Reisebericht „Tour du Maroc 2010“, Bilder folgen... v. Wigand Alpers 18. März Nach einer Woche Vorbereitung in Marrakesch geht es jetzt endlich los! Unser Fahrer Mohamed rollt pünktlich um 8 Uhr, wie vereinbart, mit dem Begleitbus an. Ich beschließe, für unsere Ankömmlinge erst einmal ein reichhaltiges Frühstück einzukaufen, da ich weiß, dass die Firma Ryan-Air ihre Fluggäste nicht gerade aufs Beste bewirtet. Der Einkauf gestaltet sich abenteuerlich; Mohamed muss erst einmal einen schnarchenden Obsthändler wecken. Dann mit 3 kg Bananen, 10 Croissants, einem Haufen Baguette, Käse und kalten Getränken zum Menara-Airport. Perfektes Timing: die Truppe marschiert in dem Moment aus dem Flughafengebäude, als ich den ersten Fahrradträger auf unsere abenteuerliche Dachgepäckträgerkonstruktion „made in Maroc“ montiert habe. Großes Hallo am Flughafen und dann werden die mitgebrachten Halterungen gemeinsam in der aufgehenden Sonne aufgeschraubt; unser Fahrer Mohamed und Joshua leisten Schwerstarbeit. Gut, dass wir ordentlich eingekauft haben. Die Meute fällt über das Frühstück her; in kurzer Zeit ist alles vertilgt. Dann sind die Fahrräder aufgeladen und verzurrt und das Abenteuer kann beginnen. Wir starten unsere Fahrt durch die Vorstädte Marrakesch's und lernen auf dem Weg durch das Industiegebiet sämtliche Schrottplätze der Stadt kennen. Fahrradkoffer und Kartons werden in dem „Magazin“ unseres Autoverleihers deponiert und wir düsen Richtung Tahanaoute. Von hier aus starten wir nach einem Gruppenfoto unsere erste Etappe auf einem Prachtboulevard, die der Champs Elyseé in Paris in nichts nachsteht. Nach 5 km königlichen Dahinrollens ist Schluss mit der Herrlichkeit. Die Straße verwandelt sich in ein grobkörnig löchriges Asphaltband und windet sich hinauf nach Asni, wo wir in landestypischer Manier unsere erste Teepause einlegen. Belagert von zudringlichen Händlern handeln wir den Preis für diverse Tees, Kekse und Orangen auf den ortsüblichen Kurs herunter und fahren ab nach Ourigane. Unser erstes Etappenziel, das Le Sanglier Qui Fume (das rauchende Wildschwein), erweist sich als ein Traum: der Garten wunderschön, komfortable Zimmer. Die herrliche Lage inmitten des hohen Atlas und eine ordentliche Tajine zum Abendessen stimmen uns optimal auf unsere Tour ein. Es gibt sogar eine Bar…...... Ein heißer Tag geht zu Ende.
19. März Ich habe schlecht geschlafen; die Vögel wachen früh auf in Marokko, außerdem bin ich von dem anstrengenden gestrigen Tag überdreht. Heute ist es dunstig; schade, dass wir die schneebedeckten Berge nicht sehen können. Joshua erweist sich Crack; unser Triathlet übernimmt die Führungsarbeit. Milan kämpft mit Bauchkrämpfen; die üblichen Eingewöhnungsprobleme, Monika fährt erstaunlich gut mit. Dann ein nettes Wiedersehen mit dem Cafebetreiber in Ijoukak; der gute Mann hat mich nach 5 Jahren sofort wiedererkannt! Auf der herrlichen Panoramaterasse machen wir Pause, trinken Tee und kalte Cola und rollen gestärkt weiter Richtung Tizi `n Test. Bevor wir unseren ersten Pass in Angriff nehmen, machen wir einen kurzen Abstecher zur Tin Mal Moschee aus dem 12. Jahrhundert, die von einem Stuttgarter Baumeister restauriert wurde und treffen auf eine holländische „Downhill“-Radgruppe mit Begleitfahrzeugen; (ebenfalls interessante Gepäckträgerkonstruktion) . Bei Idni an der „Barriere du neige“ sammeln wir uns für den Aufstieg auf den Paß; Milan gibt auf. Das Wetter ist gut, die Schneeschranke ist offen; die Straße windet sich nun mit einer Steigung von durchschnittlich 7 % bergauf. Die Gruppe fällt auseinander und unsere Telefone bestehen ihre erste Bewährungsprobe. Joshua setzt sich erwartungsgemäß ab; ich fahre als Zweiter; Uwe und Dietmar sind mir dicht auf den Fersen. Kurz vor der Höhe haben sie mich! Gemeinsam fahren wir weiter bis zum Pass. Die Strecke zieht sich. Am Pass auf 2100 m Höhe unsere wohlverdiente Pause; wieder Tee und Cola, diesmal zu überhöhten Preisen. Was jetzt folgt, ist eine der wahnsinnigsten Abfahrten überhaupt; es geht mehr als 30 km bergab! Die Straße ist kurvig, eng und löchrig, an einigen Abschnitten fehlt der Asphalt fast vollständig. Durch das Schmelzwasser verwandelt sie sich teilweise in einen Bach. Joshua fährt wie der Henker höchstpersönlich; die Abfahrt ist ein emotionales Erlebnis. An der Kreuzung zur Hauptstraße laden wir auf. Es ist bereits nach 18 Uhr, die Sonne steht tief. Nach anderthalb Stunden Autofahrt durch den immer dichter werdenden Feierabendverkehr erreichen wir Taroudannt. Das Abendessen erweist sich als gewöhnungsbedürftig (undefinierbare Hackfleischbällchen); der Maitre de Cuisine hat allerdings Humor und serviert mir mit großer Geste als „Chef de Groupe“ eine Gurke. Nach dem Abendessen noch einen Stadtrundgang mit Besuch der Kneipe im Hotel Taroudannt. Unter einem riesigen Gummibaum lungert ein Haufen betrunkener Marokkaner herum. Nach einigen Biére speciale fallen wir hundemüde ins Bett.
20.März Die Nacht war laut und unruhig; viele lärmende Gäste. Im Vergleich zu 2005 ist das Hotel Tiout ein wenig abgerockt; die Terrasse verwaist. Das Frühstück ist genauso bescheiden wie das Abendessen. Immerhin hat der Guardian unsere Fahrräder vorbildlich bewacht. Mit dem Bus geht es hoch nach Igherm; wir fahren durch sattgrüne Landschaft; viele Arganbäume, die Straße ist gut. Nachdem wir gestern nacht in Taroudannt noch 29 Grad hatten, bläst uns hier auf der Höhe ein scharfer, fast eisiger Wind ins Gesicht. Nicht umsonst bezeichnet man Igherm als Sibirien des Anti-Atlas. Wir plündern sämtliche Vorräte des Kiosks an der Abzweigung nach Tafraoute, ziehen unsere Windjacken aus dem Gepäck und kurbeln auf guter Straße bergauf bis auf den höchsten Punkt (1835 m). Ursprünglich wollte ich via Ait Baha nach Tafraoute, entschied mich aber nach den gestrigen Strapazen für die vermeintlich leichtere Strecke. Aber der Wind erweist sich als widerborstig. Trotz 3 % Gefälle haben wir das Gefühl zu stehen. Die 60 km über das karge, „wellige“ Hochplateau bis Ait-Abdallah erscheinen endlos........ Mohamed erweist sich als sehr aufmerksam und hilft uns, wo er nur kann. Vor dem beginnenden Anstieg auf den Tizi-n-Tarakatine steigt Monika wegen ihres Asthmas aus. Die 16 km auf den Pass ziehen sich. Oben begegnen wir englischen Reiseradlern mit schweren Gepäcktaschen, die von Ait Baha hochgekommen sind. Dann stürzen wir uns in die grandiose Abfahrt ins Ammelntal, die uns für alle Mühen entschädigt. Bislang noch keine Reifenpanne! Ankunft ins Oumesnat; wir tragen unsere Räder über einen abenteuerlichen Weg hoch in ein wunderbares Gite und genießen auf der Terrasse einen traumhaften Blick auf die roten Felsen in der Dämmerung. Währenddessen schleppt Mohamed unser gesamtes Gepäck herüber, Dieter duscht sein Rad mit dem Gartenschlauch! Hervorragendes Essen auf der Terrasse; sehr gute und reichhaltige Tajine; netter, persönlicher und professioneller Service.
21.März Heute nehmen wir das Frühstück erst um 9 Uhr ein; die Abfahrt ins Vallee Ait Mansour verzögert sich wegen Großeinkauf in Tafraoute auf 12 Uhr. Der gestrige Tag scheint uns noch ein wenig in den Knochen zu sitzen.... Bevor wir Richtung Tal schießen, müssen wir erst einmal gefühle 1000 Höhenmeter überwinden. Oben warten wir, bis alle angekommen sind; bei der Abfahrt dann die erste Reifenpanne (Uwe). Dann tauchen wir ein in den lichtdurchfluteten Canyon und erreichen kurz darauf das Tal: eine zauberhafte Oase mit grünen Gärten und hohen Dattelpalmen. Nach zwei Furten und weiteren 2 km auf der von heftigen Regenfällen zerstörten Straße erreichen wir das „Chez Messaoud“; ein Freiluftcafe, das Dieter F. und ich im Jahr 2003 „El Paraiso“ getauft haben. Unsere treue Seele Mohamed hat den Wagen dieweil durch die tosenden Wassermassen des Queds gesteuert und uns mit Proviant versorgt. Der Gastgeber kredenzt uns köstliche Omeletts; wir speisen vom reichgedeckten Tisch, spülen das Ganze mit dem obligatorischen Tee hinunter und relaxen an diesem traumhaften Ort. Milan bekommt sich vor Staunen gar nicht mehr ein. Ich hatte ursprünglich eine Rundfahrt durch das Tal geplant, sie aber wegen der fortgeschrittenen Zeit und der Straßenverhältnisse verworfen. So fahren wir den gleichen Weg wieder zurück; Monika und Mascha besteigen den Bus und besorgen für den 29. Hochzeitstag (Dieter und Monika) in Tafraoute auf abenteuerliche Weise Wein und Bier. Joshua, Stefan (der in Vallee noch Fotos gemacht hat) und ich bilden die Nachhut. Belohnt werden wir durch tolle Lichtstimmungen beim Hochfahren, die Abfahrt nach Tafraoute ist grandios; Uwe und Dieter sind sich einig: das war die schönste Abfahrt in ihrem langen Radlerleben. Wieder zurück in Oumesnat vertilgen wir eine Riesenportion Couscous und lassen den Abend feucht-fröhlich ausklingen.
22.März Nach dem Frühstück auf der wundervollen Terrasse (lecker das selbstgemachte Amlou) schauen wir kurz herüber ins „Maison traditionelle“, wo uns von einem blinden Mann der ursprüngliche marokkanische Hausalltag nahegebracht wird. Mohamed rangiert unser Begleitfahrzeug millimetergenau aus der engen Gasse (Chapeau!) zurück auf den Asphalt und gegen 10 Uhr geht es dann los in Richtung „Achterbahn“ (wie sich hinterher herausstellt, eindeutig zu spät......). Nach 10 km, kurz hinter der Abzweigung nach Tanalt hat Mascha die erste Reifenpanne. Und dann der Schock: Das Ventil unserer Standpumpe ist weg! Also fahren Dieter F. und Mohamed nochmal zurück nach Oumesnat, um die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen zu suchen, während wir uns den ersten Anstieg hochquälen. Nach dem letzten erhebenden Blick in Ammelntal holen uns die beiden ein; große Erleichterung: denn die beiden haben das Teil tatsächlich gefunden!!!! Weiter geht’s in stetigem Auf und Ab via Tanalt. Dieter F. und Mascha hängen weit zurück, das ständige Warten am Berg zermürbt die „Bergziegen“. Die Pause in Tanalt ist hektisch; einige wollen gleich weiter, andere sind erschöpft. Dieter und Joshua haben das Dorf Tanalt „glatt übersehen“ und sind weitergefahren; ich habe die Befürchtung, dass die Gruppe auseinanderfällt. Wir fahren weiter, es knistert mächtig im Gebälk; warten oder nicht warten. Als Gruppenleiter habe ich einige Schwierigkeiten, den Bedürfnissen aller gerecht zu werden. An der eigentlich grandiosen Abfahrt nach Aougounz ist dann der Ofen aus. Eine Reifenpanne nach der anderen : anhalten, weiter, anhalten ….... Die Straße wird immer schlechter, der Asphalt ist fast gänzlich verschwunden. Kurz vor Oulben (mittlerweile ist es kurz vor 16 Uhr) laden die ersten entnervt auf. Joshua will noch weiter und „überredet“ mich, während die anderen verladen, zu fahren, bis der Begleitbus uns eingeholt hat. Wir machen ordentlich Tempo und bolzen durch die immer grüner werdende Landschaft: irre Lichtstimmungen, ursprüngliche Gegend. Dann habe ich die nächste Reifenpanne; schnell flicken und weiter. Am Qued dann noch eine Reifenpanne, dann hat uns der Begleitbus eingeholt. Ich merke die Anspannung in der Gruppe. Auch ich bin aufgeregt, aber aus einem anderen Grund: gibt es eine asphaltierte Direktstrecke nach Massa? Dann die Erlösung, der Wegweiser zeigt kurz vor Dar Lahoussine nach Tiznit; der Asphalt glänzt jungfräulich in der immer tiefer stehenden Sonne. Doch an der Kreuzung eröffnet uns Mohamed, dass der Tank leer ist. Wir müssen also mit den letzten Tropfen weiter Richtung Ait Baha und finden nach 10 km (Allah sei Dank!) eine Tankstelle. Dann wieder zurück zur Abzweigung; ich bete, dass die Straße nach Massa taugt. Dann die Erlösung: nach kurzer Fahrt auf der neuen Straße zeigt ein Kilometerstein noch 37 km bis Massa an. In der beginnenden Dämmerung fahren wir durch eine interessante sattgrüne Hügellandschaft; eigantlich viel zu schade für's Auto! Ab Ait Milk wird die Strecke monoton; auf einem ausgefransten Asphaltband geht’s weiter bis Sidi Rbat. In der hereinbrechenden Dunkelheit haben wir leichte Orientierungsprobleme; finden dann aber schließlich doch die endlos erscheinende, holprige Piste zu unserem Übernachtungsplatz, dem „La Dune“. Alle sind müde und ausgelaugt, die Stimmung ist gereizt. Der Maitre Ibrahim serviert uns eine hervorragende Fischplatte, nervt uns mit seinem Palaver, organisiert uns aber immerhin einige lauwarme Dosen bière Speciale für den Wucherpreis von 30 Dirham. Dann schlüpfen wir in unsere komfortablen Kojen und fallen ins Koma.
23.März Nach einer komfortablen Nacht geht es uns am nächsten Morgen schon wieder besser; außerdem ist heute Ruhetag und – wir sind am Meer! Der Strand ist einsam und wunderschön; der Atlantik erwartet uns mit einer ordentlichen Brandung und lädt zu einem erfrischenden Bad. Uwe, Dieter und Stefan lassen sich von einem „Ranger“ durch den Nationalpark Massa führen, der direkt an unsere Anwesen grenzt. Der gute Mann erspäht durch seinen Feldstecher einen seltenen Vogel, der sich bei genauerem Hinsehen als eine umherfliegende Plastiktüte entpuppt. Nach einem leckeren Couscous (und einer gesalzenen Rechnung) geht es an unserem „Ruhetag“ weiter mit dem Auto in Richtung Taliouine. Kurz hinter Ait Melloul bleibt unser Auto plötzlich stehen: der Gaszug ist gerissen! Wieder habe ich Bedenken, dass wir das Etappenziel noch im Hellen erreichen. Trotzdem ist die Stimmung relaxed; die Gruppe hat sich mittlerweile an die marokkanischen Verhältnisse gewöhnt: Allah wird’s schon richten. Nachdem Mohamed mit Improvisationsgeschick und Gottes Hilfe das Problem gelöst hat, geht es auf der Autobahn zügig weiter vorbei an Taroudannt nach Taliouine. Kurz hinter Taroudannt ereilt uns dann noch ein zweiter Defekt; dank Mohamed's Schraubkünsten treffen wir aber auf die Hauptstraße (kurz hinter Aoulouz), bevor es vollständig dunkel wird. Im schwachen Schimmer der Scheinwerfer erreichen wir mit Unterstützung unserer kräftigen Taschenlampen das Hotel Safran. Unsere Vorausbuchung hat man dort anscheinend „vergessen“, jedenfalls ist der Laden stramm belegt mit französischen Wanderern. Nach kurzer und heftiger Diskussion finden sich plötzlich doch noch genügend Schlafmöglichkeiten; statt der bestellten Spezialität des Hauses (Safran Ratatouille) gibt’s ein schnell dahingezaubertes „Standardessen“. Dann geht es ins Bett; wir schlafen ein, während der Schwerlastverkehr über die Hauptstraße rumpelt.
24. März Kurz nach Sonnenaufgang ein schnelles Frühstück, dann weiter im Bus via Tazenakt Richtung Tasla; im wüstenhaften Niemandsland der nächste Defekt am Minibus! Mittlerweile sind wir ein eingespieltes Team: Mohamed schraubt die alte Möhre ist in Windeseile wieder flott. Ich habe schon die Seife in der Hand, Uwe das Wasser, jemand anderes reicht das Handtuch, so dass unser „Conducteur“ seine Hände blitzschnell wieder sauber hat und weiterfahren kann. An der Kreuzung kurz vor Tasla laden wir die Räder ab und starten unsere nächste Etappe. Wie eine Fata Morgana taucht aus dem „Niemandsland“ plötzlich ein verirrter Wanderer mit dickem Rucksack auf, der ohne ein Wort mit uns zu wechseln an uns vorbeiläuft. Dank der neuen Asphaltstraße schaffen wir die 40 km nach Agdz in gut einer Stunde. Dann Mittagessen (leckerer Salat Marocaine plus Omelette) in der Kasbah Assilim, um deren Erhalt sich eine Lehmbaucrew aus Dresden kümmert. Einige von uns werfen sich in den „Pool“ und nach der willkommenen Abkühlung geht es das Draa- Tal hinunter Richtung N'kob. An der Kreuzung Tansikht, wo wir uns sammeln, eröffnet mir Mohamed, dass nun eine 20 km lange Baustelle folgt, die unseren Rennrädern ernsthafte Schwierigkeiten machen könnte. Also erst einmal Pause in dem traumhaften Garten an der Kreuzung; wir beraten uns. Dieter und Josh wollen allen Unkenrufen zum Trotz die Streckenbeschaffenheit erkunden; alle anderen sind durch die vielen Pausen und die sengende Sonne (36°!) träge und schläfrig geworden und laden auf. Wie sich herausstellt, ist die neue Fahrbahntrasse schon zu großen Teilen mit traumhaftem Flüsterasphalt versehen, so dass die beiden das Rad nur ein paar Mal über die Piste tragen müssen und kurz nach uns (50er Schnitt!) N'kob erreichen. In der Dämmerung bestaunen wir die vielen schon halb verfallenen Kasbahs in diesem angenehmen Ort. Unser „Wüstenfuchs“ Mohamed ist hier zu Hause und lädt unsere beiden Jüngsten spontan zum Abendessen und zur Übernachtung bei seiner Familie ein. Der Rest von uns nächtigt nach anständiger Tajine in der äußerst komfortablen Kasbah „Baha Baha“.
25.März Heute brechen wir früh auf, denn der Wind steht gut, so dass die 190 km bis nach Rissani machbar sind. Wir fliegen durch die angenehme Morgenkühle an den schwarzen Tafelbergen vorbei; um uns herum absolute Stille, nur das Sirren der Ketten ist zu hören. In 2er-Formation jagen wir durch Tazzarine, dann weiter mit manchmal 45, 50 Stundenkilometern; Wasser auffüllen, Bananen bei Km 60. Dann wird der Asphalt rauher, Pechvogel Dietmar muß kurz anhalten (Reifenpanne); das Fahren wird unangenehm. In Alnif dann die geplante erste Pause; gierig verschlingen wir Tomaten, Gurken, Brote und ein knappes Dutzend halber Hähnchen und beobachten Kohorten von Motorradgruppen, Geländewagen etc., die hier einen Boxenstopp einlegen. Nach einer Stunde geht es weiter, mittlerweile ist es warm geworden; weit über 30°, aber der Asphalt ist jetzt wieder gut. Mascha und Monika ist das Tempo zu hoch, sie steigen aus. Milan, unser Jüngster, fährt immerhin bis Km 115 mit. Trotz aufkommendem Seitenwind fahren wir immer noch einen 33er Schnitt... Durch Mecissi (ca. Km 140), wo ich einen kurzen Stopp geplant hatte, rauschen wir einfach durch; die kleinen Wellen zwischendrin nehmen wir kaum wahr. Ab Km 150 wird der Wind unangenehm; feiner Sand bläst über die Straße und pudert uns ein. Milan und Monika wollen es noch einmal wissen und steigen die letzten Kilometer wieder auf. Trotz der schlechter werdenden Bedingungen halten wir das Tempo hoch und erreichen nach 5 Std. 38 Min. Fahrzeit und 189,6 Km Strecke schließlich Rissani, wo wir aufladen und weiter nach Merzouga fahren. Wir wollen unser „Rennen“ heute mit einem Bier abschließen; die Organisation desselben gestaltet sich allerdings etwas schwierig. So schrubben wir erst einmal der Reihe nach unseren Feinsand unter der tröpfelnden, vor Schmutz starrenden Dusche mühsam ab. Dann kommt das Bier und bei Einbruch der Dunkelheit steigen wir auf die Kamele, die uns in unser Bivouac bringen sollen. Der Mond leuchtet uns den Weg und die Karawane zieht durch die Nacht über die Dünen. Alle sind begeistert, wissen wir doch noch nicht, was uns erwartet …... Bestellt hatte ich ein Zeltlager am Rand des Sandmeeres, nun aber laufen die „Hommes bleu“ schon über eine Stunde vor den Dromedaren her; kein Bivouac in Sicht. Dietmar geht es schlecht, wir müssen wiederholt anhalten: Durchfall. Plötzlich bleiben unsere Führer stehen, palavern; ich habe das Gefühl, wir sind im Kreis gelaufen. Anderthalb Stunden unterwegs; die Beine schmerzen unerträglich, die Pobacken sind durchgescheuert, uns ist schlecht von der Schaukelei. Es wird immer stiller. Wann sind wir endlich da? Kennen unsere Wüstensöhne den Weg? Haben wir uns etwa verlaufen? Die anfängliche gute Laune stirbt dahin, obwohl unsere wackeren Jungs uns mit Getrommel und Gesang versuchen aufzumuntern. Irgendwann halten wir jedes im fahlen Mondschein auftauchende Dornengras für unser Nachtlager. Als das letzte Fünkchen Hoffnung zu schwinden beginnt, erreichen wir nach knapp zweieinhalb Stunden „Höllenritt“ endlich die Berberzelte. Und wir werden fürstlich entschädigt; mit der besten Tajine unserer gesamten Reise genießen wir, obwohl wir mittlerweile auf allen Vieren kriechen, die magische Stimmung mitten im endlos erscheinenden Sandmeer. Das Bier kreist in der Runde und restlos erschöpft schlafen wir alle ein.
26.März Nach einer kurzen Nacht stapfen wir in der Morgendämmerung auf die höchste Düne und können den gesamten Erg Chebbi überblicken. Ich stelle fest, dass wir gestern abend mehr als die Hälfte des Dünenmeeres durchwandert haben und uns ziemlich genau in der Mitte der Sandwüste befinden. Den Sonnenaufgang können wir aufgrund des bedeckten Himmels leider nicht sehen – schade. So reiten wir, jetzt schon etwas geübter, auf unseren Wüstenschiffen zurück; vorbei an den Resten eines verendeten Dromedars... Nach einem satten Frühstück geht es weiter Richtung Erfoud. Ich entscheide mich, aufgrund der gestrigen Strapazen, die Strecke Erfoud – Touroug nicht mit dem Rad zu fahren und wegen der fortgeschrittenen Zeit (10 Uhr Abfahrt Merzouga) die Etappe erst ab Goulmina zu beginnen. Das Sträßchen von Touroug nach Goulmina ist mittlerweile tatsächlich komplett asphaltiert und sicher nett mit dem Rad zu befahren; die kleinen Dörfer am Qued Rheris sind ursprünglich, die Menschen in dieser Gegend freundlich und offen. Die Führung durch den alten Ksar von Goulmina ist ungeheuer interessant. Hier leben noch viele Menschen in ursprünglicher Wohnform. Der Ksar ist komplett aus Lehm gebaut; ein verschachteltes Labyrinth, eine kleine Welt für sich, in der Mensch und Vieh einträchtig nebeneinander leben. Inmitten des dunklen Gassengewirrs öffnet sich plötzlich der Blick in idyllische Palmengärten: das Wasser plätschert munter durch die Bewässerungsgräben, die Frauen waschen ihre Wäsche, Kinder plantschen im Wasser- ein kleines Paradies. Die Temperaturen im Ksar sind angenehm kühl; doch als wir heraustreten, schlägt uns eine heiße Wand entgegen; Milan misst in der Sonne 42°! Gegen 14 Uhr starten wir nach Ammelago; der Wüstenwind heult noch einmal auf, bevor wir in der Rherisschlucht verschwinden …... In gemächlichem Cappuccinotempo schrauben wir uns entlang der steilen Felswände langsam hoch; dann eine Abfahrt. Josh will die darauffolgende Furt mit Vollgas durchrauschen, schreit plötzlich „Achtung“- und liegt im Wasser. Ich kann nicht mehr rechtzeitig bremsen und rutsche hinterher; Dieter F. kann anhalten, tippelt vorsichtig durchs Wasserund wird von der algigen „Schmierseife“ ebenfalls in die Horizontale gelegt. Großes Gelächter der Nachhut. Schließlich erreichen wir Ammelago; hier ist Marokko noch unverfälscht. Im Gite Chez Moha werden wir herzlich aufgenommen, man erwartet uns bereits. Im Innenhof sitzt ein alter Engländer, der schon seit Monaten mit dem Rad im Land unterwegs ist und Marokko bereits zum 15. Mal bereist. In familiärer Athmosphäre verputzen wir unser reichhaltiges Nachtmahl (natürlich Tajine) und entschlummern sanft in die ruhige klare Nacht mit Mond- und Sternenhimmel.
27.März Nach dem Frühstück laden wir die Räder auf's Auto; die Strecke Mzizel – Imilchil steht auf dem Programm. Als die Räder endlich sicher auf dem Dachträger festgezurrt sind, eröffnet uns der freundliche Gite-Besitzer beim Abschied, dass die Strecke Ait Hani-Agoudal über den Tizi `n Tirherhouzine „toute goudronne“, also durchgehend asphaltiert ist. Also wuchten wir die Räder wieder runter und kommen so zu einer wahren Königsetappe. Durch das wunderbar mäandernde Tal mit sattgrünen Feldern entlang des Flusses, auf denen die Bäuerinnen ihre Arbeit staunend und winkend unterbrechen, geht es nun die kargen Höhen des Atlas hinauf. Dann der erste Schock: ein Schrei- und Monika liegt im Schlagloch. Zum Glück ging's bergauf, nur ein Kratzer am Knie …... Glück gehabt! Die Gegend wird nun rauher. Bei Ait Hani, an der Kreuzung hoch zum Pass, machen wir Pause; der weise Mohamed hat vorsorglich schon einmal ein paar Kilo Bananen eingekauft. Noch 72 km bis Imilchil. Trotz knapp 2000 m Höhe ist es warm und so nehmen wir guten Mutes den Pass in Angriff. Der Asphalt ist gut, die Steigung beträgt teilweise über 10 % - und dann verwandelt sich die Straße in eine Schotterpiste! Dieter und Monika haben die Schnauze voll und laden die Räder . Zu siebt quälen wir uns weiter hoch, Josh natürlich vorne, Stefan hinterher, danach Uwe und ich mit unseren alten Stahlrössern. Der Schotter hat sich glücklicherweise wieder zu Asphalt verwandelt - und plötzlich jagt Dieter mit seinem „Red Bull“ vorbei, anscheinend hat er Flügel bekommen. Langsam und beständig kurbele ich hoch und erreiche gemeinsam mit Uwe Hand in Hand die Passhöhe. Der Höhenmesser zeigt 2665 m! Joshua, hat inzwischen in Radschuhen mit seinem Fahrrad auf den Schultern den Gipfel über dem Pass erklettert und winkt zu uns herunter. Von der anderen Seite des Passes her kommt eine Gruppe spanischer Reiseradler heraufgekeucht; dick bepackt mit blitzblanken Ortliebtaschen. Auch Mascha hat die Passhöhe erreicht, nur 10 min nach uns. Respekt! Auf dem Pass ist es mild, keine Spur von Schnee und so geht es leicht bekleidet hinunter nach Agoudal, vorbei an wettergegerbten Frauen mit gigantischen Reisigbündeln auf dem Rücken. Monika, die am Pass mit Dieter wieder ins Geschehen eingestiegen ist, schlägt eine Pause vor. Obwohl es bereits 15 Uhr ist, willige ich ein, da es ja jetzt nur noch „wellig bergab“ geht In der milden Nachmittagssonne Agoudals sitzen wir teeschlürfend und colatrinkend bei „Chez Ibrahim“ und vergessen die Zeit. Das sollte sich rächen. Was wir nämlich nicht wissen: hinter dem Dorf wird der Asphalt zur Piste; endlos erscheinende 15 km; das ist also „toute goudronne marocaine“. Als der Asphalt wieder auftaucht, steht die Sonne bereits tief über den Bergen. Ich habe Sorge, die Auberge am Lac Tislit, wo wir schlafen werden, nicht vor Sonnenuntergang zu erreichen ….. So fahren wir mit Vollgas gegen Imilchil, haben kaum einen Blick für die wunderbare Landschaft; die Sonne ist mittlerweile hinter den Bergen verschwunden. Uwe fährt wie in Trance; immer noch 20 km „wellig bergab“ bis Imilchil .….. Es wird kühl. Dann erwischt es wieder Dietmar; Reifenpanne. Langsam wird es dunkel; Schussfahrt hinein in den Ort, noch 5 km bis zum Lac – und noch einmal bergauf. Im letzten Dämmerlicht erreichen wir nach 140 km Fahrt endlich den Lac Imilchil. Dieter erheitert unfreiwillig die müde Truppe, indem er im kristallklaren Wasser des Sees sein Rad wäscht. Nacheinander springen wir unter die einzige funktionierende Dusche, vertilgen das obligatorische Couscous am wärmenden Ofen, wickeln uns in die muffigen Decken der mittlerweile eiskalten Zimmer und sinken in den wohlverdienten Schlaf.
28. März Letzte Etappe. Laut Karte (diese Strecke kenne ich noch nicht) ist die Strcke kurvig, aber nicht so schlimm; „wellig bergab“ lautet meine offizielle Ansage an die Crew. Uwe lacht. In der Morgenkühle geht es nochmals hoch auf 2400 m, dann folgt tatsächlich eine lange Abfahrt; die Landschaft wird grüner. Wir fahren ohne Pause, denn spätestens um 14 Uhr müssen wir aufladen; wir haben noch einen langen Transfer bis Marrakesch. Dieter will es Monika nachtun; der zweite Sturz ….. Am giftigen Anstieg auf den Tizi n' Isli will Mascha aussteigen; Josh und ich überreden sie zur Weiterfahrt, bleiben bei ihr und ziehen sie hoch. Die Gegend wird ärmlich, um die Dörfer viel Müll. Irgendwo ist Markt, die zahlreichen Versorgungsfahrzeuge fahren äußerst rücksichtslos; nicht wie auf der Südseite des Hohen Atlas, wo alles etwas gemächlicher zugeht und man eine Gruppe von Radfahrern noch als Verkehrsteilnehmer wahrnimmt. Ein entgegenkommender Taxifahrer, rast vollbesetzt auf unseren Begleitbus zu und riskiert einen Frontalcrash. Hitziges Wortgefecht; Mohamed bleibt cool. Um 13.19 Uhr dann die endgültige Handbewegung von mir; Schluss 35 km vor El Ksiba. Ich rechne mit ca. 5 Std Transfer bis Marrakesch. Doch die weitere Strecke zieht sich; der Asphalt ist häufig aufgebrochen, angetrockneter Schlamm. Mohamed quält unser Begleitfahrzeug auf den nächsten Pass; die Straße ist mittlerweile handtuchbreit. Wir sind mit dem Auto kaum schneller als mit dem Rad; immer wieder müssen wir warten, bis mit Mensch, Vieh und Waren hoffnungslos überladene Uralt-LKW's, in entsetzlich stinkende Dieselwolken eingehüllt, an uns vorbeigezogen sind. Dafür ist die Landschaft wunderschön, erinnert mich an Umbrien. Nach anderthalb Stunden ist endlich El Ksiba erreicht. Quälend langsam geht auf der N8 weiter Richtung Beni Mellal; Feierabendverkehr. Auf der Fahrt nach Marrakesch plötzlich Gendarmerie, ein Unfall auf der Gegenfahrbahn. 50 Frauen auf der einen Seite der Straße, 50 Männer auf der anderen Seite- alle starren stumm auf den Asphalt. Eine Decke liegt über einem Körper, Tod auf der Landstraße. Still fahren wir weiter in die Nacht und erreichen gegen 20 Uhr Marrakesch. Wir haben keine Möglichkeit, auch nur eine Sekunde zu verschnaufen; sofort sind wir umringt von Händlern, Karrenträgern, selbsternannten Fahrradaufpassern und neugierigem Volk. Schnell laden wir ab, räumen das Auto leer und schleppen uns ins Riad, wo das Essen bereits auf uns wartet. Nach einem kleinen Spaziergang über den quirligen „Jemma ´n fna“ geht’s ab in die Falle.
29.März Das kleine, verwinkelte Stadthaus, das wir gemietet haben, ist wirklich ein Kleinod; Tadelakt in den Zimmern, bunte Fliesen und wucherndes Grün im lauschigen Innenhof. Wir frühstücken auf der traumhaften Terrasse und genießen die Morgenstimmung, erleben den orientalischen Zauber der langsam erwachenden Stadt. Heute freies Programm für alle; Einkäufe in den Souks und im staatlichen Artisanat, abends noch einmal auf den Jemma, wo wir uns 5 Liter Orangensaft als Vitaminspritze für den nächsten Morgen pressen lassen, gemeinsames Abschlußmahl im guten Retaurant Toubkal am Platz; ich organisiere den Transfer zum Flughafen. Die Karrenträger sind alle scharf auf den Job; in kurzer Zeit habe ich mehrere Angebote von Eselskarren, LKW-Pritsche bis Minibus für die 7 km bis zum Airport. Unsere treue Seele Mohamed löst mit einem Schlag alle Probleme. Obwohl sein Job schon beendet ist, steht er wie eine Erscheinung der 3. Art am nächsten Morgen um 6 Uhr in einem alten wollenen Militärmantel Marke Vorkriegsmodell (es ist schnatterkalt) mit unserem Bus, den er noch einmal losgeeist hat, vor unserer Tür. Im Morgengrauen laden wir das letzte Mal die Fahrräder ein und stehen kurze Zeit später in der Abfertigungshalle vom Menara Airport. Großer Abschied. Dann heben wir ab Richtung Heimat.
Fazit Die zwölftägige Reise war für jeden von uns ein einzigartiges Abenteuer. Wenn zwei Frauen und acht Männer zusammen ein afrikanisches Land mit dem Rennrad erkunden, erscheint das vielleicht ungewohnlich, für uns war es ein Fest. Manchmal haben uns geschunden und gequält, entschädigt wurden wir dafür durch atemberaubende Stimmungen und Momente. Trotz bestmöglicher Organisation mußten wir manches Mal improvisieren, doch gerade das hat den Reiz dieserTour ausgemacht. Jeder von uns hat seine Qualitäten in die Gruppe mit eingebracht, es gab keinen ernsthaften „Lagerkoller“; wir waren einfach ein harmonisches Team. Glück hatten wir mit dem Wetter; kein Regen, keine klirrende Kälte und einige sehr klare Tage und Nächte. Ganz großes Glück hatten wir mir unserem Fahrer Mohamed, der uns in jeder erdenklichen Situation mit Rat und Tat zur Hilfe stand, auch in brenzligen Situationen immer die Übersicht behalten hat und einfach saugut gefahren ist. Und last but not least: viele Marokkaner haben uns auf unserer Reise untersützt; auch diesen Menschen gebührt von unserer Seite ein ganz herzlicher Dank! Zum Schluß noch ein paar ausgewählte Daten: gefahrene Radkilometer absolut : gefahrene Höhenmeter (Rad) absolut : gegessene Bananen (Kg) : 60 Fladenbrote : 120 Wasser (in Litern) : 450 Autopannen : 3 Reifenpannen : 12
|