und echte blasse Touristen innendrin.
Ich schaue mir das Treiben während des köstlichen Frühstücks an und rolle dann 4km zur KASBAH TAMNOUGALTE (UNO-Weltkulturerbe, siehe DÄRR Seite 364).
Ein Jugendlicher mit Rad rollt mit mir mit und nach einigen Km Smalltalk fragt er nach 10DH. Nachmittags treffe ich ihn im Salon de Joue (Spielsalon) wieder.
200m vor der Kasbah werde ich von Abderzezak Ait el Kaid  angerufen und eingeholt. Er ist der 18jährige Enkel vom letzten Kaid/Fürst. Er führt mich gut zwei Stunden durch die teilweise zerfallene aber auch restaurierte und bewohnte Großsiedlung. Wirklich interessant, wenn auch auf Französisch. Er gibt sich wirklich Mühe und bekommt dafür 50DH, incl. Tee mit dem Manager des Restaurants „Chez Jacob“. Familiäre Atmosphäre auf Plüschkissen mit atemberaubendem Blick über die Dächer und ins fruchtbare, grüne Drâatal.
Ich rolle ebenso gemütlich zurück nach AGDZ zu meinem Stammrestaurant „Laiterie de Raja“. Es gibt die übliche Kanne Tee mit frischen Pfefferminzblättern und viel Zucker, Pommes und Fleischspießchen (Brochettes) vom Holzkohlegrill.
Ein dick gepackter neuer Ford Transit nach dem anderen fährt Richtung Zagora und M´hamid, dem Touristenzentrum für Wüstenexpeditionen. Ich gehe ein bisschen durch den Ort spazieren, heißt die Hauptstrasse einmal hoch und runter.
Zum ersten Mal in einem Internet Cafe meine E-mails nachgesehen und reichlich geschrieben. Jan Cramer bietet mir für meine verloren gegangene Straßenkarte an, dass er mir einige Ausschnitte scannt und mir zusendet. Echt klasse Unterstützung. Aber ich glaube, mit der groben Karte im Reisebuch auszukommen. Wenn ich auf den großen Asphaltstraßen bleibe, genügt mir das als Orientierung.
Beim Friseur lasse ich mir nach nun zwei Wochen den Bart schneiden.
Bei „Laiterie de Raja“ gehe ich Abendessen: gegrillte Sardinen und eine kleine Tajine mit Brot, mittlerweile trinke ich auf Hinweis von René auch Leitungswasser. Mein Campingplatznachbar mit Familie ist auch hier.
Der Vollmond geht wunderbar über dem Berggipfel des Djabal Kissane (1.531m) auf, ich möchte ein langzeitbelichtetes Foto machen, muss aber erst 10 Minuten warten, bis ein dieselnder und vollbeleuchteter LKW die Bühne verlässt. Ich wähle 20sec bei Blende 2,8. Das wird ein gutes Foto.
Ein und auslaufende Überlandbusse wirbeln den Straßenstaub (oder Wüstensand?) im Mondlicht auf. 21:30h begebe ich mich ins Zelt.
In der Campingplatz Anmeldung befinden sich einige deutsche Bücher im Regal. Aus dem Gästebuch geht hervor, dass ein Professor mit Studenten hier länger zu Werke war. Aha, daher auch die deutsche Biertischgarnitur hier im Garten. Nach einem Buch habe ich leider nicht gefragt.


13. Tag    So.  22.12.        90Km        Durch das grüne Drâatal

6:45h mit dem Sonnenaufgang aufgestanden. Nach 1h habe ich Zelt und meine 4 Satteltaschen gepackt und bin um 8h in meinem Stammrestaurant zum verabredeten Frühstück. Echt irre, die Verabredung von gestern Abend hat geklappt. Pünktlich bekomme ich ein super Omelett mit gebackenen Tomaten in einer kleinen Tajineform serviert, dazu frisch gepresster Orangensaft.
Aus den Nachbarcafes schallt Rai-Musik. Auch hier ist Sonntag, noch regt sich nicht viel im Stadtzentrum. Eine Frau schläft dick eingehüllt auf einem Matratzenberg, eine andere fegt mit dem Palmwedel ihren grob betonierten Bürgersteig. Der Krapfenbäcker hat schon auf und wartet auf Kundschaft, ich hole 3 Stück für 30 Pfennige. Der Kellner, ein sehr sympathischer, sonst wäre ich nicht zwei Tage hier gewesen, muss mit meinem 50DH Schein (5€) für 20DH wechseln gehen. Ist das eine Methode um das Wechselgeld zu schnorren oder ist wirklich kein Kleingeld im Umlauf? Jedenfalls passiert das immer wieder.
Gut gestärkt verlasse ich diese angenehme Stadt AGDZ. Heute will ich das fruchtbare und wasserführende Vallée du Drâa/Drâatal bis nach ZAGORA ca. 90Km fahren. Nach 5Km Fahrt ertönt der Ruf „Dates“, frische Datteln. Ich halte mal an, um zu sehen, was passiert. Fünf Personen stürmen den Hang hoch mit zwei Körbchen getrockneter Datteln, je für 20DH. Ich probiere und nehme eine Ladung mit. Keine Ahnung was die woanders kosten. Die ganze Familie ist total aus dem Häuschen, das ich was kaufe. Ich bekomme sogar noch ein paar mehr.
1km weiter ist noch ein Verkäufer mit seinen beiden Körbchen, ich probiere, lehne aber einen weiteren Kauf ab. Er ist total frustriert und bietet sie mir jetzt für 10DH an. Aha, so geht das. Wieder was gelernt.
Ich fahre an vielen Siedlungen vorbei, Lehm ist der wichtigste Baustoff. Auf den Feldern und in den Oasengärten wird fleißig gearbeitet. Die Dieselpumpen tuckern und pumpen das Grundwasser ab (siehe auch Därr S. 354, Flussoasen).
Ich rolle gemütlich diese sehr schöne Strecke entlag. Es gibt genügend zu sehen: Palmhaine, Kasbahs, Menschen. Es gibt keine nennenswerten Steigungen. Die Kinder auf der Strasse werden zunehmend respektloser. Einen schönen Ort mit Café lasse ich leider liegen, 10Km (35Km ohne Pause) weiter gibt’s den Tee in einem einfachen Cafe, direkt bei einer Autowerkstatt.
Ich schaue den Mechanikern bei ihrem Handwerk zu, alles mit bloßen Händen und auf dem nackten Boden. Im schattenspendenden Arkadengang sehe ich unter die Decke: geviertelte Dattelpalmstämme mit Palmwedelmatten und Lehm bilden die Decke. Hier gibt’s den billigsten Tee meiner Reise. Der Chef will nur 3DH haben, ich reiche ihm aber die für mich üblichen 5DH. Er wechselt sie mir zurück und ich lasse sie als Trinkgeld liegen.
Es rollt sich gut im Tal der Drâa. Die Sonne scheint bei ca. 18°C, trotzdem kühlender Wind. Mittlerweile wird das Flussbett immer trockener und das Tal immer enger.
Es gibt eine kleine Polizeikontrolle mit drei Mann - auch sie weniger respektvoll - befummeln mein Rad wie kleine Kinder. Ich habe mir schon einen Campingplatz ausgesucht, da erscheint das Schild „Camping Qued Drâa“.

 

Es ist zwar nicht der Ausgesuchte, aber die Anlage ist wunderschön, traditionell und orginell mit viel Liebe angelegt. Erst mal reicht mir ABDA ALI einen Tee, dann merke ich, das ist der schönste Platz bisher. Hier gibt ein Berberzelt zum schlafen, Steinwege sind angelegt und eine tiptop gepflegtes Duschhäuschen. Da kann der andere Camping gar nicht besser sein. Außerdem ist ja bald auch Weihnachten, da brauche ich schon eine angenehme Bleibe. Ich bleibe also 10Km vor ZAGORA.
Ab hier an werde ich von ABDA ALI und seinen kleinen Brüdern HICHAM EL FADILI  und ABD EL ATIFE  regelrecht bemuttert und es ist immer einer von ihnen da. Ich glaube, sie können es sich nicht vorstellen, einen Menschen alleine zu lassen. Vielleicht ist es eine große Ehre, daß sie immer ein Familienmitglied für den Gast „abstellen“. Sie freuen sich wie Schneekönige, dass ich bleibe. Ich mache es mir auf den Matratzen im Berberzelt gemütlich.
Das Abendessen wird im geschmackvoll eingerichteten Salon de Air (Pavillion aus Bambusgeflecht, Rankgewächsen und Teppichen auf dem Boden) serviert. Sie palavern mit mir, dadurch wird die Tajine leider nur noch lauwarm serviert. Bei meinem Essen verabschieden sie sich und lassen mich alleine. Als Nachtisch gibt es  einen Tomatensalat. Ihr Cousin –Estudiant- unterhält uns noch bis 21:30h.
(Französisch ist auch ihre Fremdsprache: sie suchen die Wochentage in Französisch mühselig zusammen und das Wort für Schatten fällt ihnen auch nicht ein). Dann lege ich mich ins Berberzelt zum wohlverdienten Schlaf.


14. Tag    Mo.  23.12.    Rasttag bei ZAGORA , ANTONIO´s Ankunft

Gut geschlafen bis 9:30h. HICHAM und ABDA ALI  warten schon mit dem Frühstück auf mich: CHAHMA, in Rinderfett gebackene doppelbödige Weizenfladen, ca. 25cm rund, köstlich gefüllt mit herzhafter Tomatensauce und Porree. Es ist von den Hausfrauen gebacken und von der kleinen Schwester gebracht worden. Von den Frauen ist hier nichts zu sehen, wie auch sonst so.
Beide Männer sitzen bei mir, ich reiße ein Stück nacheinander von dem Fladen ab. Sehr lecker, etwas herzhaft als Frühstück. Der Himmel ist wolkenlos, es weht ein leichter kühler Wind.
HICHAM führt mich zwei Stunden durch seine KASBAH und den Qued Drâa, die Gärten sind genauso wie im DÄRR beschrieben (S.354). Es wird Blé (Weizen), Karotten, Zwiebeln und Grünfutter für die Esel angebaut. Ein Mann klettert für mich in die Palme und schneidet Palmwedel heraus. Die Führung mit HICHAM  ist sehr familiär und ich verteile Zigaretten an die Männer. Nicht jeder nimmt eine.
Wir schlendern durch die bewohnte und renovierte KASBAH; ein älterer Mann fegt seinen Raum, da kommt er herausgestürmt und begrüßt mich überschwänglich. Alleine hätte ich hier nie reingefunden, geschweige den Rückweg gefunden. Das absolute Labyrinth.
Als wir zum Campingplatz zurückkommen, liegt der Großvater mit seinem Enkelkind auf der Matte im „Salon de Air“. Es wird Tee und CHAHMA serviert. Die Kleinkinder werden unauffällig „entfernt“. Ein Pärchen und eine Familie mit Mietwagen rauschen auf den Platz und meine Idylle ist vorbei. HICHAM und ABDA ALI  springen für die Wünsche der neuen Gäste.
ABDA ALI  fragt mich, ob ich ihm schon mal einen Vorschuss bezahlen kann, da er das Abendessen einkaufen will. Das zum Thema Kleingeld.
Ich möchte eine kleine Tour machen und gehe vor die Tore des Campinglatzes auf die Hauptstrasse, da kommt just gerade in diesem Moment ANTONIO  mit seinem Rad vorbei. Er hält an und wir unterhalten uns sofort prächtig.
Ich radle mit ihm gemeinsam die 10Km bis ZAGORA, ziemlich durch Touristen geprägt. Anmache von Händlern für Kameltouren etc.. Antonio spricht sehr gut französisch und wiegelt alles ab. Wir trinken einen Tee und ich begleite ich zu seinem Campingplatz D´Amarou. Vielleicht machen wir eine gemeinsame Wüstendurchquerung von TAGOUNITE nach FOUM-ZGUID?
Die Rückfahrt wird etwas nervig. Ein Jugendlicher fährt mit seinem klapperigen Rad mehrere Km hinter mir her. Er lässt sich auch mit Tempo 30Km/h nicht abschütteln. Trotzdem alle Achtung, er hat Kraft in den dünnen Beinen.
In meiner kleinen Idylle zurück: die Gäste sind weg, sie waren nur zum Essen hier, der Großvater sitzt im Sonnenuntergang. Zwei Frauen (hübsch und jung) huschen umher und bereiten den Couscous vor. Wie junge Katzen sitzt mindestens immer ein männliches Familienmitglied neben mir auf der Bank.
Wie schon befürchtet, dauert das Essen sehr lange und ist kalt als es mir serviert wird, das Gemüse traditionell zerkocht. Ich lasse es zurückgehen, HICHAM macht die Platte heiß, nun ist der Couscous etwas warm, aber das Gemüse kalt. Eine echte kleine Katastrophe. Schade, heiß ist das mit Sicherheit ziemlich lecker. Betretendes Schweigen. Ich gehe hungrig und früh ins Bett.


15. Tag    24.12.     Heilig Abend in ZAGORA und Antonio´s Geburtstag

8:30h aufgestanden, 7°C im halboffenen Nomadenzelt. Aber es wird rasch warm. Der Halbmond beschien nachts das Berberzelt. In der Dusche wasche ich die Wäsche. CHAHMA wird zum Frühstück gereicht. Meine beiden Gastgeber essen ebenfalls von diesem Fladen, der Rest geht in die Küche für die Familie. Wolkenloser Himmel, heute wird es wieder so heiß wie gestern.
ABDA ALI  fragt, ob er mein Rad für 2Km geliehen bekommen kann. Ich denke nicht nach und sage ja, flugs ist er auch schon weg.
Erst jetzt merke ich, in welche Situation ich mich gebracht habe: bescheißt er mich, oder er verursacht einen Unfall, oder er misshandelt die Nabenschaltung, dann wäre meine Radtour zuende. Nach 1,5h bangen Wartens, kommt er zurück. Für ihn waren es 2Km, für mich 1,5h Stress. Ist ja noch mal gutgegangen.
Bin ziemlich sauer auf mich und radle los Richtung ZAGORA.. Ich nehme aber nicht die Hauptstrasse, sondern die empfohlene Piste durch die Dörfer auf der anderen Flussseite. Ist aber ziemlich Käse hier zu fahren, die Piste taugt nichts und endet 2x blind in einem Dorf. Aber mit Fragen und ruhig bleiben geht es, es wird ein riesiger Umweg von 20Km bis nach ZAGORA. In den Gärten mache ich eine Rast und schicke einige SMS zu meinen Freunden.
Gegen 14:30h sind auf der Hauptstraße alle Schulkinder auf dem Weg nach Hause. Ich fahre die Hauptstrasse hoch und finde Antonios Rad vor einem Internet Cafe. Ich schaue auch mal auf meine Seite, Thomas hat mir ein Weihnachtsbild mit Ronnie vor dem Tannenbaum geschickt. Auch von den anderen Marokkoradlern aus Deutschland gibt es Grüße, ja sogar Wehmut, dass sie nicht auch hier sind. Echt nette Jungs.
Mit Antonio ins Restaurant „Chez Ali“, hübscher grüner Garten mit Berberzelt. Ein französisches Pärchen, Frederic und Simone, ist auch mit den Rädern unterwegs. Heute hat Antonio seinen 36. Geburtstag und ich schenke ihm den Kuchen, den ich von Rita (Georgs Mutter) für besondere Momente mitgenommen habe. Auch der letzte Pfefferkuchen wird geteilt.
Am Nachmittag fahren wir dann zum Hotel „Perle du Drâa“ wo Antonio  seine französischen Freunde heute erwartet. Wir warten in diesem pompösen Hotel, ein nachgebildeter Weihnachtsbaum aus Plastiklametta ist das einzige christliche Zeichen weit und breit. Wir brauchen nicht lange zu warten, dann sind Serge und Isabel  plus Tochter schon da. Herzliche Begrüßung, und Serge kann mir sogar seine Michelinkarte leihen, da er zwei hat. Der Hotelmanager war nicht zu bewegen, seine Karte rauszurücken, der war froh, daß er überhaupt eine eigene hat.
Morgen wollen wir uns alle in TAGOUNITE treffen, ca. 80km südlich. Wir verabschieden uns. Na dann, auf zum Abendessen.
Zuerst versuche ich es im „Chez Ali“, aber ich merke, dass die nichts Gescheites vorrätig haben und auf ein Touristenmenu habe ich keine Lust. Ich will eine vernünftige Tajine. Es dämmert schon, ich fahre die gut besuchte Hauptstrasse 2x ab, aber nirgends steht Essen auf den Tischen. Kein Einheimischer isst hier zu Abend. Ich muss mich entscheiden und versuche es in einer kleinen Bar. Ich bestelle Tajine und frischen Orangensaft. Der Kellner flitzt los und eine halbe Stunde später kommt ein Junge mit einer Tajine zur Bar. Riecht gut, leider sind nicht alle Kartoffeln gar. Gegenüber gibt es genug zu sehen beim Bus- und Taxistand; ein wichtiger Polizist läuft den Mittelstreifen der 4-spurigen Strasse ab. Ab 20:15h wird es ruhiger, die Cafes räumen auf. Das ist mein Problem. Es gibt zu wenig Touristen, daher wird in den Cafes auch so gut wie kein Essen vorbereitet.
Trotz Heilig Abend stellt sich bei mir kein Weihnachtsgefühl ein. Gott sei Dank. Im Dunkeln fahre ich die unbeleuchtete Hauptstrasse 10Km bis zu meinem Campingplatz. Meine Radbeleuchtung leistet mir gute Dienste. Menschen und unbeleuchtete Radfahrer oder Eselskarren kann ich gut erkennen.
ABDA ALI und HICHAM erwarten mich schon seit längerer Zeit, sie haben sogar ein Abendessen vorbereitet. Die wussten nicht, ob ich überhaupt wiederkomme. Dabei habe ich doch mein ganzes Reisegepäck im Berberzelt zurückgelassen. Sie bitten mich, noch einen weiteren Tag bei ihnen zu bleiben. Kann mich aber mit Antonio rausreden. SMS von Thomas und meinem Freund Jürgen Bäumer erhalten.


16. Tag    Mi.  25.12.    82Km        Vorbei an KASBAH´s und Palmen

7h aufgestanden, 9°C im Zelt. Ich packe meine Sachen und ABDA ALI  wartet mit einer echten marokkanischen Harira Suppe zum Frühstück auf. Dazu gibt es Tee, CHAHMA und Brot. Er will mich gar nicht weglassen. Zum Schluss schenkt er mir noch ein Familienfoto, und noch eine Bitte: ich soll doch Werbung machen für seinen Campinglatz.
In ZAGORA muss ich erst mal meine Bargeldbestände auffüllen, da dies wohl die letzte Stadt mit einer Bank ist. Der erste Bankautomat ist kaputt. Am Schalter ist zwar reichlich los, aber mein Geld bekomme ich recht zügig. Vor der Bank muss ich noch zwei Leute abwimmeln und in einer Konditorei hole ich fast 1kg  leckeres Gebäck.
Weiter geht’s vor die Stadttore zum Hotel „Perle du Drâa“. Aber Antonio ist schon weg. Noch netter Tratsch mit dem Hotelmanager HASSAN OUAKAS.
Es wird eine gemütliche Fahrt durchs Drâatal Richtung Süden. Der Allradwagen mit Serge, Isabel und Antonio  holt mich ein und wir verabreden uns für eine Rast in TAMEGROUTE, 10Km weiter. In dem Kaff, das eine bedeutende islamische Bibliothek aus dem 12. Jahrhundert beherbergt, suche ich sie zuerst. Dann finde ich den Wagen vor der Bibliothek und ein Wächter erzählt mir, daß sie in die Stadt gegangen sind, sich eine Töpferei anzusehen. Ich gehe in das nächstgelegene Cafe zum Tee trinken, mit Blick über den Dorfplatz: 10 Minuten später sind sie auch da. Ich reiche mein Weihnachtsgebäck zum Tee.
Weiterradeln bei 25°C, die ersten Dünen sind nahe der Strasse zu sehen. Gegen 14h nehme ich in der prallen Sonne einen kleinen Pass mit 200Hm, nonstop gemeistert. Erreiche gegen 16h TAGOUNITE, mit großer breiter Hauptstrasse und 4 Hotels, habe ich lt. Karte und Reisehandbuch gar nicht vermutet. Ich fahre die ganze Dorfstrasse hoch und runter und finde den Wagen von Serge nicht auf Anhieb. Am Stadtende steht er dann in einer Seitenstrasse. Er besucht hier Freunde, ich klopfe an der Tür und schon stehe ich im großen Flur, inmitten der Großfamilie.
Die Mama kocht erst mal Tee und ich kann mein Gebäck reichen, dazu gibt es noch geröstete Mandeln. 3 junge Frauen, 4 kleine Kinder, 2 Männer, der Großvater und der Vater machen es sich im Flur auf reichlich Decken bequem. Es gibt nur einen kleinen Tisch für die Teetassen. Vom Flur gehen mehrere Türen ab, die Schlafzimmer?
Das Gemüse für den Couscous wird vorbereitet. Eine Neonröhre mit blanken Drähten beleuchtet den großen Raum. Erwachsene kommen und gehen. Irres Familienleben. Das TV läuft, ein guter Teppich hängt an der Wand, eine Uhr und der Kühlschrank schmücken den Raum. Die kleinen Kinder haben immer einen Erwachsenen zum Kuscheln, Kinderspielzeug gibt es nicht. Ich schaue nur zu und wundere mich.
Nach langem Warten gibt es um 21:30h das Abendessen, der Magen hängt mir in den Kniekehlen. Im Salon wird ein flacher Tisch gedeckt: Couscous mit Gemüse drauf und ein paar Stückchen Rindfleisch für 8 Erwachsene. Fast genauso eine große Portion wie bei ABDA ALI für mich alleine. Die Frauen, die Großeltern und die Kinder sitzen im Flur und essen dort. Für uns Europäer gibt es einen Löffel, die Einheimischen essen mit der rechten Hand und bilden Kügelchen, auch mit dem Pitabrot. 3 Wassergläser für 8 Erwachsene. Als Nachtisch gibt es Äpfel und Mandarinen und einen köstlichen Zitronenkokoskuchen für Antonios Geburtstag, und noch reichlich Tee, mehrmals aus großer Höhe in die Gläser geschüttet, damit dieses Zuckerwasser aufschäumt.
Um 23h geht es los zum Hotel, Serge hat aber nicht vorbestellt – Typ zerstreuter Professor – und so ist das Hotel geschlossen. Nichts zu machen. Kurz entschlossen schlafen wir alle im Salon der Großfamilie auf den Sitzpolstern. Gute Nacht.


17. Tag    Do. 26.12.    22°C        33Km        Schöner Wind

Um 8h werden wir alle langsam wach. Wo wasche ich mich in einem Haus der Großfamilie ohne fließend Wasser, mit einem französischen Stehklo ohne Handwaschbecken? Ein kleines Waschbecken ist an der Wand vorhanden, aber keine Anschlüsse dran. Wie vermisse ich ein Badezimmer.
Die Familie serviert uns ein ausgiebiges Frühstück. Ich erhalte eine SMS von Thomas und Jürgen. Antonio und Serge unternehmen mit seinem Allradwagen einen zweitägigen Ausflug in die Wüste. Da Antonio und ich danach zusammen weiterreisen wollen, muss ich die beiden Tage also irgendwie anders verbringen. Also fahre ich gemütlich nach Süden, nach M´HAMID,  das Ende der Asphaltstrasse. Hier beginnt die „echte“ Wüste mit reichlichen Sanddünen.
Einen kleinen Pass mit ca. 100Hm nehme ich gelassen in einem Schwung. Oben angekommen mache ich aber eine längere Pause im Schatten des Jubeltores, außerdem genieße ich die wunderbare Aussicht auf die beiden Täler.
Angenehme flache Piste, kleine Dörfer und Hotelanlagen am Straßenrand. Die Kinder werden zunehmender nerviger. Plötzlich endet der Asphalt abrupt am Dorfeingang. Ich will noch zur Orientierung durch den Ort fahren, aber damit wird nichts. M´HAMID ist ein totales Wüstenkaff, die „Hauptstraße“ ist sehr eng mit vielen kleinen Geschäften und reichlich Erwachsenen und sehr aufdringlichen Kindern, die mich en masse umringen, mir einen Spießrutenlauf  aufzwängen und an meinen Sachen rumfummeln. Am Ortsende merke ich das mein DÄRR Reisehandbuch vom Gepäckträger weg ist. Ich bin ärgerlich auf mich, dass ich es nur mit dem Spanngurt gesichert hatte.
Eine grölende Kinderschar läuft auf dem Hügel, und sehe wie ein Jugendlicher das Buch in der Hand hält und damit winkt. Keine Chance, das wiederzubekommen. Da erschein am Weg ein junger Mann mit seinen zwei Dromedaren, der versteht sofort die Situation, ruft den Jugendlichen was zu und holt das Buch zurück. Das ist Zivilcourage, alle Achtung.
Ich bedanke mich reichlich und gebe ihm 10DH. Also den Spießrutenlauf noch mal zurück zum Ortsanfang, irgendwie bekomme ich doch noch den richtigen Weg, frage mich zum Campingplatz durch und bekomme noch einen Führer. Der lässt mich auf dem ausgestorbenen Campingplatz alleine zurück, weil er die Küchenhilfe sucht.
Ich mache es mir derweil alleine im schattigen Berberzelt im schönen Garten des Dr. Mohamed Ali gemütlich. Ich esse meine ganzen Kleinigkeiten auf, jetzt habe ich nur noch eine Tüte Nüsse und zwei Müsliriegel als Rest. Die hebe ich mir für die Pistenquerung auf.
Nach 1h erscheint der freundliche TFIL ELOUALI  und MUSTAFA, Plausch bei Tee, voller Sonne und frischem Wind. Wir liegen im warmen Wind. Suche mir das gemütlichste Berberzelt zum Schlafen aus. Gegen 15:30h gehe ich ins Dorf zurück. Setze mich auf die Cafeterrasse am „Dorfplatz“. Der Tee dauert 20Min. Beschauliches Dorfleben. Wenn da nicht die „verkleideten“ blauen Tuareg Verkäufer wären. Aber das mögen ja die Touristen, Folklore. Alle paar Minuten fährt ein wichtiger Landrover Marke „Defender“ vorbei. M´HAMID ist das Tor zur Wüste.
BASHIR von der Tata-Boutique spricht mich freundlich an, erst mal allgemeines Palaver, wo ich herkomme, meine Reiseroute usw.. Dann fragt er mich ob ich die „Rose des sables“ (bizarre Sandversteinerungen, kristallisiert als Rose) sehen will. Na ja, ich habe ja Zeit und lasse mich auf diesen Händel ein und betrete seinen kleinen, geschmackvoll eingerichteten Laden. Schöne Steine, auch schöne Teppiche, wäre was für meine Mutti.
Einen hübschen Läufer aus weichen Pflanzenfasern, er redet von Silk/Seide, bietet er mir für umgerechnet 150€ an. Er drängt mich, „give me your price“, und ich biete 30€. Obwohl ich ihm sage, dass ich nichts kaufe, keine EC Karte habe, und auch nichts noch zwei Wochen durch die Wüste schleppen werde! So geht der Sport dann weiter: er geht auf 125, ich auf 35, er 110 ich 40, er 90 ich 45€. Auf einmal ist er mit dem Preis zufrieden und ich soll in seine Hand einschlagen. Er ignoriert meine ganzen Argumente. Tja 45€ für gute Qualität und er verdient auch noch daran. Am letzten Tag werde ich für das gleiche Stück in Inezgane fast das Doppelte bezahlen. Er ist natürlich stinksauer und packt alles wieder zusammen.
Ich gehe zurück zu meinem Cafe, trinke weiter Tee und hole mir noch Kekse. Der Tisch dient mir als Stativ für die Dorffotos. Auf dem Rückweg treffe ich meine beiden Gastgeber am Eingangstor, sie beobachten mit dem Fernglas „Gazellen“.
Ich dusche, die Beste seit ZAGORA, erzähle mit den beiden noch was, und um halb acht serviert er mir eine superheiße gute Tajine mit viel Oliven. Sitze auf einem hölzernen Kamelhocker in dem großen, traditionell eingerichteten Zeltrestaurant alleine mit meinem Abendbrot.
Verabschiede mich von TFIL und er lädt mich ein, mit seinen Kumpels in einem Rohbau gemeinsam TV zu sehen. Die übernachten hier nur mit Decken.
Ich bin dann um 21h im Bett. Ist natürlich noch zu früh zum Einschlafen, aber ich habe heute trotz der kurzen Strecke doch einiges erlebt. Sende noch einige SMS´s.


18. Tag     Fr. 27.12.    40Km        20°C und Sandsturm

8h im Nomadenzelt aufgestanden. TFIL serviert mir schönes Brotfrühstück und eine riesige Kanne Cafe au lait.
Gemütlich fahre ich den Weg von gestern zurück, es geht ja nur bis TAGOUNITE, wo ich mit Antonio verabredet bin. Ich hole noch schnell etwas Obst im Ort, und muss schauen, dass mir die Kinder nicht zu dicht auf den Leib rücken.
Kurz vor dem Pass erinnere ich mich an die Pistenempfehlung nach ERG LIHOUDI (Judendüne). Einem Bivouac mit Übernachtung und Kameltouren. Das will ich besuchen. Außer einem Hinweisschild zur Verringerung des Mülls und einigen Autospuren gibt es sonst nichts als Orientierung dorthin. Die Fahrspuren gehen mal da oder dort hin, die Hauptrichtung als Piste muss ich schon etwas suchen. Einige Male muss ich absteigen und durch die kleinen Sandfelder schieben. Dann wird der Wind immer stärker und er wirbelt reichlich Sand auf. Von der Piste und den Fahrspuren und dem Bivouac, welches ich am Horizont schon ausgemacht habe, ist immer weniger zu sehen. Ca. 1km vor dem Bivouac kehre ich um – leider - das wird mir zu riskant, weil nichts mehr zur Orientierung vorhanden ist. Fahre mir den mittlerweile bekannten Pass TIZI-BENI-SALMANE hoch, mache wieder am Torbogen Pause, mit dem Blick auf das wunderschöne Drâatal.
Mit meinem Eintreffen in TAGOUNITE erreicht auch der Sandsturm diese Stadt. Serge und Antonio  treffe ich bei der Familie wieder. Antonio  und ich gehen dann durch den Ort um Lebensmittel für die 3-tägige Pistenfahrt einzukaufen: Nudeln, Brühwürfel, Thunfisch mit Tomatensauce in der Dose, Schmierkäse, 3kg Mandarinen, Möhren, Zwiebeln, jede Menge Kekse und Müsliriegel. Leider gibt es keine Datteln mehr, die sind zum Ramadan alle verputzt worden.
Ich ziehe alleine in das Hotel OASIS um, weil es bei der Familie dann doch zu eng wird. Esse zur Vorstimmung auf die nächsten spartanischen Tage: schon mal eine Dose Ölsardinen in Tomatensauce. Räume meine Packtaschen um, um den Haufen Lebensmittel unterzubekommen. In der großen Hotelhalle - dient auch als Bar und Cafe für die Einheimischen - läuft der TV. Ich trinke Tee, esse meine Tajine und zum Nachtisch gibt es einen frisch gepressten Orangensaft.
Meine Haare sind ziemlich strohig durch den Sandsturm, habe aber leider kein Shampoo mehr. Mache mir Gedanken wie es nach der Pistenquerung weitergeht: nach Norden Richtung Quarzazate und weiter nach Marrakesch oder Richtung Westen über TATA zum Atlantik, aber das kenne ich ja schon. Mal sehen, ich lasse das auf mich zukommen.
Ich habe ein hübsches kahles Zimmer, das Rad steht im Hof, aber ich schlafe unruhig, bin einfach nicht müde genügend nach nur 40Km.


19. Tag    Sa. 28.12.     57Km         Reise in die Wüste mit Antonio

Heute geht’s los. 177Km ausschließlich auf Piste stehen uns bevor, und nur drei Wasserschöpfmöglichkeiten. Alleine würde ich das nicht machen, aber mit Antonio habe ich ein ruhiges Gefühl.
Mein verabredetes Frühstück um 7:30h im Hotel klappt nicht, weil der Chef erst mal die Terrasse vom angewehten Sand reinigen muss. Auch in die Hotelhalle ist Sand eingedrungen. Statt Orangensaft und Omelette, reicht er nur Brot und Schmierkäse; das ist keine gute Grundlage für diesen Tag. Das wird es die nächsten Tage in der Wüste, fernab jeglicher Versorgung sowieso bei uns geben. Ich sage ihm das und schon bruzzeln die bestellten Eier.
Um 8:15h bin ich bei Antonio, der ist auch noch nicht ganz fertig. Außerdem warten wir noch auf das bestellte und ofenfrische Brot. Wir müssen nicht lange warten und ein Bäckerjunge bringt uns neun dampfende Pitabrote. Ich verteile diese auf die Räder, damit die noch ausdampfen. Die sind so lecker, dass ich heute noch 3 essen werde, die nächsten Tage quälen wir uns nur noch 1 trockenes pro Tag rein. Das allerletzte wird ein Dromedar bekommen. Neben meinen 3 x 1l.Wasserflaschen mache ich noch 2x1,5l. Einwegflaschen und meinen 4l. Wassersack voll, macht also 10l. Trinkwasser für die nächsten 1,5 Tage.
Um 9h geht’s dann los. Antonio findet am Ortsende von TAGOUNITE Richtung  FOUM-ZGUID irgendwo Fahrspuren. Von Hinweisschildern nichts zu sehen. Entweder man kennt die Wege oder man fragt.  Wozu ist Unterhaltung auch da.
Nach 1h Fahrt die erste große Entscheidung: links oder rechts? Rechts ist die stärker ausgeprägte Piste. Aber Antonio weiß es: links. Unglaublich. Ich hätte hier alleine die Krise bekommen, aus der Karte ist das überhaupt nicht zu lesen bei 1:1Mio. Oder man wartet, so ca. 1x pro Stunde kommt ein Allradwagen vorbei (ggfs. mit GPS), die geben Auskunft.
Nach einer weiteren Stunde passieren wir einen Militärposten. Wir befinden uns hier parallel zur algerischen Grenze. Zwei Soldaten in grünem Outfit öffnen nach ein bisschen Palaver den Schlagbaum, bestehend aus einer ultralangen Motorradkette, aufgehängt an einem betonierten Ölfass.
Einige Allradwagen überholen uns auf der durchaus gut fahrbaren Strecke. Die Schwierigkeiten wechseln sich ab, aber es gibt keine Sandfelder. 500m neben der Piste entdecken wir ein Nomadenzelt und schon steht die ganze Familie an der Piste Spalier und hat leere Verpackungen in der Hand: sie fragen nach Waschpulver, Brot, Tee und Süßigkeiten. Eine weitere Abwechslung bringt uns die Reparatur von Antonios Alugepäckträger.
Nach 57Km und 5h im Sattel schlagen wir unsere Zelte eine Stunde vor Sonnenuntergang im Nirgendwo der Hamada  auf. Der Untergrund ist eben, trockener Lehm mit einigen Kieseln. Das ist für mich das erste Mal wild zelten. Zum Duschen verwenden wir Babyfeuchttücher.
Antonio kocht auf seinem Trangia Spiritusbrenner pro Person: 150g Nudeln, 1 Maggi Brühwürfel, 60g Dose Thuna und Tomatensauce, weiter gibt es Brot, Mandarinen, 1 Möhre, reichlich Tee und Kekse hinterher.
Um 18:30h ist es stockfinster, unsere beiden Teelichter erhellen unsere zwei Zelte von innen, von etwas weiter entfernt sehen sie aus wie große Glühwürmchen. Gegen 21h schlafen wir unter dem unendlichen Sternenzelt ein.
Um Mitternacht donnern knapp 100m neben uns Militärlaster durch die Unendlichkeit.


20. Tag    So. 29.12.     47Km        Orientierungslose Piste

10°C im Zelt. Wir wachen um 7h auf, frühstücken gemütlich, dazu gibt es reichlich Nescafe mit viel Milchpulver, oder besser gesagt einen Milchcafe.
Um 9h geht’s los und nach 13Km erreichen wir ein Bivouac Permanent. Gelegenheit unsere Wasserflaschen aufzufüllen, und zuzusehen wie Dromedare für die Ausflüge fertiggemacht werden. Für den Tee wollen sie uns den dreifachen Preis abnehmen, das Wasser gibt es aber in der Wüste gratis.

 

Unterwegs treffen wir ABDUL IBRAHIM mit seinem blauen Damenrad. Er hat die gleiche Strecke wie wir vor sich, aber er fragt uns schon nach Essen. Wir reichen ihm ein Brot, das er sofort verzehrt. Der hat wirklich kolossalen Hunger und bettelt nicht.  Im dürftigen Schatten einer Akazie flicken wir ihm seinen Wasserkanister mit Klebeband.
Im Norden sehen wir den Gebirgszug des JBEL BANI, zum Süden die unendliche Kiesel- und Steinwüste und unsehbar die umstrittene Grenze zu Algerien. Vereinzelt stehen Akazien im Gelände.
Wir machen reichlich kleine Futter- und Trinkpausen, treffen noch einige Allradwagenfahrer, mit denen Antonio sich ausgiebig unterhält. So haben wir gegen 17:15h erst 47Km gefahren. Zeit zum Zeltaufschlagen, da um 18h die Dämmerung einsetzt und es dann schnell Dunkel wird. Wir finden einen schönen Platz 100m neben der Piste. Am Horizont sehen wir die Flutlichter eines Traktors, der kurz bis Mitternacht den Wüstenboden für den Weizenanbau vorbereitet. Einige Männer vom nächsten Dorf  haben uns entdeckt – klar hier lässt sich nichts verbergen – und fragen dann auch schon nach Zigaretten. NO. Off course no.
ELBAHAMI, eingewickelt im blauen Touaregschal, taucht mit seinem roten Mountainbike auf. Kleiner netter Schwatz und er fragt, ob wir ein Foto von ihm machen können. Klar machen wir und ich sende ihm den Abzug, wenn ich zu Hause bin.
Ein Jugendlicher mit Rad setzt sich in unsere Nähe und beobachtet unser Treiben. Wir sind mit uns selber beschäftigt und nach 1h fährt er unverrichteter Dinge Richtung Horizont.
Antonio kocht das gleiche Abendessen wie gestern. Echt lecker nach so einem anstrengenden Tag, nur das Pitabrot wird jetzt trocken und schmeckt nicht mehr so gut.
Hier gibt es weit und breit keinen Sendemast für das Handy. Gegen 21:30h legen wir uns auf´s Ohr.
Am südlichen Horizont sind die Dünen im Mondlicht gezeichnet. Das Sternenzelt beschützt uns.


21. Tag     Mo. 30. 12.        Hammerharte 73Km

6:45h aufgestanden. Aufsteh- und Zelteinpackritual wie gestern. Um 8:45h geht’s los und nach nur 5Km erreichen wir ZAOUIA-SIDI-ABD-EN-NEBI. Den einzigen Ort auf der ganzen 177Km langen Piste, der in der Michelin Karte verzeichnet ist. Wir haben noch genügend Wasser und lassen diese Häuseransammlung links liegen. Zur Überraschung endet die Piste einige Km hinter dem Ort auf einem umgeeggten Acker. Wohin? Wir irren ein bisschen umher, erklimmen einen kleinen Hügel und sehen die etwas bessere Piste, auszumachen an den Steinhügeln, die die Piste markieren.

 

Jetzt wird die Piste deutlich schwieriger. Nach 30Km erreichen wir wieder einen Militärposten mit bekannter Motorradkette als Schlagbaum. Fünf Soldaten haben den einzigen Hügel weit und breit als Beobachtungsposten eingenommen, den Blick Richtung Süden auf die Grenze zu Algerien. Antonio managt die Konversation. Wir müssen zwei Mal den Hügel erklimmen, weil wir unsere Pässe bei den Rädern unten am Hügel gelassen haben. Die Eintragung in einen losen Zettel schreiben wir selber. Sie bieten uns Wasser und Brot an.
Jetzt heißt es eine wichtige Entscheidung zu treffen: 38Km auf steiniger Strecke oder 50 auf „relativ“ guter Piste. Die Militärs empfehlen uns die längere Piste, aber die fahren ja nur LKW. Antonio schlägt ebenfalls diese Piste mit einer weiteren Übernachtung vor. Aber ich will lieber die kürzere Strecke fahren. Nach einiger Diskussion ist Antonio auch für den kürzeren Weg. Nach 3Km bereuen wir unsere Entscheidung. Steine ohne Ende auf dem Weg. Es ist sehr anstrengend zu fahren. Nichts mehr von den feinen Schotterpisten der ersten beiden Tage. Aber Antonio und mir ist klar: es wird nicht umgekehrt. Er mag das auch nicht.
Zum Stärken taugt das Brot auch nichts mehr, es ist staubtrocken. Der Käse ist sowieso alle. Die Notration Nüsse wird jetzt geöffnet. Eine schwer zu befahrene Steinpiste soweit das Auge reicht. Aber ich habe die Stadt FOUM-ZGUID als abendliches Ziel. Das wird zwar sehr anstrengend, aber wir müssen es schaffen, denn unsere Wasser geht zur Neige. Dummerweise haben wir bei den Militärs nicht reichlich nachgefüllt. Wir treten in die Pedale, was das Zeug hält. Antonio und ich sind sauer auf uns selbst. Aber wir baden auch das gemeinsam aus. Das wird heute ein langer Ritt, der Po brennt.
Ich erwarte sehnsüchtigst die unbeschilderte Kreuzung meines Pistenausfluges vom 9. Tag zur Orientierung. Ab da an kann es nicht mehr weit sein. Endlich eine sehr breite ausgearbeitete Steinpiste. Aber trotzdem auch sehr schwer zu fahren. Sie will aber auch kein Ende nehmen. Bei 10Km/h schaffen wir auch nicht viel. Für Pausen haben wir keine Zeit mehr, das Wenige zu essen nehmen wir kurz im Stehen ein.
20 Allradfahrzeuge kommen uns mit hohem Tempo entgegen und veranstalten ein privates Autorennen. Uns fliegen die Steine um die Ohren und der Staub nebelt uns ein. Rücksichtsloses Volk!
Endlich erreichen wir die mir bekannte Kreuzung, noch 12Km und ich trinke den letzten Schluck Wasser. Bin schon jetzt total fertig. Aber auch diese Strecke zieht sich. Klar, das erste Mal war es nur ein kleiner Ausflug unter günstigen Bedingungen. Jetzt sind wir erschöpft. Am Horizont erkenne ich den Taleinschnitt von FOUM-ZGUID. Jetzt sind es nur noch 10Km und kein Wasser mehr.
Ich trete in die Pedale – es dämmert schon - und lasse die mittlerweile bessere Piste unter mir fliegen, Antonio kommt kaum mit. 1Km vor der asphaltierten Hauptstrasse erreichen wir im Dunkeln den letzten Militärposten. Der kommt uns gerade recht und wir fragen nach Wasser. Ein Junge füllt unsere Flasche auf, die wir erst mal auf Ex leeren. So, gerettet. Wir sind noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen.
Nach 6,5h Stunden harter Arbeit im Sattel rollen wir gemütlich gegen 18:15h in die Stadt ein. Die spärliche Straßenbeleuchtung spendet ein romantisches Licht. Einige Jugendliche rollen mit uns. Pralles Leben auf der Hauptstrasse. Viele Menschen begrüßen uns. Vor dem Hotel ERIKI erwartet uns der freundliche ELHAMDOUI  und eine ausgelassene fröhliche Kinderschar, die mich wiedererkennt, „Francoise“ rufend. Sehr bewegend.
Das Hotel haben wir uns heute reichlich verdient. Wir bestellen eine Maxi Tajine und fahren zum Dorfplatz. Wir machen es uns an einem Cafe gemütlich und plündern es: jeder 2 Gläser frischen Orangensaft, Yoghurt, Kekse und Tee. So sind wir erst mal wiederhergestellt.
Wir richten uns im gleichen Zimmer wie damals ein, endlich ein Bett und eine Dusche. Um 20:30 serviert uns ELHAMDOUI  wieder mal eine sehr gute Tajine. Zu unserer Verwunderung in einer großen Ausführung, sodass Antonio und ich gemeinsam daraus essen.
Mit uns im Hotel ist ein nettes spanisches Pärchen aus Barcelona, Miguel y Beatriz (mit VW Campingwagen inklusive Fahrradgepäckträger ohne Räder). Antonio kann natürlich spanisch und so wird es noch ein bunter Abend. Gegen Mitternacht beenden wir diesen ereignisreichen Tag.


22. Tag     Di. 31.12.2002    0Km        Spanischer Rotwein zu Sylvester

Gemütliches Aufstehen im Hotel ERIKI. Wir bekommen ein köstliches Omelette, und unterhalten uns mit Beatriz und Miguel. Da sie auch vorhaben, Richtung Atlantik/Westen zu fahren, bieten sie uns an, uns ein Stück mitzunehmen. Antonio und mir passt das ganz gut in den Weg.
Wir waschen noch etwas Wäsche und vor der Hoteltür teilen wir mit den Kindern Orangen.
So fahren wir mit dem VW T4 California superbequem nach TATA. Somit bin ich komischerweise auf dem Hin- und auf dem Rückweg, das Stück FOUM-ZGUID  nach Tissint nicht selbst geradelt, sondern zweimal mit einem PKW mitgenommen worden. Die Fahrt vergeht für uns Radfahrer wie im Flug (150Km). Zum Abschied schenkt uns Beatriz eine Flasche spanischen Rotwein. Den werden wir uns um Mitternacht gönnen. Zur Feier des Tages will ich mit Antonio in das beste Hotel in 250Km Umkreis, ins Hotel „les Sables“ aber leider ist es voll. Alles ist leer, aber das Beste Hotel ist vollbelegt. Also müssen wir Sylvester anders übernachten. Wir wählen das einfache Hotel Sahara. Die Räder kommen neben unserem Zimmer auf den Flur.
Wir schlendern durch den Ort, ich kenne ihn ja bereits. Die Teppichfritzen lassen uns in Ruhe. Wir futtern eine Kleinigkeit und schauen in einem Internet-Cafe nach unseren Emails. Im Straßenrestaurant „POISSON AL JAZIRA“ bestellen wir schon mal für den frühen Abend ein Tajine und relaxen im Hotelzimmer bei einem Glas Rotwein etwas.
Antonio kommt vom duschen zurück und berichtet vom verstopften Duschkopf, aus dem gerade mal zwei Wasserstrahlen kommen, einer geht ganz nach links, einer ganz nach rechts. Also keine Chance, nass zu werden.
Wir machen uns auf zum festlichen Abendessen. Die Stadt ist voller Leben. TATA ist schon eine wichtige Stadt. Im Umkreis von ca. 300Km gibt es keine größere.
Von unserer Restaurantterrasse können wir alles schön beobachten. Unsere Tajine schmort schon. Als Vorspeise gibt es gegrillten Fisch vom Holzkohlefeuer und reichlich leckere scharfe Sauce. Vis-a-vis haben wir beim Konditor schon Sahnetorte als Nachtisch ausgemacht, leider lassen wir uns zuviel Zeit. Er hat schon die frischen Sachen in die Kühlung weggeräumt, sodass wir uns mit Keksen begnügen müssen. Zum Aperitif gibt es frischen Orangensaft. Dinner maroccaine!
Auf dem Zimmer leeren wir den Rest Rotwein und um 23h legen wir uns schlafen.
Kein Sekt, keine Knallerei. Sylvester maroccaine!


23. Tag    Neujahr  Mi. 1.1.2003    105Km    Mit Tatendrang ins neue Jahr

7h aufgestanden, im Zimmer ist es 14°C. Wir packen unsere Sachen und fahren vollgepackt zum Zentrum. Beim Konditor tanken wir Kraft für den heutigen Tag. Es duftet herrlich nach frischem Brot. Die Tür zur Backstube ist geöffnet und ich schaue mir mal an, wie marokkanische Pitabrote gebacken werden.
An der Tankstelle überprüfen wir die Luft in unseren Reifen, und die Fahrradketten bekommen einige Tropfen Motoröl. Mit gutem Rückenwind geht es Richtung Westen, wir verlassen TATA. Mit 30Km/h fliegen wir durch das flache Gelände. Für Antonio und mich ist es die erste gemeinsame Etappe auf Asphalt. Und wir fahren das gleiche Tempo, sehr harmonisch.
Schon um 12h sind wir im 62km entfernten AKKA. Wir machen in einem Cafe eine schöne lange Pause. Viele Männer sitzen um uns herum. Wir futtern unsere Brote und Kekse. Zu spät merken wir, dass es neben uns eine kleine Fischbraterei gibt.
Ein kleiner Campingwagen (TF für Teneriffa) mit einem ERIBA Wohnanhänger rollt an uns vorbei, und eine sehr hübsche rothaarige Frau und ihr hagerer abgerissener Begleiter (von El HIERRO) schlendern an uns vorbei, ohne uns zu grüßen. Auf ihrem Rückweg spricht Antonio sie an. Es entwickelt sich eine angenehme Unterhaltung (Sie ist Deutsche) und zum Schluss gibt’s doch noch Küsschen.
Wir kaufen noch ein paar Lebensmittel, weil wir heute wild übernachten wollen, bzw. müssen, weil auf die nächsten 200Km kein Hotel kommt. Unterwegs schöpfen wir bei einer kleinen Ansiedlung Wasser aus einem Wasserloch. Das hohe Tempo vom Vormittag können wir nicht halten, weil erfahrungsgemäß die Leistung am Nachmittag deutlich nachlässt. Trotzdem erreichen wir heute den höchsten Tagesdurchschnitt mit 23,1Km/h.
Kurz vor AIT QUABELLI schlagen wir auf feinem Kieselgrund in einem Palmenhain unser Lager auf. Unseren Wassersack hängen wir an eine Dattelpalme und haben so eine wunderbare Dusche. Mit dem Duschen müssen wir uns immer ein bisschen beeilen, denn um 18h geht die Sonne unter und dann wird es recht schnell kühl. Antonio kocht wie immer ein einfaches aber köstliches Abendessen. Wir sammeln abgehackte Palmenwedel und haben ein romantisches Lagerfeuer in der Wüste.


24. Tag     Do. 2.1.    71Km        Gemütliches Rollen und Fladenbrotbacken

Schon früh wachgeworden. Beim offenen Zelt erleben wir den Sonnenaufgang. Antonio kocht uns einen heißen Nescafe au lait. Das wärmt durch.
Um 9h sagen wir dem Palmenhain adieu und schieben auf die Asphaltstrasse zurück. Zuerst müssen wir noch eine eingebrochen Quedbrücke umfahren und erreichen nach kurzer Fahrt AIT QUABELLI. Im Cafe gibt es kein fließend Wasser, sodass ein Erwachsener einen Jugendlichen beauftragt, unsere Wasserflaschen aufzufüllen. Da gibt es kein murren, die wissen, wie wichtig Wasser ist.

 

Wieder erreichen wir gemeinsam ein sehr zügiges Tempo, vormittags geht das halt am Besten. Zwischendurch ersetzt Antonio an seinem Hinterrad problemlos eine gebrochene Speiche.
Mittlerweile näheren wir uns der Küste, sodass die Temperaturen zunehmen. Um 11h ist es bereits 26°C. Die höchste Temperatur die ich bisher hatte. Jetzt wird es Zeit, die kurzen Hosen anzuziehen - bisher hatte ich immer eine lange Radfahrhose an – und die Sonnencreme zu verwenden. Gegen Mittag machen wir im verschlafenen Nest FAM-EL-HISN eine längere Mittagspause. Wegen der Hitze und weil Antonio einen neuen Vorderradmantel braucht. Sein jetziger ist schon bis auf das Gewebe abgefahren.
Ich sitze derweil im Cafe, die schattigen Plätze sind schon belegt, aber ich döse vor mich dahin. Ein Eselkarrenbesitzer parkt seinen Esel in der prallen Sonne, obwohl 10m weiter ein Haus reichlich Schatten spendet. Merkwürdig. Nur ich kann auf einen schattigen Platz umziehen.
Hier gibt es keine Imbissbude wie gestern in AKKA. Wir bestellen ein Omelette und Tee und machen bis 15h eine große Hitzepause. Mit frischen Lebensmitteln und Wasser rollen wir gemütlich weiter. Vor ICHT notieren sich zwei nervige Polizisten unsere Adressen und Berufe. Kurz vor 17h muss Antonio Schluss machen. Sein BUNDA ist wund (Bundespräsident).
Im steinigen Gelände müssen wir unseren Zeltplatz auch noch von Akaziendornen frei räumen. Aber Antonio hat diesen Platz mit Bedacht gewählt. Durch den Taleinschnitt haben wir noch sehr lange Wärme von der untergehenden Sonne und erleben schon recht früh den wärmenden Sonnenaufgang. Der achtet aber auch auf alles.
Mit den letzten Sonnenstrahlen und einem phantastischen Sonnenuntergang duschen wir unter einer kargen Akazie. Antonio kocht wieder sein Nudelgericht und ich rühre Weizenmehl und Wasser für Fladenbrot an. Mühsam sammeln wir etwas Brennbares für ein kleines Lagerfeuer. Drei Steine begrenzen es und ein großer flacher Stein darüber gibt die Ofenfläche. Nachdem der Stein erhitzt ist, backen wir provisorisch kleine Brotfladen. Antonio ist begeistert, so was hat er noch nicht gesehen.


25. Tag     Fr. 3.1.        71Km        Es wird immer heißer

Wir stehen um 6:45h bei 10°C auf. Leider haben wir zuwenig Milchpulver für den Cafe au lait. Trotzdem können wir den dünnen Cafe mit einem farbenfrohen Sonnenaufgang genießen. Jetzt wärmt uns beides.
Inzwischen steht die Sonne zwei Handbreit über dem Horizont und beginnt, die Feuchtigkeit aus der Wüste zu saugen. Gemütlich rollen wir um 8:45h los. Nach 45Km gehen wir im Dorf TAGHIJICHT etwas einkaufen und müssen in der Mittagshitze einen kleinen Pass mit 100Hm nehmen. Das schlaucht.
Rast im dürftigen Schatten einer Akazie. Zum Mittagessen kreiere ich eine Makrelen-Möhren-Pita, zum Nachtisch gibt’s Yoghurt.
Unsere Räder rollen gut, wir nehmen einige kleine Hügel und die Landschaft wird immer grüner. Nach 82Km rollen wir am Nachmittag in die Stadt BOUIZAKARNE ein, und unsere Strasse aus dem Landesinneren mündet auf die Hauptverbindungsstrasse der Küste. Dementsprechend ist hier viel los.
Wir decken uns mit vielen frischen Sachen ein. Reichlich Händler preisen ihre Sachen an. Die Kinder und Bettler sind hier sehr aufdringlich, sodass wir schnell die Stadt Richtung GUELMIN/Süden verlassen, ohne einen Tee getrunken zu haben. Zum Abschied erhalten wir am Ortsausgang noch einen fliegenden Stein.
Nach kurzer Fahrt auf der sehr verkehrsreichen P41 biegen wir ab und suchen uns im Gelände einen geschützten Lagerplatz. Wir duschen und kochen wie gewohnt. Allerdings erreicht mich Montezumas Rache und zwingt mich nachts mehrere Male aus dem Zelt. Waren das die frischen Oliven?


26. Tag    Sa. 4.1.    50km         Ein Thermalbad als Belohnung

Nach einer schrecklich langen und unruhigen Nacht stehen wir um 7h auf. Ich versuche meinen Magen zu beruhigen, bin recht schwach und trinke nur Cafe. Im Affentempo bolzen wir 28Km die Hauptverkehrsstraße entlang – trotz meiner Schwäche - und erreichen nach 1h GUELMIN. Ich bin froh, als wir die Prachtstrasse einlaufen. Es herrscht ein ungeheurer Straßenverkehr. Nach 1.500Km in Marokko muss ich an einer Ampel halten.
Wir fahren durch die Stadt zum Kamelmarkt. Es gibt dort zwar nur 30 Dromedare, aber reichlich Obst, Gemüse und Gewürzhändler. Jugendliche rollen die Handkarren durch die schmalen Gassen. Zusammengenähte Kartoffelsäcke als Planen schützen die Händler vor der sengenden Sonne. Wir rollen unsere Räder hierdurch.
Antonio tauscht sein Kurzwellenradio gegen ein Besseres und Kleineres.
Ein selbsternannter „Wärter“ fordert Geld für den Austritt aus dem Markt. Echt clever! Aber Antonio sieht das gar nicht ein und der Typ wird echt rabiat. Ein Marktaufseher hilft uns und schickt den „Wärter“ weg. Kinder und Erwachsene fragen uns nach Geld.
Wir fahren zurück in die Stadt und suchen in einer Konditorei Erholung bei Cafe au lait und Sachertorte. Mein Magen hat sich beruhigt, fühle mich aber immer noch schwach, außer drei Bananen habe ich heute noch nichts gegessen.
Quäle mich 14Km leicht bergauf zum Thermalbad ABEINO. Hier erreichen wir eine erfrischende Oase. Im Reiseführer steht, dass das Bad und das dazugehörende Hotel renoviert wird. Und jetzt ist es fertig. Einige deutsche Wohnmobile stehen im Innenhof. Wir bekommen ein schönes Hotelzimmer mit grünem Innenhof.
2h lang lassen wir uns vom 40°C heißen Thermalwasser einweichen. Ausgelassene Stimmung der Einheimischen im Spiel mit ihren Kindern. Wir werden freundlich gegrüßt. Wir unternehmen noch einen kleinen Spaziergang in die Umgebung.
Leider haben wir eine Fischtajine bestellt, obwohl es Kamelfleisch gab. Aber mit einem älteren französischen Ehepaar als Tischnachbarn wird es eine nette Unterhaltung und Antonio erhält noch wichtige Informationen über die SAHARA OCCIDENTAL.
In drei Tagen geht mein Flugzeug, der Abschied naht und wir überlegen, wann wir uns wiedersehen können, vielleicht zur Jahreswende 2003/2004 in Patagonien?
(Leider erkrankt Antonio zu dieser Zeit schwer. Um endlich im Dez 2005 / Jan 2006 die chilenisch-argentinischen Andenpässe zu befahren)
Im Zimmer probiert Antonio sein neues UKW Radio aus und erreicht SwissRadio. Das erste Lied ist „Diplomatenjagd“ von Reinhard May.
Zufrieden schlafe ich kurz vor Mitternacht ein.




27. Tag     So.  5.1.        66Km         Der letzte Radfahrtag

Schon früh um kurz nach 7h im Hotel von ABEINIO aufgestanden. Nach einem gemütlichen Frühstück geht es kurz vor 9h los zu unserer letzten gemeinsamen Etappe bis nach SIDI IFNI am Atlantik.
Wieder erleben wir etwas Neues. Jetzt erreicht uns feuchtwarmes Meeresklima. Nebel liegt im Tal und meine Brille beschlägt. Unsere Kleidung ist rasch feucht. Nach 1h zieht aber die Sonne auf und verscheucht den Nebel. Unsere Sachen trocknen wieder.
Aber ich fühle mich immer noch schlapp. Da helfen die Hügel, die wir hoch müssen,  gar nichts. Unterwegs kommen uns die ersten Radfahrer entgegen. Olli und Patrick aus Frankfurt und Nürnberg. Vollgepackte Räder für eine Woche.
Ziemlich erschöpft müssen wir in SIDI IFNI zum Stadtzentrum noch eine richtige Steigung in Kauf nehmen und überfallen hungrig die Imbissbude „Snack Au Fleur Poullet“. Der künstlerische HICHAM bewirtet uns mit feinstem gegrilltem Hähnchen. Das tut gut.  Ankunft am Atlantik.
Wir rollen durch die alte spanische Garnisionsstadt, erst 1969 an Marokko zurückgegeben, mit ihrer europäischen Architektur, und suchen uns ein gutes Hotel aus. Zum Abschied noch einmal gut logieren mit Blick direkt aufs Meer. Wir wählen das AIT BAMRANE.

 

Beim Gang durch die Stadt entdecken wir die „Collectif boulangerie“: Die Kinder bringen die Teiglinge, HAMOU  schiebt einen riesigen Brotfladen nach den anderen in das Holzkohlefeuer und die Kinder holen die fertigen Brote ab.
Antonio und ich machen zum Sonnenuntergang noch einen Spaziergang am Meer. Mit dem Taxi fahren wir vor die Stadttore nach COLOMINA zu einem neuen großen HAMAMM (Badehaus, siehe DÄRR S. 410) direkt neben der Moschee. Es ist genauso wie im Buch beschrieben. Die Einheimischen freuen sich, uns bei sich begrüßen zu können. Überall freundliches nicken und grüßen.
Hinter dem Tresen bedienen drei hagere Kerle und ein Kräftiger. Ich weiß um die Besonderheit einer Massage und bestelle sie. Auf meine Frage wer der Masseur sei, meldet sich der Kräftige mit einem ordentlichen Grinsen. Antonio will abbestellen, es ist aber zu spät.
Der ebenso kräftige wie lustige Masseur zeigt uns, wie es hier zugeht. Wir durchqueren drei riesige, nur gekachelte Räume mit Bodenheizung. Der Letzte ist der Heißeste. Wir holen je einen Eimer mit kaltem und heißem Wasser. Mit reichlich Seife wird eingeseift, was das Zeug hält. Wir schauen es den Nachbarn ab. Bei der Massage liegen wir auf dem nackten Boden und der Masseur knetet einen nach den anderen von uns durch. Er dreht Arme und Beine, und steht auf uns. Bevor es richtig weh tut, müssen wir ein Handzeichen geben.
Sehr erfrischt verlassen wir unter einem großen Hallo diesen Spaßbetrieb. Mit dem Taxi geht es zurück, futtern noch was im Zentrum, gönnen uns einen großen frischen Orangensaft und lassen hier unsere gemeinsame Reise ausklingen.


28. Tag    Mo.     6.1.    Abschied von Antonio

Im Hotelzimmer kocht Antonio einen wunderbaren Cafe au lait zum Frühstück.
Da er nur einen billigen chinesischen Radmantel hat, bittet er mich, ob er meinen guten Schwalbe Marathon XR haben darf. Natürlich gebe ich ihn den gerne und er wechselt schnell die Mäntel.
Es regnet. Unsere Ausflugspläne mit dem Rad ändern wir. Wir fahren mit dem Grand Taxi raus zu den Felstoren von LEGZIRA –10Km nördlich von SIDI-IFNI- einer geologischen Besonderheit. Wir spazieren am Strand und haben zum Schluss noch eine gute Fischtajine. Mit dem Erlebnispädagogen Raimund  spreche ich seit langen wieder mal deutsch.
Wir warten auf ein Taxi. Irgendwann kommt eins vorbei, indem wir beide Platz finden. Am Taxistand ist es unmöglich, mich und das Rad unterzubekommen. So nehme ich um 17h den Bus. Ist auch viel gemütlicher und stressfreier.
Rührender Abschied von Antonio.

Im Bus sind einige Deutsche, da wird die Fahrt nicht lang. Umsteigen in TIZNIT, 1h warten am Busbahnhof. So bin ich um 21h in INEZGANE, dem Ausgangspunkt meiner Reise. Zügig fahre ich im Dunkeln zum mir bekannten Hotel Paris. ABDULGHANI  wartet vor dem Hotel schon den ganzen Nachmittag auf mich. Herzliche Begrüßung. Ich checke schnell ein, das Rad kommt aufs Zimmer und wir gehen gemeinsam durch die Stadt auf der Suche nach einer offenen Snackbar. Satt und müde schlafe ich ein.


29. Tag    Dienstag 7.1.2003        Rückflug

6h aufgestanden und fertig gepackt. Eine Satteltasche ist nun leer für die Geschenke,  die ich gleich noch kaufen will.
Um 7:30h bin ich mit ABDELGHANI  unten beim Konditor verabredet. Sein Freund der Busfahrer und der Konditor wollen ein Foto mit mir. Zur Freude laden sie mich zum Frühstück ein.
Innerhalb von 1h sausen wir im Eilmarsch über den Suok  für meinen Geschenke Einkauf: Kamellatschen, T-Shirts, einen wunderbaren Djeballah für Christoph für die kalten Abende auf der Terrasse. Henna für die Frauen, arabische Cola Flaschen für die Jungs.
Mit dem Teppichhändler feilsche ich solange, bis er mir den Teppich für Mutti für ein Fünftel seines Preises gibt.
Um 9h habe ich alles und muss geschwind los, Abflug ist um 11:15h, zum Flughafen noch 1h Fahrt mit dem Rad.
Ebenso herzlicher und schneller Abschied von ABDELGHANI. Mal wieder nicht alleine gewesen. Überall sind freundliche Geister in Marokko!
Im Sauseschritt fahre ich die mir mittlerweile bekannte Strasse durch das geschäftige INEZGANE zum Flughafen. Beim Einchecken erfahre ich, das die Maschine in Düsseldorf noch gar nicht losgeflogen ist; zum Schluss haben wir 8h Verspätung.
Alle Neckermänner und ich werden in ein 5-Sterne-Hotel nach AGADIR zurückgebracht. Hier bekomme ich nach langer Zeit wieder ein „europäisches“ Mittagessen. Die Krombacher Bierzapfanlage lockt im Hintergrund. Mein erstes Bier nach 30 Tagen. Gott sei Dank befinden sich Sabine und Michael  aus Kassel unter den Mitreisenden. Sie sind auch Individualreisende und wir haben uns viel zu erzählen. Das Entertainment am Pool nervt.
Um 19h sitzen wir endlich im Flugzeug. Ich habe wieder mächtig Kohldampf, als Radfahrer verbrauche ich eben viele Kalorien. Dass macht sich selbst jetzt in der Ruhephase bemerkbar und plündere die Brötchenbestände der Stewardess. Der Pilot gibt richtig Gas, damit er noch um 23:57h in Düsseldorf landen kann. Ab Mitternacht gilt das Nachtlandeverbot, dann würden wir nach dieser Odyssee nach Köln umgeleitet. Thomas  habe ich per Handy rechtzeitig von unserer Verspätung berichtet, und so holt er mich nun am Flughafen ab. Es ist Minus 5°C.
Wir bringen Sabine und Michael  noch nach Rath, wo sie ihr Auto geparkt haben. Müde und vollgepackt mit Erlebnissen und Erinnerungen erreichen wir lange nach Mitternacht mein zu Hause in Langenfeld.

Was kann man an einem Tag alles erleben ?
 
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