Wetterprognose

Werners Marokkoreise 2006 PDF Drucken E-Mail
Sonntag, 21. Januar 2007

Werners Marokkoreise  2006

vom 30.4. - 20.5.2006

 

Trotz der Kriege und des Tourismus und der Satellitenbilder ist die Welt noch genauso groß, wie sie immer war. Mich erfasst Ehrfurcht, wenn ich bedenke, wie viel von ihr ich nie sehen werde. In diesen Tagen ist es keine Affäre um die Welt zu reisen, denn wenn man eine Menge Geld bezahlt, kann man in weniger als achtundvierzig Stunden ohne Aufenthalt um sie herumfliegen, aber um sie kennen zu lernen, sie zu riechen und zwischen den Zehen zu spüren, muss man kriechen. Es gibt keine andere Möglichkeit. Weder fliegen noch auf dem Wasser treiben. Man muss auf dem Erdboden bleiben und die Insekten schlucken, während man sich fortbewegt. Dann ist die Welt von immenser Größe.

Ted Simon (Jupiters Fahrt)
 

 

Ich war in Marokko und habe nicht nur Insekten geschluckt. Habe wegen dem sich in der Luft befindlichen Sand, aber auch oft wegen den Rahmenbedingungen wie Entfernungen, Hygiene und den gebetsmühlenartig nach „Stylo“ fragenden Kindern, geschluckt. Habe mich während der ersten Woche gefragt „Was mache ich hier eigentlich?“. Der Gedanke: „Marokko nie wieder“ ging mir zwischen dem 3. und 4. Tag ständig durch den Kopf und auch die Frage: „Wie stehe ich hier 3 ½ Wochen durch?“

Ich war in Marokko und es ist von immenser Größe. Sowohl was die Entfernungen betrifft als auch und dies ist wirklich das Größte von mir in Marokko Erlebte, es ist von immenser menschlicher Größe. Worte wie Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft werden hier gelebt und nicht nur ausgesprochen. Über die Menschen Marokkos habe ich Zugang zu diesem Land gefunden.

Daher habe ich nicht gleich mit dem Bericht begonnen, sondern wollte mich schon zu Beginn bei den Menschen Marokkos bedanken. Danke, dass ich dort sein und eure Gastfreundschaft genießen durfte. Es war schön.

30.04.2006, Agadir, wolkenlos 14°   

Nach einem „frühen“ Frühstück (06.00h) starte ich meine Marokkotour gegen 06.45h in Agadir. Die Streckenführung erweist sich, zumal GPS unterstützt, als einfach.

Wie immer fahre ich am Anfang etwas zu schnell, aber ob Agadir, Sevilla oder Bilbao, diese größeren Städte wirken auf mich immer etwas trostlos, sodass ich schnellstmöglich aufs Land möchte.

In der Nähe des Flughafens unterbricht eine Baustelle die einfache Orientierung, aber durch einen Zwischenspurt erreiche ich rechtzeitig vor der nächsten Kreuzung, zwei Rennradfahrer die mir den Weg nach Biougra zeigen. Hinter diesem Ort fängt schlagartig der raue Asphalt an, der mich durch ganz Marokko begleiten wird. In Ait Baha begebe ich mich auf die von Julius vorgeschlagene Route und bin noch nicht richtig in Marokko angekommen. Die Landschaft ähnelt sehr der in Südspanien (Alhama de Granada). Ein Marokkogefühl kommt nicht.

Während ich einen kleinen Ort durchfahre, werde ich zum ersten Mal von Kindern angebettelt. „un stylo“ wird gebetsmühlenartig wiederholt. Aber es hält sich in Grenzen.

Übrigens habe ich mir angewöhnt alle Marokkaner mit „Salam“ (Kurzform von Salam Aleikum = Guten Tag), und wenn es die Fahrt erlaubt, auch mit Handzeichen zu grüßen. Bei den Frauen halte ich mich noch etwas zurück, doch die älteren Frauen grüßen ebenfalls freundlich.

Überall in den Baumkronen halten sich Ziegen auf, die bei der Herstellung des teuren Arganienöls helfen. Die Ziegen lieben das Fruchtfleisch, das sich nur schwer vom Stein löst, während sie den unverdauten Kern wieder ausscheiden. Also, lässt man die Ziegen die Arganienfrüchte essen. Die Frauen sammeln dann die getrockneten Ziegenköttel ein, aus denen die Kerne herausgewaschen werden. Das Innere der Kerne wird geröstet und zu Öl verarbeitet. Die Ziegen in den Bäumen habe ich alleine entdeckt, aber den Rest habe ich von Julius Grossmann erfahren. Man kann ja nicht alles wissen.
Nach ca. 70 km mache ich eine längere Pause und genieße die Stille. Auf den Straßen ist kaum Verkehr und wenn doch, hört man ihn schon Minuten vorher, so ruhig ist es hier. Nach weiteren 20 km öffnet sich plötzlich das Tal und wird deutlich breiter. Im Tal befindet sich ein markanter Kegelberg auf dem eine imposante Ortschaft, die an eine Wehrburg erinnert, thront. Eindrucksvoll.    

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Hotel in dieser abgelegenen Gegend zu finden erscheint mir aussichtslos und so fahre ich, die Landschaft auf mich wirken lassend, vor mich hin. Und plötzlich, mitten im Nichts, fahre ich an einer Auberge vorbei. Vollbremsung und hinein. Die Nacht im gemauerten Zelt, einzelne Zimmer gibt es nicht, kostet 50 DH (10 Dirham = ca. 1 € ) und Bratspieße vom Schaf (Brochettes) gibt es für 40 DH.

Bin der einzige Gast und wegen mir muss Ibrahim, der Laufbursche des Besitzers, die von ihm genutzte Unterkunft räumen und die Nacht im Freien schlafen. Die Dusche direkt neben dem WC ist gewöhnungsbedürftig. 

 

01.05.2006,  Mehda, 10°, wolkenlos 


Es ist 6.10h als der Chef unüberhörbar die Tür aufreißt. Mein Bonjour erwidert er mit einer eindeutigen Handbewegung in Richtung Wohnhaus. Fünf Minuten später bekomme ich Kaffee und ein Fladenbrot, wahlweise mit Honig oder La vache qui rit.

Das Brot ist knochenhart. „Guten Morgen Marokko“. Er ermutigt mich noch eins zu essen, um für das Radfahren fit zu werden. Nein, danke.

Die Landschaft bleibt unverändert hügelig und man fährt kaum durch Ortschaften. Nach einiger Zeit komme ich auf die Straße, die Tafraoute mit Ait Abdallah verbindet. Kurzentschlossen lasse ich Tafraoute rechts liegen und fahre in Richtung der ersten Piste in Marokko. Mit dem Essen scheint es grundsätzlich nicht so einfach in Marokko zu sein. Die kleinen Ortschaften haben max. 1-2 kleine Geschäfte, wobei die Betonung auf klein liegt. Dort kann man Getränke, Brot, viel Süßigkeiten und Thunfisch in Dosen kaufen. Das war es aber auch schon. Ok, es gibt noch Öl, Salz, Zucker und Hirse. Dies steht allerdings nicht auf meiner Einkaufsliste.

In genau solch einem Laden mache ich in Tawli bei Ahmed Hinda Rast. Diese fällt mit fast einer Stunde relativ lange aus. Mit englisch, französisch sowie mittels lustiger Zeichnungen unterhalten wir uns ausgezeichnet und ich wäre am liebsten länger geblieben, aber ich habe ja noch einiges vor mir.  

 

  

Ahmed und sein Vater   

Kurz vor dem Pisteneinstieg mache ich im Schatten einer verfallenen Kasbah mein Mittagsschläfchen.  

 

Letzte größere Ortschaft vor der Piste nach Osten.   

Die staubige Piste beginnt mit einem kurzen steilen Anstieg und danach eröffnen sich sehenswerte Ausblicke, die sich im Laufe des Tages noch steigern sollten. Die Berge sind durch die Erosion so sehr abgetragen, dass man die Gesteinsschichten deutlich sehen kann. Und diese Gesteinsschichten geben jedem Berg seinen eigenen Charakter. Mal sind sie leicht geschwungen, mal eckig und dann ganz bizarr.     

 

Unterwegs auf den Feldern treffe ich fast ausschließlich Mädchen und Frauen bei der Feldarbeit. Die meisten grüßen von sich aus. Wenn ich ihnen „Salam“ zurufe, wird dies immer, verbunden mit einem herzlichen Lächeln, erwidert.

Nachdem ich eine menschenleere Ansiedlung durchfahren habe, geht es steil bergauf und ich erreiche ein Hochplateau auf 1.800 m Höhe. Nach einigen Kilometern kommt ein kleines Dorf und sicherheitshalber steuere ich auf den abgeschlossenen Brunnen zu. Ein älterer Mann gibt mir zu verstehen dass ich mich erst mal im Schatten hinsetzten sollte. Jetzt erkenne ich, dass es sich um eine Mühle handelt, wobei seine Frau die Ehre hat, sich im Kreis bewegen zu dürfen. Als sie einen Sack Mehl fertig hat, was verständlicherweise seine Zeit braucht, schließt sie den Brunnen auf und pumpt mir meinen 4 Litersack voll.

Schukran und Besslama, und weiter geht’s.

Als ich das Dorf verlasse, werde ich von den Frauen auf den Feldern mit Rufen und Winken gegrüßt. Ganz im Gegensatz zu den mir entgegen kommenden Radfahrern. Radwanderer auf dieser Piste und dann noch so zahlreich. Während ich meine Fahrt verlangsame und den ersten Radfahrer mit Salam begrüße, schaut dieser nur kurz auf, erwidert kurz Bonjour und nimmt den Kopf nach unten und fährt weiter. Das wiederholt sich noch bei den nächsten fünf ihm folgenden Radfahrern. Ok, es wiederholt sich nicht ganz, denn drei erwidern nicht einmal meinen Gruß. Das müssen „Wagges“ (Spitzname für Franzosen) sein, denke ich mir, und sehe in der Ferne noch einmal 4 Radfahrer. Diese stehen allerdings und machen eine Pause. Kurzes Hallo und ich erfahre das es wirklich „Wagges“ sind. Zehn bornierte, sehr elitär angehauchte Franzosen, die mich vor den aggressiven Bewohnern der nächsten Ortschaft warnen. Und tschüss.

Zurück zur Natur. Nach dem Dorf wird die Hochebene richtig schön. Der Boden ist rötlich braun und von grünen, flachwüchsigen (max. 30 cm hohen) Büschen übersät. Der Weg führt in weiten Bögen nach Osten und man hat einen freien Überblick, über das, was auf einen zu kommt. Und es kommt Landschaft pur auf mich zu. Sanft geschwungene Hügel, ab und an ein schmales Gerstenfeld und ein angenehmer Duft umgeben mich.    

 

Während der Fahrt schaue ich auf dem GPS-Gerät wie weit es noch zu dem Biwakplatz von Julius ist. Doch kurz danach erwischt es mich. Platten, immerhin der Vorderreifen. Da ich aber gerade an den einzigen Bäumen seit langer Zeit vorbeigefahren bin, geht es zurück und dies wird mein Übernachtungsplatz. Seit Jahrzehnten die erste Übernachtung im Zelt.

Ruckzuck steht das Zelt, der Reifen wird geflickt, etwas gegessen und sich auf eine kühle Nacht eingestellt, da über die Hochebene ein heftiger Wind weht. Mache noch ein Paar Fotos von der unmittelbaren Umgebung und frage mich, ob ich wirklich alleine bin. Kaum daran gedacht, ob ich alleine bin, sehe ich einen Hund, der sich bis auf 20 Meter nähert, aber dann doch das Weite sucht.

Ich bin zwar nicht in der Prärie und es war auch kein Wolf, aber kurz musste ich an den Film „Der mit dem Wolf tanzt“ denken.

 

 

02.05.2006,  Piste bei, N 29° 42´ 37.5´´, W 8° 42´15.7´´ (1.811 m) , 8°, wolkenlos

Gegen 07.00 h starte ich mit Arm- und Beinlingen bei frischen 8°. Noch einmal geht es etwas bergauf, um danach fast den ganzen Tag tendenziell bergab. Einige Zeit kommt man auf der Piste zügig voran bis es auf einmal zu einer Abfahrt an einem Steinbruch kommt. Von hieran wird es recht holprig. Dieser Rüttelbelag hält sehr lange an um sich dann in eine Geröllpiste zu verschlechtern. In umgekehrter Richtung möchte ich diese Strecke nicht fahren.

Während die Arme mit dem Lenken beschäftigt sind, haben die Beine eine längere Zeit Ruhepause. Ganz im Gegensatz zu den Augen. Die sind voll und ganz gefordert. Zwischen dem besten Fahrweg suchen und dem ständigen Staunen, ob der immer schöner werdenden Schlucht durch welche die Geröllpiste führt. Diese wildromantische Schlucht wird immer enger und die felsigen Wände rechts und links ragen immer mehr in die Höhe. Toll!    

 

Wie an einer Perlenschnur reihen sich plötzlich, in schöner Regelmäßigkeit, kleine und kleinste Ansiedlungen aneinander. Getrennt werden sie von landwirtschaftlichen Minianbauflächen. Teilweise sind diese nur 5 mal 5 Meter groß. Überall stehen Palmen, die diesen Getreide- und Gemüseanbau mit genügend Schatten unterstützen.

Umgeben von dieser grandiosen Kulisse kommen plötzlich, wie aus dem Nichts, nach „Stylo“ fragende Kinder. Sogar hier, nicht zu fassen. Ob dies die aggressiven Bewohner waren, vor denen mich die Franzosen gewarnt hatten?

Im letzten Weiler, vor dem Verlassen der Schlucht, kann ich noch eine ungekühlte Cola kaufen und kurz danach, unmittelbar vor Tisgui-Ida-ou-Ballou, treffe ich auf die ersten Berbernomaden. 

 

 

Auch diese schöne Schlucht hat ein Ende.     

Die zwei Cafés von Tisgui-Ida-ou-Ballou haben zusammen ein Fladenbrot, das ich mit Thunfisch aus der Dose serviert bekomme. Der Traum meiner kulinarischen Wünsche geht in Erfüllung. Etwas Warmes hätte ich schon gern gegessen. So habe ich halt gut 70 km bis nach Tata - ohne was richtiges im Magen - vor mir. Marokko, deine Verpflegungslage lässt uns nicht zu Freunden werden. Um meine Stimmung zu steigern, hatte nebenbei noch einen Platten, kommt ein heftiger Gegenwind hinzu. Immer wieder ertappe ich mich bei dem Gedanken „Wie schön ist es doch in Spanien“. Jede kleine Bar oder Bodega kann dir schnell was auf den Tisch zaubern.

Was soll’s, Augen zu und durch.  

Durch ein immer breiter werdendes Tal und durch zahlreiche Queds fahre ich, immerhin meist leicht bergab, nach Tata. Dort angekommen, geht es schnurstracks in das Hotel Renaissance(120 DH). Meine Frage nach dem Zeitpunkt für das Abendessen wird mit 20.30h beantwortet.

Über zwei Stunden warten, ohne mich. Also duschen und ab in die Stadt.   

 

Im Ort erhalte ich aber nur gleichlautende Antworten. Da spricht mich Hassan an, blau gekleidet genau wie diese typische Marokkanern vor der Edith Kohlbach in ihrem Buch gewarnt hat. Egal. Der Hunger ist am längeren Hebel. Nachdem ich ihm mein Problem geschildert habe geht es direkt zum Hauptplatz oder genauer zu Husseyin. Dieser erklärt allerdings, dass die Tajine (Eintopf aus Gemüse und Fleisch) gerade erst aufgesetzt wurde. Nach einigem hin und her einigen wir uns auf einen Salat und Kefta (Fleischbällchen).

10 Minuten später habe ich einen frischen Salat mit Fladenbrot und keine weiteren 5 Minuten danach bekomme ich meine Fleischbällchen. Dazu einen „Thé a la mente“ und der Abend ist gerettet. Nebenbei schmeckt alles köstlich und ich entschließe mich spontan einen Tag in Tata zu bleiben. Für den nächsten Tag bestelle ich schon mal Tajine mit Schaf.

Übrigens Hassan, der blau gekleidete Marokkaner, wollte nichts für seine Hilfe, kam später noch mal kurz vorbei und hat einen Tee mit mir getrunken. Und Husseyin, der mir mit seinem spitzbübischen Jean-Paul Belmondo-Lächeln, sofort sympathisch war, hatte genau das richtige Gespür für Aufmerksamkeit und die nötige respektvolle Distanz. Danke.

 

03.05.2006, Tata, 10°, wolkenlos                  - Pause -

Den relativ frühen Pausentag dieser Tour verbringe ich fast nur in der Nähe des Hauptplatzes. Treffe Hassan zum Tee trinken. Besuche kurz ein Internetcafé. Esse sowohl mittags als auch abends bei Husseyin, jedes Mal zu meiner vollsten Zufriedenheit.

Und der Rest ist aufsaugen der herrlich orientalischen Atmosphäre.

 

Essen im Blick, so lässt es sich entspannt beobachten.  

 

04.05.2006, Tata, 12°, wolkenlos

Peinlich startet dieser Tag. Fahre, nachdem ich im Hotel nach dem Weg gefragt habe, doch tatsächlich in die falsche Richtung. Als es nach 5 km immer noch nach Norden geht, schalte ich mal auf die Kartenansicht meines Garmin. Blöder Typ im Hotel, blöder Werner auf dem Rad. Das Ganze zurück. Diese 10 km werden mir heute noch wehtun, da bin ich mir sicher.

Kurz hinter Tata, dieses mal in die richtige Richtung, wird es karg und trostlos. Tja, und das ändert sich, mit kurzen Ausnahmen, den ganzen Tag nicht. Die Strecke zieht sich, bei heftigem Gegenwind, wie Gummi. Bis Tissint, das ich nach knapp 85 km erreiche, gibt es keine Abwechslung. Nach der freundlichen Polizeikontrolle in Tissint esse ich mal wieder, mangels Alternative, Brot mit Thunfisch. Verlasse den Ort und sehe den Kilometerstein mit der Angabe der Entfernung bis zu meinem heutigen Ziel – 63 km bei exakt 36°.     

Kurz hinter Tissint   

Der Wind weht immerhin nicht mehr so heftig. Die Landschaft? Wüstenähnlich, oder ist das schon Wüste, geht es monoton weiter. In der Ferne ist links ein Gebirge zu sehen während der Gebirgszug zur rechten manchmal nur einen Kilometer entfernt ist. Dazwischen ist ein staub- und steingefülltes ödes Becken. Und dadurch fahre ich. Das wird heute eine reine Überbrückungsetappe. Hauptsache in Foum-Zguid ankommen.

Steuere auf einen Wegpunkt von Julius zu, der mit „Badestelle“ beschriftet ist. Ich denke mir schon beim Verlassen der Straße, dass es sinnlos ist, zu dieser Jahreszeit Wasser zu erwarten. Immerhin hätte es für meine Füße gereicht. Also, keine Erfrischung. 

 

Markanter Berg, kurz vor Foum-Zguid   

Ertappe mich bei dem Gedanken ab morgen den Weg nach Norden Richtung Mittelmeer einzuschlagen. Den Rückflug ab Agadir sausen lassen und irgendwie in mein geliebtes Spanien zu kommen. Die Worte Bodega, Tapas, Cerveza sin Alcohol sind ständig in meinem Kopf. Plötzlich merke ich, dass mein Forums-Buff weg ist und zu allem Überfluss kommt auch noch ein schleichender Plattfuß hinzu.   

 

Oh, oh. Hoffentlich ergeht es mir besser.   

So erreiche ich, mit Hängen und Würgen, die Auberge Iriki in Foum-Zguid. Motiviert sein sieht anders aus.

Anscheinend mache ich so einen geschwächten Eindruck, dass man mich zuerst fragt, was ich zu essen haben möchte. Danach ruft der Chef nach drei jungen Burschen, die mein Gepäck und das Rad auf mein Zimmer im ersten Stock tragen. Schukran. Kurze Dusche, 2 Hawaii, 2 Fanta und 1 Cola später gibt es auf der Dachterrasse Abendessen.

Habe die Möglichkeit, mich zu einer Gruppe Franzosen oder blöden Deutschen mit sehr elitärem Gehabe zu setzen. Die Lösung kommt in Gestalt von Pierre auf die Dachterrasse. Kurzes Anlächeln, er checkt die beiden Tische kurz ab und gleichzeitig setzen wir uns mitten auf der Terrasse auf zwei Stühle, ohne dass ein Tisch in der Nähe ist. Unmittelbar danach kommt seine Frau Marie hinzu und ein Tisch wird gebracht und eingedeckt.

Es wird ein sehr unterhaltsamer Abend. Pierre ist Franzose, seine Frau ist Spanierin und ruckzuck probieren wir quer Beet unsere unterschiedlichen Speisen. Wir unterhalten uns über alles Mögliche.

Dieser angenehme Verlauf des Abends veranlasst mich zu folgender Feststellung:

Ist es nicht schön, dass sich eine Spanierin, ein Franzose und ein Deutscher in einem fremden Land treffen und so entspannt zusammen essen und diskutieren können? Und als ich anfüge, dass unsere Großeltern sich so etwas nicht vorstellen konnten, erwidert Pierre, nicht einmal seine Eltern hätten sich dies vorstellen können.

Na, wenigstens war der Abschluss des Tages positiv.

Und morgen geht’s ab auf die Piste in die richtige Wüste.

 

05.05.2006, Foum-Zguid, 26°, wolkenlos

Dass dieser Tag mit einem Schnitt von 24,9 km/h enden würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Aber der Reihe nach.

Verlasse F.Z. und kurz hinter dem Stadttor geht es links auf die Piste. Heute ist mein Garmin ab der Herberge auf Kartenansicht geschaltet.

Holpere vor mich hin, passiere das bruchgelandete Flugzeug und verfolge aufmerksam die GPS-Angaben. Nein, nicht schon wieder. Ein schleichender Plattfuß und das gleich am Pisteneinstieg. Ohne lange zu überlegen mache ich eine Vollbremsung und kehre zur Herberge zurück. Wird, so hoffe ich, bis zur Herberge halten. Ging ja gestern auch gut.

In der Herberge angekommen vermuten alle, dass ich etwas vergessen habe. Nein Pierre, aber heute ist nicht mein Tag. Beziehe mein Zimmer wieder, flicke meinen Reifen und mache mich mit leichtem Marschgepäck Richtung Norden. Düse an Hunderten von Schulkindern mit einem Puls von 150 vorbei. Nach 20 km habe ich mich ausgetobt und mache kehrt.

Rolle wieder in die Herberge zurück und stelle nach dem Duschen fest, dass Pierre und Marie immer noch da sind. Ihre Kinder sind beide erkrankt und eine Ärztin untersucht sie gerade.

Am Vorabend wollte mir Marie partout nicht sagen aus welchem Ort in Spanien sie kommt. Der wäre so klein, den kennt man eh nicht. Hake heute nochmal nach und sie nennt Pego als ihren Geburtsort. Auf meine Frage, ob es Pego zwischen Valencia und Alicante in der Nähe von Oliva und Ondara sei, antwortet Pierre mit lautem Lachen: Volltreffer.

Die Welt ist eben doch ein Dorf. In diesem Ort war ich schon mehrmals.     

Der Chef der Herberge  

Den Rest vom Tag hänge ich rum, höre Musik, esse und trinke. Werde doch nicht zunehmen?

 

06.05.2006, Foum-Zguid, 26°, bedeckt

Der am Vortag versprochene Kaffee um 07.00h ist noch nicht zu riechen, dafür hallt mir das Schnarchen des Personals entgegen. Nach meinem laut und deutlichen „Sabah el nur“ blicke ich in erschrockene Augenpaare. Also wird es nichts mit dem pünktlichen Aufbruch.

Der Start erfolgt daher erst um 8.30 h und es sind bereits 28°.

Der Einstieg in die Piste ist ja von gestern bekannt, also probiert Werner eine Abkürzung. Zuerst über die Startbahn, weil die so schön eben ist; danach ab auf eine von Mopeds ausgefahrene sich in langen Kurven schwingende schmale Spur. Es macht Spaß und ich bin zügig unterwegs. Na gut, der Pfeil meines GPS will weiter Richtung Süden, aber die Wege werden sich schon noch treffen. Nach geraumer Zeit beträgt der Abstand der beiden Strecken allerdings schon knapp 2 Kilometer, also Querbeet zurück zur Track-Piste. Zuviel Risiko tut nicht Not.

Nach ca. 20 km kommt der vorerst letzte Brunnen. Die Buffs frischmachen und weiter geht es auf eine unangenehme Rüttelpiste.   

Nochmal eine Erfrischung    

Aber was heißt schon unangenehm. Das hat nicht mehr viel mit Radfahren zu tun. Einige Kilometer Geröll und große Steine mag ja mal durchgehen - aber 30 bis 40 km?!. Man muss sich voll und ganz auf das Fahren konzentrieren und hat nur kurze Zeit die Möglichkeit die Landschaft zu betrachten. Wobei da auch nicht viel zu betrachten ist. Trostlose Steinwüste soweit das Auge reicht.     

 

Tja, und so bleibt es die nächsten Kilometer.  

Als in der Ferne ein Gebäude zu sehen ist, es muss der Militärposten sein, wird auch die Strecke besser befahrbar. Der Militärposten beäugt mich, gut erkennbar, mit dem Fernglas.

Als ich in die Nähe komme, springen beide, in wilder Zivilkleidung, den Hügel herunter und begrüßen mich freundlich. Ein kurzer Blick auf den Pass und unaufgefordert zeichnen sie mir die nächsten Punkte in der Umgebung mit Kilometerangaben in den Sand.

Arme Schweine, Dienst mitten im Nichts.  

Fahre noch etwas durch die ersten Sanddünen und kurze Zeit später erreiche ich den ausgetrockneten Lac Iriki. Dieser ist brettflach und ich sehe seit langer Zeit mal wieder 20 aufwärts auf meinem Fahrradcomputer.

Im Süden sehe ich lang aufgereiht eine Karawane. Oder etwa Luftspiegelungen. Wenige Minuten später habe ich Gewissheit, keine Fata Morgana, tatsächlich eine Karawane mit mehr als 20 Kamelen. Ein Anblick, den ich nie vergessen werde. Leider kreuzen sich unsere Wege nicht, es sieht so aus, als wenn sie direkt Richtung Mhamid unterwegs wären.

Kaum habe ich mich an die einfache Fahrt gewohnt, sehe ich in der Ferne den Turm einer Moschee. Und dies bedeutet Wasser. Kaum habe ich etwas beschleunigt, führt die Piste in ein Kornfeld, das quer zur Pistenführung gepflügt ist.

Vorbei mit der schnellen Fahrt. Und nicht nur das. Die Fahrzeuge, in deren Spur ich fahre, haben anscheinend nacheinander gewendet. Und ich stehe im lockeren Sand. Eine Weiterfahrt ist nicht möglich und mir tut es auch um die Arbeit der Landwirte leid. Also drehe auch ich und umfahre das Feld großräumig.

Endlich in Zaoui Sidi Abd el Dingsbums angekommen, stelle ich fest, dass der Brunnen bei der Moschee kein Wasser mehr hat. Die Dorfbewohner amüsieren sich als der Ungläubige, klever, wie er nun mal ist, nach einer Armatur sucht, um diese zu öffnen. Auf der Rückseite befindet sich auch der gesuchte Hahn. Nur der ist schon offen. Also, definitiv kein Wasser.

Gegenüber der Moschee ist die einzige kleine Boutique des Ortes und da bekomme ich eine lauwarme Cola. Ruckzuck bin ich von einigen Kindern umringt, allerdings wird nicht gebettelt, sondern mit großen Augen neugierig geschaut, was der Fremde so macht. Ja, was mache ich jetzt, ohne frisches Wasser? Gerade als ich mich entschließe weiterzufahren um einige Kilometer hinter dem Ort dann mein Zelt aufzuschlagen, werde ich von einem jungen Mann angesprochen. Es ist, wie sich später herausstellt, Hroura Mouhamed, der Muezzin. Mir kommt er etwas zu jung dafür vor, aber was soll es. Immerhin bietet er mir ein Omelett an und als wir in seiner Lehmhütte ankommen, meint er „Sein Haus wäre auch mein Haus“. In meinem Zelt kann ich immer noch schlafen und ich bin ja hier um was zu erleben, also, bedanke ich mich für sein Angebot und nehme es an. Sein Onkel Ibrahim trinkt mit mir Tee und als er erfährt, dass ich ein „Almani“ bin, höre ich, wie so oft in Marokko, das Deutschland gut ist.   

 

Ibrahim und ein müder Almani  

Nach dem Essen und einer Katzenwäsche, Wasser ist hier ein kostbares Gut und ca. ein Liter reicht auch, gehe ich ein wenig spazieren. Auf dem Rückweg fällt mir auf, dass seine Lehmhütte nicht nur die Schönste ist, sondern auch die einzige, die komplett mit einer, wenn auch nur einen Meter hohen, Lehmmauer umzäumt ist. Ibrahim geht nach Hause und Mouhamed setzt sich auf sein Moped und fährt zum Abendgebet in die Moschee. Also setze ich mich allein vor das Anwesen und genieße den tollen Ausblick in die Sahara. Das erste Mal habe ich das Gefühl, ich bin in Afrika.     

„meine“ Lehmhütte   

 

„mein“ Ausblick  

 

„mein“ Bett   

Es wird relativ schnell dunkel und ich richte mein Nachtlager. Da steuert ein Landrover auf die Hütte zu. Der Beifahrer fragt nach Mouhamed und nachdem ich ihm antworte, dass dieser in der Moschee ist, fährt er wieder los. Also, immerhin versucht er es. Denn in diesem Moment kommt eine dieser typischen Reaktionen aus dem Bauch heraus. Werner springt über die Mauer und klopft an die Fensterscheibe des Landrovers. Frage den Fahrer, ob er mich morgen nach Mhamid mitnehmen könnte. Er antwortet sofort mit nein, da er gerade von dort kommt und morgen nach Foum-Zguid fährt. Hartnäckig und mit wehleidiger Miene frage ich nochmals nach. Immerhin macht er jetzt den Motor aus. Also, jetzt nicht nachlassen. Er erklärt mir, dass 90 km durch die Wüste hin und wieder zurück und dann noch die Piste nach Foum-Zguid auch mit einem Landrover für den nächsten Tag relativ viel wäre. Frage mich zuerst, ob er nur mehr Geld will, und dann frage ich mich selbst, warum ich plötzlich nicht mehr mit dem Rad fahren will. Ich tendiere gerade wieder zur Radtour, als ein älterer Mann vorbeikommt. Und dieser diskutiert relativ lange mit dem Fahrer. Später bekomme ich die Übersetzung. Der alte Mann will auch am nächsten Tag nach Mhamid. Dort liegt sein Sohn, der vor 2 Tagen von einer Schlange gebissen wurde, im Krankenhaus. Nur der Alte hat kein Geld und bietet daher dem Fahrer einen Monat lang jeden Tag eine Kanne Ziegenmilch. Und aus der gestenreichen Unterhaltung habe ich mitbekommen, dass der Fahrer dem Alten klargemacht hat, das sein Auto Diesel und keine Ziegenmilch braucht. Aber da kann ja der Almani weiterhelfen. Also wird erst einmal Tee gekocht und eine Kerze angezündet, denn inzwischen ist es stockdunkel.  

 

Plastik, auch hier

Um es aber jetzt abzukürzen: Die Unterhaltung hat ungefähr gegen 18.30 h angefangen und nach der dritten oder vierten Kanne Tee haben wir uns gegen 23.00 h geeinigt für 500 DH fährt er mich am nächsten Tag, Start um 06.00 h, nach Mhamid. Zwischenzeitlich waren wir max. 8 Personen und jedem neu Hinzugekommenen wurde natürlich die ganze Geschichte von Anfang an erzählt. Es war köstlich.

07.05.2006, Zaouia Sidi Abd en Nebi, 28°, wolkenlos

 

5.30h, die Welt ist schön

 

Um 5.50 h kommt Hassan mit dem Landrover und um 6.08 h erfolgt der Start. Das lässt sich mal gut an und meiner Weiterfahrt von Mhamid nach Zagora am heutigen Tag steht nichts mehr im Wege.  

Da kommen allerdings sehr schnell berechtigte Zweifel, ob mein Zeitplan einzuhalten ist, denn nach 2 km (in Worten zwei) biegen wir im rechten Winkel von der Route nach Norden ab. Auf meine Frage, ob dies der direkte Weg nach Mhamid sei, bekomme ich die Antwort, dass wir kurz bei dem Vater von Hassan vorbeifahren, da dieser noch keinen Almani (Deutschen) gesehen hat. Na ja dann, auf zum Vater des Chauffeurs. Mitten im Nichts stehen zwei Lehmhütten und davor sitzt der Vater Hassans auf einem Teppich. Dort Platz genommen, wirft mir der ältere Herr zuerst ein Stück Fladenbrot zu und schenkt mir aus einer Teekanne, deren Ausguss kurz zuvor von einem Zicklein mit der Zunge gereinigt wurde, Pfefferminztee ein. Danach wird noch eine Ziege gemolken und ich bekomme erfrischende Milch gereicht. Ok, warme Ziegenmilch bei diesen Temperaturen ist nicht wirklich erfrischend aber immerhin nahrhaft. Inzwischen ist auch ein Omelett zubereitet worden, sodass wir nach einiger Zeit gestärkt weiterfahren können.

Wobei sich dieses Weiterfahren immer nur auf kürzere Entfernungen bezieht. Will meinen, auf der folgenden Strecke zur Heiligen Quelle sind wir noch dreimal eingekehrt. Beim Schwager von Hassan gab es allerdings nur Tee, während es bei zwei Nomadenfamilien (so richtig mit Zelt und so) wieder das volle Programm der Begrüßung mit anschließendem Omelettessen gab.

Bei der zweiten Pause wurde ich etwas unruhig, wollte ich doch ab Mhamid noch mit dem Rad nach Zagora weiter. Aber ab der dritten Pause fügte ich mich in mein Schicksal und genoss diesen Tag in vollen Zügen. Obwohl wir uns kaum verständigen konnten, hatte ich immer das Gefühl mittendrin zu sein. Musste bei jeder Pause allen erzählen, wo ich in Marokko gestartet war, welche Strecke ich gefahren bin und wohin die Reise weiter geht. Das Übliche also. Nur habe ich dies halt noch nie so oft an einem Vormittag erzählt.

Dann erreichen wir die Heilige Quelle. Mitten in der Wüste eine kleine Oase, die zum Schutz vor dem Sand, rundum von einer Mauer umgeben ist. In der Nähe des Eingangs ist die Quelle. Maximal einen Meter im Durchmesser speist sie dieses Fleckchen Erde mit dem so kostbaren Wasser. Und in diesem kühlen Wasser tummeln sich Frösche und Fische.   

Oasis Sacrée  

In Sichtweite von Mhamid bogen wir letztmalig von der Piste ab. Diesmal war es keine Verwandtschaft, sondern Besuch bei einem Freund. Während wir bisher immer vor dem Zelt bzw. der Lehmhütte Platz nahmen, ging es diesmal in die Lehmhütte. In der sah ich zum ersten Mal so etwas wie Dekorationsgegenstände, aus Schilf geflochtene Körbchen etc., an den Wänden.

Und hier wurde so richtig aufgetischt. Erst gab es frisch gepressten Orangensaft, danach Fladenbrot mit Orangenmarmelade, dazu einen Tee und dann zur Abwechslung ein Omelett.    

Der Rest vom Essen
 

Es war einfach schön mit diesen Leuten in Kontakt zu kommen. Die älteren Männer hatten sehr interessante Gesichtszüge, die eine Ruhe und auch eine gewisse Weisheit ausstrahlten.

Die Frauen und Mädchen waren alle verschleiert, aber ihre großen dunklen Augen, die auch noch durch die schwarz geschminkten Augenlider besonders hervorgehoben waren, hatten etwas Faszinierendes. Bei fast allen Frauen waren die Hände und Füße rotbraun eingefärbt und Einige hatten die Handinnenflächen bemalt. (Henna oder tätowiert?)

Deutlich später als geplant kam ich in Mhamid an. Immerhin musste ich mir keine Gedanken um die Verpflegung machen, ich war satt. Das Hotel El Ghizlane (150 DH Ü + F) war schmuddelig. Im Gegensatz dazu war die Bewirtung sehr freundlich. Man kann nicht alles haben.

Ach ja, während der Fahrt mit dem Landrover habe ich mich mehrmals beglückwünscht, dass ich mich am Vorabend mit Hassan geeinigt hatte. Neben dem toll Erlebten habe ich mir recht lange Schiebepassagen durch die Sanddünen erspart. 

 

 

08.05.2006, Mhamid, 26°, wolkenlos

Bei strahlendem Wetter und mit zwei vom Chef geschenkten Flaschen Sidi Ali, die auch noch tiefgefroren waren, ging es los Richtung Norden. Einige Sandverwehungen am Anfang der Strecke verhinderten zunächst eine flotte Fahrt, aber nach 10-15 km ging es recht zügig Richtung Zagora. Nach dem ersten Anstieg hatte ich zwar die ersten Palmenhaine erwartet, aber dem war nicht so. Kurz darauf habe ich meinen vierten Plattfuß. Aus irgendeinem Grund mache ich ein Foto von der Panne. Das hätte ich mal früher tun sollen. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte, es war nicht nur der letzte Platten, sondern ich hatte bis Agadir auch sonst keine Probleme mehr mit dem Rad.

Was die Landschaft betrifft, kam keine richtige Abwechslung. Es war wie bei Tata so eine Steinwüste. Und heute kam der Wind ausnahmsweise von Norden. Also, wieder Gegenwind.

Bin froh, dass ich den Triathlonlenker habe. Kopf runter und treten.

Recht schnell wird es heute 38°, aber durch den Wind ist es gut zu ertragen. Kurz vor Zagora fällt mir am Straßenrand ein relativ neues Hotel auf. Das müsste das Hotel sein, in dem einige Forumsmitglieder waren, aber ich mag es lieber in den Ortschaften, also weiter. Bekomme plötzlich Lust auf einen Pool. Und kurz nach der Ortseinfahrt sind dann auch einige, eher luxuriösere, Hotels rechts und links der Straße. Die machen mich allerdings alle nicht an, bis plötzlich das Hotel Reda auftaucht. Spontane Entscheidung: Das ist es.

Die Empfangshalle lässt schon erahnen, das wird heute nicht billig. Man nennt mir 660 DH für die Übernachtung ohne Frühstück. Ich schlucke und schüttle mit dem Kopf. Der Direktor wird gerufen und relativ schnell einigen wir uns auf 500 DH mit Frühstück, immer noch teuer für Marokko, aber der Schuppen ist es mir Wert. Kurz nach dem ich mein schönes Zimmer und das Hotel besichtigt habe gehe ich zur Rezeption und erweitere auf zwei Nächte. Irgendwie kann ich mich mit Luxus schnell anfreunden.

Duschen, Trinken, Klamotten waschen, Schwimmen und eine Stunde später geht es ab in die Stadt. Das Hotel liegt etwa 500 m vom Gouverneurspalast entfernt und dieser ist, je nach Sichtweise, am Ende bzw. am Anfang der breiten Hauptstraße von Zagora. Gleich nach dem Verlassen des Hotels werde ich von einem Mopedfahrer angesprochen, ob er mich in die Stadt fahren soll. Ich lehne ab. Auch der nächste Mopedfahrer hält und bietet mir an mich in den Ort zu fahren und ruckzuck sitze ich mit auf dem Moped. Als er erfährt, woher ich komme, spricht er auf einmal perfekt Deutsch. Abdullah hat 5 Jahre in Köln gelebt. Er setzt mich ab und erklärt mir, wo es was Gutes zu Essen gibt. Er lädt mich zu einem Fest, das am Abend stattfindet, ein und für den nächsten Tag verabreden wir uns, damit er mir die Palmearie von Zagora zeigen kann. Das Restaurant ist das schon im Reiseführer erwähnte „Roses de Sable“ (alles frisch, sehr gut, freundliche Bedienung, und günstig). Abdullah kommt kurz vorbei, ich sage das Fest ab, aber für den Rundgang am nächsten Tag verspreche ich zu kommen.

Ach ja, da war noch mein Erlebnis in dem oben genannten Restaurant. Obwohl ich schon eine Woche in Marokko bin, gehe ich, ohne lange nachzudenken auf die Toilette. Ohne nachzudenken heißt ohne Papier. Dies wird mir allerdings zu spät bewusst. Denn außer einem kleinen Eimer mit Wasser gibt es da nichts. Und vor der Toilette warten schon die Nächsten. Die einzige Lösung ist also die mit der linken Hand. Ich denke mir: „Augen zu und durch“ als mir auffällt, dass es vor dem WC ziemlich ruhig geworden ist. Also, vorsichtig die Tür auf und mein Hoffen wurde bestätigt. Vor der Toilette waren noch zwei kleine Zeitungsfetzen. „Puh“, noch mal gut gegangen.

 

09.05.2006, Zagora, 28°, wolkenlos                  - Pause -

Schon wieder ein Pausentag. Gehe relativ früh in die Stadt. Heute geht’s bewusst in die Viertel abseits der großen Hauptstraße. Aus den mobilen Garküchen steigt schon Dampf und Rauch auf und sehr intensive Gerüche kommen mir entgegen. Ein Marokkaner, den ich nach einem Geschäft für Flickzeug frage, geht mit mir kreuz und quer durch die Innenstadt und entschuldigt sich mehrmals bei mir, dass wir erst im fünften Laden fündig wurden. Beim Restaurant von gestern bestelle ich für später mein Essen und pünktlich kommt Abdullah und wir machen einen ausgedehnten Spaziergang durch die Palmearie.  

Danach trinken wir etwas zusammen, ich gehe Essen und der Rest ist faul am Pool liegen und Musik hören.

 

10.05.2006, Zagora, 26°, wolkenlos

Nach knapp einem Kilometer komme ich an dem bekannten Schild, das noch an die Zeiten erinnert als die Handelskarawanen durch die Sahara zogen, vorbei. Die Aufschrift lautet „52 Tage bis Timbuktu“. Mache ein Foto und lasse mich fotografieren und verlasse Zagora in entgegengesetzter Richtung. 

 

 

Der kleine Torbogen ist extra für Radfahrer

Endlich kommt mehr grün. Fahre durch das Draatal Richtung Agdz. Es gibt immer mehr Palmen und der grüne Gürtel rechts und links vom Fluss Draa wird breiter. Den Fluss selbst gibt es aber schon nicht mehr. Nur noch vereinzelt steht etwas Wasser in den Senken. Immer wieder sieht man markante Kasbahruinen auf kleinen Hügeln im Draatal. Jetzt ist es absolut orientalisch.   

 

 

Einziger Wehrmuttropfen: Diese Kinder. Nein, an diese Stylo-Kinder kann und will ich mich nicht gewöhnen. So stark wie hier war es bisher noch nicht. Eine richtige Plage.

Fast in jedem dieser etwas schmutzig wirkenden Dörfer kommen die Kinder aus allen Ecken.

Und man hört zuerst:             „Bonjour, Monsieur, ca va, ca va bien“

Und dann nur noch:               „Monsieur, un Stylo“, „un Dirham“, „un Bonbon“

Immerhin komme ich dadurch zügig voran, denn an ein Anhalten ist in diesen Orten nicht zu denken. Erreiche zur Mittagszeit Agdz. Na dann wird heute aber sehr früh ein Quartier bezogen. Auf dem Hauptplatz von Agdz, dieser Ort lädt eigentlich nicht zum Verweilen ein, macht mich kein Lokal so richtig an. Halte an einen Friseurladen und frage nach einer guten Möglichkeit zum Essen.

Er empfiehlt mir ein Lokal, das ich nun wirklich nicht weiterempfehlen kann. Das Essen ist zum ersten Mal in Marokko so richtig schlecht. Eine reine Nahrungsaufnahme. Die Lösung meines Problems kommt aber schon recht bald in Gestalt einer Bettlerin auf mich zu. Der Chef vom Restaurant will sie vertreiben, aber ich gebe ihm zu verstehen, dass es mich nicht stört. Sie möchte Dirham und ich biete ihr die Hälfte meines Essens an.

Die Bettlerin überlegt nicht lange und hat es ruckzuck aufgegessen. Vom Restaurantbesitzer bekommt sie sogar noch eine Portion Pommes Frites dazu. Mein Teller war leer und ich hatte nicht mal ein schlechtes Gewissen.

Fahre weiter zu dem im Reiseführer empfohlen Campingplatz „Camping Kasbah de la Palmeraie“. Der Campingplatz selbst ist etwas trostlos und öde, aber ich will ja auch in einem Zimmer in der alten Kasbah übernachten. Für 150 DH bin ich dabei. Kein Luxus wie in Zagora, aber hier zählt auch mehr das Ursprüngliche.

Die Kasbah, sowie die noch bewirtschaftete Palmeraie mit Getreide- und Gemüseanbau, zwei Lehmbacköfen sowie ein Brunnen, ist komplett von einer Lehmmauer umgeben. Auch stehen unzählige schattenspendende Palmen auf diesem großen Areal. Neben der Kasbah ist der frühere Gästetrakt. Dessen Zimmer, die um einen Innenhof gruppiert sind, können heute von Reisenden genutzt werden. Früher sollen in der gesamten Kasbah mit den Familienmitgliedern und Bediensteten 70 Menschen gelebt haben.

Um es etwas reserviert auszudrücken, es war wunderschön.     

 

Da sind sogar die Stylo-Kinder schnell vergessen. Heute hat Marokko aber mal so richtig gepunktet. Zuerst im Draatal und jetzt hier. Zu allem Überfluss ist der Besitzer sympathisch und das Essen schmeckt ebenfalls sehr gut.

11.05.2006, Agdz 20°, wolkenlos

Kurz hinter Agdz geht es gleich bergauf, nur damit hatte ich heute überhaupt nicht gerechnet. Ich dachte das Draatal geht bis nach Ouarzazate. Obwohl dies meine erste GPS unterstütze Tour ist, fällt mir auf, dass ich auf der ganzen Reise (außer in Agadir vor dem Start) noch nicht auf die Landkarte geschaut habe. Der Vorteil war, dass ich relativ zügig durch die Ortschaften gefahren bin, ohne mich lange an Schildern aufzuhalten. Aber jetzt merke ich, man sollte vielleicht doch am Abend mal kurz auf die Landkarte schauen, um die nächste Tagestour etwas vorbereiteter zu starten.

Also geht es erst mal über den Tizi-n-Tinififft Pass auf 1.660 m Höhe. Entschädigt werde ich immerhin durch tolle Blicke in Schluchten und auf diese fantastischen Gesteinsschichten. Kurz vor dem Pass in einer kleinen Parkbucht kommen doch gleich drei Jugendliche und wollen mir Datteln verkaufen. Viele potenzielle Käufer gibt es hier auch nicht. Ich wurde bisher nur von 5 Autos bzw. LKW überholt. Habe mir den Verkehr schlimmer vorgestellt.    

 

Und dann kommt eine traumhafte Abfahrt, bei der ich total das Fotografieren vergesse. Das schöne Hochplateau hätte es wahrlich verdient. Liege immer öfter über meinem Triathlonlenker und stampfe über die leichten Bodenwellen vor mich hin. Kurz danach kommt der bisher hässlichste Teil, den ich bisher in Marokko gesehen habe.

Die Landschaft selbst kann nichts dazu. Nur ist diese Landschaft über mehrere Kilometer verschandelt durch Plastiktüten (meist schwarze Einkaufstüten), die in den niedrigen Büschen hängen und vor sich hinflattern. Die Vorboten der Stadt Ouarzazate (sprich: Uarzazate) und der Zivilisation. Und der Lärm, den diese Tüten im Wind (natürlich Gegenwind) machen, ist extrem.

Und da sehe ich sie auch schon in der Ferne. Sie liegt auf einem ca. 1.100 m hohem Wüstenplateau. Hier beginnt auch die berühmte „Straße der Kasbahs“. Gleich nach dem ich in die Stadt fahre, sehe ich ein Hinweisschild nach Skoura und da mein GPS der gleichen Meinung ist, fahre ich rechts ab. Hab keine Lust auf eine große Stadt. Also weiter.

Mache einen kurzen Stopp um einen Tee zu trinken und frage nach der Kasbah von Taurirt, eine der größten Lehmburgen des Landes. Man erklärt mir, dass diese an der P 32 Richtung Skoura auf der linken Seite wäre und ich sie nicht verfehlen könnte. Kaufe mir noch 2 Flaschen Sidi Ali (das Mineralwasser Sidi Harazem schmeckt mir nicht) und fahre weiter. Will nur raus aus diesem Ort, der mir zu laut und zu groß ist. Daher kommt es wohl auch, dass ich die Kasbah von Taurirt nie zu sehen bekam. Schade.  

Dafür kommt jetzt ein Streckenabschnitt, der für mich, nicht nur wegen des Gegenwinds, der wahre Horror war. Kasbahs sah ich auf diesem Teil der „Straße der Kasbahs“ keine, aber Plastiktüten so weit das Auge reicht. Diese Gegend baumlos zu nennen, wäre etwas untertrieben, sie ist fast strauchlos. Und an den wenigen Sträuchern hängen dann diese wunderschönen Plastiktüten. Und vor allem nimmt der Verkehr sehr stark zu. Rechts sehe ich einen See. Am Abend beim Blick auf die Karte sehe ich, dass es der Stausee „Barrage el Mansour Eddahbi“ (= der Siegreiche und der Vergoldete) gewesen ist. Naja, statt Gold sah ich nur Plastik. Aber vielleicht ist ja das Plastik das Gold der Zivilisation.

Nebenbei kommen auch die ersten Wolken, seit ich in Marokko bin.

Die nächste Ortschaft muss Skoura sein. Dass ich heute bis hierher komme, hätte ich am Anstieg zum Pass nicht gedacht. Hier soll es ein nobles Hotel geben, aber heute wird gespart. Ich steige in einer Herberge (100 DH mit Dinner aber ohne Frühstück) ab.      

Hoffentlich rollen die nicht runter

 

12.05.2006, Skoura, 26°, leicht bewölkt

Unmittelbar vor der Herberge schaue ich auf meine Landkarte. Da hält ein Taxi und lässt alle seine Gäste aussteigen. Noch keine fünf Minuten später ist mein Rad eingeladen und für 150 DH, wahrscheinlich viel zu teuer, fahren wir die restlichen knapp 75 km nach Boumalne-Dades.

Diese spontanen Entscheidungen häufen sich etwas. Dirigiere den Fahrer direkt auf ein im Reiseführer empfohlenes Hotel. Gestern sparen, heute prassen.

Das Hotel „Kasbah Tizzarouine“ liegt auf einem Hügel oberhalb von Boumalne und hat einen grandiosen Ausblick über das Tal und auf den Hohen Atlas. Daher mache ich mal eine Ausnahme und übernachte nicht im Ort direkt. Zumal, und dies bestätigt sich am nächsten Tag, dieser Ort nicht gerade einlädt, um im Ortszentrum zu verweilen.

Habe die Auswahl zum gleichen Preis entweder in Zimmern der Kasbah oder in einer Höhle (Troglodyten lt. Reiseführer) zu übernachten. Entscheide mich für ein höhlenartiges Zimmer, in der Hoffnung einen schönen Sonnenuntergang direkt von der Höhle aus zu sehen.

Bin heute ohne Frühstück gestartet und hier im Hotel gibt es keines mehr. Frage trotzdem mal beim Personal nach, ob noch eine Kleinigkeit möglich wäre. Ich müsse mich gedulden, aber sie können es nicht sicher zusagen.

In der Zwischenzeit bringe ich mein Gepäck und das Rad in die Höhle, als ich zurückkomme, ist an dem Tisch mit der besten Aussicht gedeckt. Das absolut beste Frühstück auf meiner bisherigen Reise. Und dazu dieser Ausblick.    

 

Gegen Mittag fahre ich dann mit kleinem Marschgepäck in Richtung Dadesschlucht. Die Stadt Boumalne Dades reißt mich nicht vom Hocker, also gleich weiter in das Tal des Dades. Gleich wird mir klar, hier muss öfter angehalten und fotografiert werden. Das Draatal vor Agdz war schön jedoch hier wird alles Bisherige überboten.

Rote, gelbe und ockerfarbene Felsen rechts und links, mittendrin fließt der Dades und eingerahmt wird der Fluss von weitläufigen Feldern in allen erdenklichen Grüntönen. Dazu gibt es noch massenhaft Dattelpalmen. Dazwischen stehen immer wieder verfallene und auch bewohnte Kasbahs. Was für eine Kulisse. Orient pur.  

 

Ich möchte immer weiter fahren und muss mich mit aller Gewalt stoppen, damit ich umkehre. Heute war ja nur eine kleine Schnupper- und Erkundungstour angesagt.

Fahre begeistert zurück, um noch ein wenig Boumalne zu erkunden. Im Hotel setze ich mich an den Pool um meine Aufzeichnungen auf den aktuellen Stand zu bringen und genieße auch von hier aus einen tollen Ausblick.

Ich habe zwar gehofft, dass ich vor meiner Höhle einen schönen Sonnenuntergang genießen kann, aber das ich dies, bei geöffneter Tür, sogar von meinem Bett aus erleben kann, war fantastisch. Beim Sonnenuntergang wird die ganze Landschaft für kurze Zeit in einen von gelb in rosa übergehenden Ton getaucht. Schööööön.     

 

 

Musikalisch begleitet wurde dies von Andreas Vollenweider – Caverna Magica.

 

13.05.2006, Boumalne, 24°, wolkenlos  

Da ich heute nicht packen muss, kann ich mir den Luxus erlauben, den Tag musikalisch zu starten. Obwohl ich die Tür wieder öffne, höre ich von City – Am Fenster.

Später frühstücke ich alleine auf der Terrasse und könnte stundenlang die Aussicht genießen.

Dades-Schlucht, die Zweite. Auch bei der zweiten Fahrt in diese Schlucht bin ich begeistert. Muss überraschend lange fahren, bis ich an den Punkt gelange, an dem ich gestern umgekehrt bin. Hätte nicht gedacht das ich schon so weit war.

Komme wieder an diese Felsformationen, die mich gestern so fasziniert haben. Wie von Bildhauern modelliert. Eine dieser „Skulpturen“, die ich gestern als einen Mönch entdeckt habe, erscheint mir heute als Frosch. Ich sehe Hände, Füße, Pilze und bei längerem Betrachten taucht auch eine Eidechse auf. Ja und plötzlich ist da sogar ein Elefant zu sehen. Ganz deutlich, ein Elefant.    

 

 

 

Bin mir sicher, wenn ich morgen nochmals vorbei käme, würde ich wieder andere bzw. neue Sachen entdecken.

Heute, so scheint es mir, ist etwas mehr Betriebsamkeit wie gestern. Sehe überall Frauen die mit ihren hoch beladenen Körben am Rande der Straßen gehen. Andere treiben ihre, ebenfalls hoch beladenen, störrischen Esel an. Dabei tragen sie Gewänder mit sehr schönen Farbkombinationen. Eigentlich zu schade zum Arbeiten. Frauen waschen am Ufer des Dades Wäsche und legen diese zum Trocknen über die Büsche. So entstehen an vielen Stellen zusätzliche abwechslungsreiche und sehr bunte Bilder.

Nach einigen Kilometern wird das Tal immer enger. Ich muss kurz vor der Schlucht mit seiner imposanten Straße sein, die sich in engen Serpentinen nach oben zieht. Kurz hinter diesem Minipass geht es gleich wieder hinab und gleich danach wird das Tal auch wieder etwas breiter.    

 

Immer wieder fasziniert der Kontrast zwischen der kahlen Felsenlandschaft rechts und links und dem Grün der landwirtschaftlich benutzten Felder. Wenig später erreicht man wieder eine maximal zehn Meter breite Stelle, an der die Straße und der Fluss eng und fast auf derselben Höhe nebeneinander verlaufen.  

Dahinter, im wieder breiten Tal, windet sich alsbald die Straße auf die Höhe von knapp über 2.000 m. Vor einem liegt ein Canon und tief im Tal ein schmales Band von Feldern. Es muss sehr mühsam sein, die Produkte dieser landwirtschaftlichen Erzeugnisse abzutransportieren.      

 

Die nächste Abfahrt spare ich mir und kehre wieder um. Des Öfteren wird die Rückfahrt unterbrochen, um das eine oder andere Foto zu machen. Dies mit dem Fotografieren wird nach einer Kurve jäh unterbrochen. Fahre mit knapp 30 Sachen mit dem Vorderrad in den unter Sand verborgenen, und daher für mich nicht erkennbaren, Spalt zweier Betonplatten. Mit dem Ergebnis, dass das Vorderrad abrupt abbremst, aber das Hinterrad es etwas eiliger hat.

Bin gerade aus den Klickis und will das Rad alleine weiterfahren lassen, da ist der Spalt zu Ende und es gibt kein Halten mehr. Mache mit der linken Körperseite, vom Knöchel bis zur Schulter, eine Rutschpartie über den Asphalt. AUTSCH!

Zwei Frauen, denen ich vorher noch artig ‚Salam’ zugerufen habe, setzen sich erschrocken auf eine Mauer und nehmen die Hände vors Gesicht. Ich kümmere mich derweil um mein Rad und zu meinem Erstaunen kann ich außer einigen Lackschäden und einem abgeknickten Fahrradständer keinen Schaden erkennen. Plötzlich nimmt eine der Frauen ihren Korb ab, geht zügig über die Straße und springt die Böschung hinab. Kurz darauf sehe ich ihre Hand und darin hält sie meine Fahrradbrille. Auch die Brille hat den Sturz gut überstanden. Jetzt kommen aber langsam die Schmerzen. Verabschiede mich noch schnell von den Frauen und fahre an den Fluss. Stelle mich mit Schuh ins Wasser zum Kühlen. Der Knöchel sieht am schlimmsten aus. Wasche und kühle meine geschundenen Körperteile. Jetzt merke ich erst, dass es die Hüfte am stärksten getroffen hat. Mit dem wassergetränkten Forums-Buff unter der Radhose fahre ich weiter. Einige Kilometer später erreiche ich ein Restaurant und bekomme noch vor der Bestellung einen Wasserschlauch an meinen Tisch auf der Terrasse gebracht. Diese Möglichkeit der Kühlung nutze ich während der nächsten Stunde ausgiebig.

Sie sind schon aufmerksam diese Marokkaner.

 

Hier gefällt es mir

 

Als ich später im Hotel ankomme, fällt mein etwas unrunder Gang auf. Kaum in der Höhle angekommen, geht’s unter die Dusche und ständig klingelt das Telefon. Beim dritten Mal gehe ich dran. Der Hoteldirektor will wissen, wie es mir geht und kurz darauf bringt jemand Desinfektionsmittel vorbei. Beim Abendessen erkundigt man sich nach meinem Wohlbefinden und erklärt mir, dass selbstverständlich alle Getränke aufs Haus gingen.

Zum Abschluss des Tages gibt es noch etwas Touristisches. Eine Gruppe spielt mit diversen Trommelinstrumenten. Nach der ersten Pause werde ich angesprochen, ob ich Lust hätte, mitzuspielen. Nach kurzem Zögern und Kopfschütteln bekomme ich dann doch Lust. Immerhin habe ich ja durch meine Bongos zu Hause etwas Vorkenntnis. Das Ganze nehme ich noch mit meinem MP3-Player auf. Werde so platziert, dass ich im rechten Winkel zu dem Musiker sitze, der den sich wiederholenden Grundrhythmus spielt. Die ersten Minuten klappen auch ganz gut.

Doch dann steigert sich das Tempo und die Rhythmik. Ich steige mit meiner „Fehlbekleidung“ aus und lausche den nun hypnotisch werdenden Klängen.

 

 

14.05.2006, Boumalne, 24°, wolkenlos

Richtig gut geschlafen habe ich nicht, da jegliche Bewegung mit Schmerzen verbunden war, will aber trotzdem heute nach Tinerhir fahren. Sind ja nur knapp 60 km.

Der Tag fängt gut an, denn beim Bezahlen kommt der Hoteldirektor hinzu und erwähnt, dass ich ja sturzbedingte Unannehmlichkeiten gehabt hätte. Ob ich statt der 430 DH mit 380 DH (ÜF + D, und das Dinner war zweimal vorzüglich) für die Höhle einverstanden wäre? War ich.  

Heute ist stürmischer Gegenwind. Bin froh, dass heute nur eine kurze Etappe von rund 60 Kilometern nach Tinerhir bevorsteht. Wieder so eine reine Überführungsetappe. Die Landschaft ist nicht gerade abwechslungsreich. Einzelne Büsche, viele Steine und sonst nichts.

Tinerhir erscheint mir städtischer als Boumalne. Gleich am Ortseingang kommt eine Reihe größerer Hotels, an denen mir sofort auffällt, dass sie alle, neben vielen Europäischen auch die amerikanische Flagge gehisst haben. Auch daran sieht man, wie liberal Marokko ist, im Gegensatz zu vielen anderen arabischen Staaten. Wobei mein Vergleich auch sehr von den Medien geprägt ist. Und dadurch entsteht der Eindruck, dass in vielen islamischen Staaten die US-Flagge doch des Öfteren verbrannt wird.

Da ich mit den empfohlenen Hotels bisher gut gefahren bin, frage ich einen netten Polizisten nach der Hotel „Tomboctou“. Dieses ist in einer alten Lehmkasbah untergebracht. Nach außen hat sie nur wenige Fenster und die Fassade ist unscheinbar, aber innen gibt es einen herrlichen Hof mit Springbrunnen und mosaikverzierten Böden, dazu ein wahres Blumen- und Pflanzenmeer. Im Inneren der Kasbah ist es dunkel, nach dem Motto je weniger Licht desto kühler. Im Hof ist eine Art Berberzelt aufgebaut mit Sofas und unzähligen Kissen. Dieses Zelt dient als Speiseraum. Komme gerade richtig zur Mittagszeit und kann sofort zuschlagen. Die Tajine mit Huhn und Mandeln schmeckt gut, wie fast immer, wenn ich in Marokko etwas Warmes bekommen habe. Anschließend genieße ich vom Dach der Kasbah den tollen Rundumblick über Tinerhir.

 

15.05.2006, Tinerhir, 26°, wolkenlos

Unerbittlich weckt der Muezzin um 4.30h die Gläubigen und mich Ungläubigen mit seinem Ruf vom Minarett. So laut hab ich bisher noch keinen gehört. Ein minutenlanger monotoner Singsang bis endlich „allahu akbar“ („Allah ist größer“) kommt. Der hat sich aber Mühe gegeben. Extra für mich so eine lange Sure ausgesucht. Respekt. Ob er mitbekommen hat, dass ich ihn mit meinem MP3-Player aufgenommen habe?

Heute geht es in die Todraschlucht. Wieder mit leichtem Gepäck und deutlich weniger Schmerzen fahre ich zur nächsten Attraktion. Relativ früh stelle ich fest, dass ich alles mit der Dades-Schlucht vergleiche. Schlecht für die Todra-Schlucht. Sie wirkt auf mich, alles in allem, deutlich karger und unscheinbarer. Nicht, dass es nicht schön wäre, aber die andere Schlucht war eben absolute Spitzenklasse.     

 

Komme an die engste Stelle der Schlucht, an der die 300 Meter hohen fast senkrecht abfallenden Felsenwände nur knapp 10 Meter voneinander entfernt sein sollen. Hier erlebe ich zum ersten Mal in Marokko, die Stadt Agadir natürlich ausgenommen, Tourismus. Allerdings sind die Marokkaner deutlich in der Mehrheit.   

 

 

Fahre nach dieser Engstelle noch ca. 10 km weiter durch das enge Tal, immer entlang an einem ausgetrockneten Flussbett, um dann allerdings schnurstracks die Rückfahrt nach Tinerhir anzutreten.

Am späten Nachmittag geht’s in den Souk von Tinerhir. Dieser ist verwinkelt und voller Menschen. Und das Schöne ist, dass niemand mich wahrnimmt. Keiner spricht mich an oder will mir etwas verkaufen. Gehe zwischen Gemüse- und duftenden Gewürzständen in den Bereich der Fleischer. Hier hängen überall Ziegenköpfe. Dann komme ich in das Viertel der Lederwaren. Am Ausgang des Souks werden die Straßen wieder breiter und es kommt eine Schlosserei nach der anderen, verbunden mit dem dazu gehörigen Lärm und Funkenflug.

 

16.05.2006, Tinerhir, 26°, wolkenlos

Verlasse Tinerhir Richtung Osten um nach ca. 20 km die letzte Piste dieser Reise nach Alnif anzusteuern. Laut Jan Cramer vom Rad-Forum ist diese Piste eine einfache Einsteigerpiste. Und er hat Recht. Auf knapp 45 km gibt es eine Wegegabelung. Und diese Strecke bietet 2 Mini-Café und 2 Brunnen. Und wenn man sie von Tinerhir in Richtung Alnif fährt, ist es nach dem ersten Berg eine einzige Abfahrt. Hab mich im Dorf vor dem einzigen Anstieg noch mit Getränken eingedeckt und konnte die schöne Landschaft bei geringer körperlicher Belastung richtig genießen. Nichtsdestotrotz habe ich im ersten Café (Lehmhütte max. 5 x 3 m) eine kurze Rast gemacht. Dort sah ich, dass man auch Plastikmöbel nähen kann. Alle Stühle und die zwei Tische waren mit Draht, wie eine Naht, an den Bruchstellen geflickt worden.  

 

Wer die Wahl hat….

Kurz darauf erreiche ich mit der Ortschaft Alnif den östlichsten Punkt meiner Reise. Ab jetzt geht es in westlicher Richtung zurück nach Agadir.

Esse in Alnif etwas, mache mein Mittagsschläfchen auf den Kissen im Restaurant und fahre weiter Richtung Agdz. Ca. 15 km hinter Alnif, kurz nach dem Ort Tigurna, steht mitten in der Steinwüste ein Hotel. Wirklich nicht sehr schön, aber ich habe einfach keine Lust mehr. Also, hinein. Der Preis von 340 DH für ÜF + Dinner erscheint mir viel zu hoch, aber der Hotelmanager will nicht mit mir handeln. Und ich will nur noch duschen. Also bleibe ich.

Immerhin hat das Hotel einen Pool. Diesen werde ich dann auch noch zweimal in der Nacht aufsuchen. Es war sehr warm und es kühlte überhaupt nicht ab.

 

17.05.2006, Tigurna, 26°, wolkenlos

Da ich gut im Plan bin, ist für heute wieder eine kurze Strecke vorgesehen. In meinem Zimmer war es bis zum Aufstehen 30° und daher starte ich früh.

Die 26°, kombiniert mit dem Fahrtwind, empfinde ich als angenehm kühl. Die Strecke ist flach bzw. leicht abfallend. Der Verkehr ist gleich Null und irgendwie bin ich gut drauf. Rufe jedem, den ich sehe, ein lautes „Sabah el Cher“ zu und radle so vor mich hin. Nach einer Stunde ist mein Schnitt bei 31 km/h und ich versuche mich etwas zu bremsen. Aber es läuft halt wie von alleine und da ich eh nur 80 km fahren will, lasse ich es laufen.  

Die schnelle Fahrt wird durch einen alten Mann unterbrochen. Er steht mit vollbeladenem Moped am Straßenrand und bittet mich, seinen Hinterreifen, der die Luft verliert, aufzupumpen. Er bedankt sich herzlich und lädt mich zu Tee in sein Haus ein. Nur dies liegt 4 km in entgegengesetzter Richtung. Nein, Danke. Und weiter geht es.  

 

reicht die Luft bis nach Hause?

 

Nach knapp 50 km frage ich mich, ob ich auf der Flucht bin. Sogar die Fotos mache ich während der Fahrt und noch immer zeigt mein Schnitt über 30 km/h an. Hoppla, da bin ich sehr früh in Nekob.

Jetzt fällt mir auch der Grund für die schnelle Fahrt auf. Ich bin in Marokko und habe keinen Gegenwind. Toll.

Fahre durch ein Tal, das zur Linken von Tafelbergen und zur Rechten von einem Gebirgszug begrenzt wird. Beide in ungefähr in 1 bis 2 Kilometer Entfernung. Ab und an ein paar Bäume, das war's.

Einige Kilometer hinter Tazzarine mache ich eine Pause. Schäle mir gerade eine Orange, als auf einem Esel Ibrahim die Straße entlang kommt. Nachdem ich ihm „Salam“ zurufe, wechselt er sofort die Straßenseite und kommt zu mir herüber. Das Übliche „woher?, wohin? und welche Nationalität?“, biete ihm die Hälfte meiner Orange und er nimmt sie bereitwillig an. Nach einigen Minuten verabschiedet er sich, dabei fasst er mit der Hand nach hinten in seinen Korb und gibt mir eine ganze Orange. Wünscht mir noch eine gute Reise und reitet davon. Ja so sind sie, die Marokkaner.

 

 

Lege nun meinen Plan für den Rest des Tages fest. Fahre bis zu der Stelle, an der diese Straße auf die Straße von Zagora nach Agdz trifft. An dieser Wegegabelung bin ich schon bei meiner 7. Etappe vorbeigefahren und habe dort eine Herberge gesehen.

Kurze Zeit später düse ich durch Nekob und so langsam nimmt mein Tempo ab. Mein zuvor geänderter Plan für heute steht kurz davor wieder verworfen zu werden. Spiele mit dem Gedanken heute noch bis nach Agdz zu fahren. Das wären dann ungefähr 150 km, aber die letzten 30 km bis Agdz und die Unterkunft in der alten Kasbah sind mir ja bekannt.n Also ist die Ankunftszeit egal, muss ja nichts mehr suchen.

Je mehr ich mich dem Draatal nähere, desto windiger und wärmer wird es.

Kurz nach 12.00 h, und 122 gefahrenen Kilometern, komme ich an der Wegegabelung an.

Vor der Herberge mit dem Restaurant geht es links in einen Palmengarten, von dort winkt mir jemand zu, ich solle doch hier hereinkommen. Ich zögere etwas. Das Restaurant erscheint mir für die Versorgung besser geeignet zu sein, aber der Wind und der Schatten unter den Palmen reizen mich dann doch stärker. Was heißt hier ‚Palmengarten’, das ist ein Garten aus Tausendundeinernacht. Welch ein Kontrast zu der bisher zurückgelegten Strecke. Der Tisch wird nach den Wünschen der Gäste platziert. Toller Service. Bin in diesem Teil des Gartens ganz alleine und kann mein Essen barfuss genießen. Das gute Essen, der schöne Garten und vielleicht auch die gefahrenen Kilometer ergeben zusammen einen festen und einstündigen Mittagsschlaf. Aber das hab ich mir auch verdient.    

 

 

Satt und erholt, aber doch etwas träge, geht es im Draatal weiter nach Agdz. Den Gedanken, in Agdz mit einem 27er Schnitt anzukommen, gebe ich relativ früh auf. Kurz vor Agdz mache ich noch mal eine kleine Rast. Die kommt allerdings mehr aus Gewohnheit zustande. In dem Miniladen habe ich schon einmal 2 Flaschen Hawaii getrunken. Der Besitzer erkennt mich und fragt schmunzelnd, ob ich im Kreis fahren würde.

Bekomme noch was Selbst Gebackenes zum Essen und fahre weiter. In der Kasbah angekommen, muss ich nicht einmal vom Rad absteigen. Der Zimmerschlüssel wird mir vor der Tür überreicht und kurze Zeit später bin ich geduscht. Fast ein Gefühl wie zuhause anzukommen. Fast.

 

18.05.2006, Agdz, 24°, wolkenlos

Fahre ohne zu frühstücken los und werde dies im Laufe des Tages noch bereuen. Die Verpflegungslage zwischen Agdz und Tazenakht, meinem heutigen Ziel, ist mehr als dürftig.

Die Straße (R 108), die entgegen der Michelinkarte, vollständig asphaltiert ist, führt in langgezogenen Bögen durch das Tal. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen nehmen zu, es wird anscheinend fruchtbarer und daher etwas grüner. An den ersten beiden Ortschaften fahre ich vorbei und damit auch an den Brunnen. Verpasse es, meinen eh schon dürftigen Wasservorrat aufzufrischen. Und dann kommt es wie es kommen muss. Es kommt nichts mehr.

Bei Bou-Azzer fahre ich an einer riesigen Minen- oder Steinbruchanlage vorbei und dort erklärt man mir, dass entlang der Straße ein Café kommen würde. Entweder haben wir uns missverstanden oder aber das Café war gut getarnt. Ich habe nichts gesehen und zurück wollte ich auch nicht mehr.     

 



Also Haushalten mit dem Wasser und auch das Tempo etwas reduzieren. Immerhin zeigt mir mein GPS einen Wegepunkt von Julius an, mit der Bemerkung „Auberge“.    Diese Herberge liegt an einer Kreuzung bei der die Straße vom Süden (Foum-Zguid) auf diese Straße trifft.

Zu meinem Glück ist der Verlauf der Straße bis dorthin eben und die letzten ca. 10 km sind eine herrliche Abfahrt durch eine sehr schöne Schlucht. Mit 70 Sachen rase ich auf die Herberge zu. Den Schwung hätte ich besser mitgenommen, denn die Herberge war geschlossen. Laut Wegweiser sind es noch 22 km bis Tazenakht und ich habe noch knapp 0,5 Liter Wasser. Ein Blick auf die Karte zeigt mir, dass auch noch zwei Berge vor dem Etappenziel sind. So motiviert fahre ich sehr langsam weiter. Der erste Berg bringt mich auf knapp 1.200 m, der nächste ist über 1.600 m hoch. Das kann ja heiter werden.

Kurz vor dem Pass Tizi-n-Taguergoust höre ich ein Auto von hinten kommen. Es ist ein blaues Taxi. Kann gerade noch stoppen, um es anzuhalten. Der Fahrer ist etwas verwundert da es nur noch 8 km wären, aber mir ist das egal. In dem Ford Transit ist, neben den bereits vorhandenen Gästen, die da wären 1 Frau, 3 Männer und 14 Ziegen gerade noch Platz für einen Radfahrer. 

 

Eine Ziege fehlt noch

 

Steige im einfachen Hotel Tahdaoute ( 120 DH Ü + F ) ab. Erkunde den Ort, was recht schnell geht, und probiere in einem Geschäft einen frisch gepressten Obstsaft. Der ist so gut, dass ich mir sofort eine Flasche füllen lasse. Eigentlich sind mir nur die Orangen vertraut, das restliche Obst kann ich nicht richtig zuordnen. Bis ich im Hotel bin, ist die Flasche leer. Also, 2 Flaschen im Zimmer holen und zurück und wieder befüllen lassen. Köstlich.

 

19.05.2006, Tazenakht, 24°, wolkenlos

Heute wird richtig gefrühstückt und auch getränketechnisch habe ich aus dem Vortag gelernt. Lieber etwas mehr Gewicht, obwohl laut Karte einige Ortschaften auf dem Weg sind. Heute gibt es kaum Kurven. Dafür viele lange Geraden, die das Radeln nicht sehr abwechslungsreich machen.      

 

Aber die Landschaft wird wieder etwas grüner und die anfangs kleinen Gerstefelder werden im Laufe des Tages auch immer großflächiger. Bei einer Pause möchte ich mich auf einen Stein setzen. Wie immer hebe ich diesen erst an, um zu schauen, was sich so darunter verbirgt. Und endlich werde ich auf dieser Reise fündig. Ein Skorpion ist hier zu Hause. Also verschiebe ich meinen Sitzplatz um zwei Meter.

Die nächste Rast erfolgt in einem kleinen Ort. Während ich an einer Hauswand sitzend, im Schatten mein Hawaii trinke, kommen kleine Stylo-Kinder und betteln. Ein Lokalbesitzer, der extra von der anderen Straßenseite herüberkommt, schickt sie weg und entschuldigt sich für deren Verhalten.

Gegen Mittag erreiche ich das Ende eines Hochplateaus und eine schöne Abfahrt bringt mich schnell nach Taliouine. Bei jeder Kehre wird es deutlich wärmer. Da der Temperaturunterschied auf der Fahrt ins Tal sehr schnell erfolgt, ist er unangenehm. Im Tal angekommen sind es plötzlich 44° (oben ca. 32°). Kurz vor dem Ort sehe ich einen Campingplatz und lese das Wort „Piscine“. Vollbremsung und Etappenende.

Ein kurzer Blick auf meine Aufzeichnungen bestätigt meine Entscheidung. Der Manager, der Kasbah in Agdz, hatte mir einige Unterkünfte auf dem Weg nach Taroudant empfohlen, darunter auch diesen Campingplatz. Und da es hier auch Zimmer zu mieten gibt, schaue ich mir gleich eines an. Es ist sauber, also wird nicht gezeltet. (Camping Toubkal 240 DH Ü + D + F, sehr sauber und sehr freundlich )

Kurz geduscht und ab in den Pool. Danach werde ich von dem Besitzer in die Anmeldung gebeten. Sein Sohn hat sich beim Sturz vom Fahrrad verletzt. Reinige, desinfiziere und verbinde die Wunde. Ein Zehennagel wird sich wohl demnächst verabschieden. Lasse noch etwas Verbandmaterial für den nächsten Tag da. Meine Übernachtung reduziert sich auf 150 DH inklusive dem Mittagessen. Schukran.

 

Sehr sauber und gepflegt

 

Beim Abendessen erzählt mir der Besitzer, dass Taliouine der Mittelpunkt des Safrananbaus ist. Nach dem guten Essen sind die Temperaturen noch bei 38° und kein Wind weit und breit. Daher entschließe ich mich am Pool zu schlafen. Bedingt durch die Wärme aber noch mehr durch den fantastischen Sternenhimmel ist an ein Schlafen nicht zu denken. Beobachte das sich über mir drehende Sternenbild (ok, die Erde dreht sich) und schaue stundenlang den in fast greifbarer Nähe vorbeisausenden Sternschnuppen nach. Eine richtige Sternenflut. Kurz nach 03.00 h in der Nacht muss ich dann eingeschlafen sein. In dieser Zeit ist der große Wagen, der zu Beginn ganz rechts in meinem Blickfeld war, links aus dem Selbigen herausgewandert.

 

20.05.2006, Taliouine, 24°, wolkenlos

Starte gegen 08.00 h und auf der Fahrt durch Taliouine fallen mir zwei mächtige Kasbahs auf.

Es wird immer grüner und der Baumbestand nimmt rapide zu. Kurz hinter dem Ort fahre ich seit ewiger Zeit auf einer Straße, die rechts und links, von Bäumen gesäumt ist.     

 

Nach einigen Kurven kann ich in Souss-Ebene schauen, die ich dann nach einer kurzen Abfahrt erreiche. Nun werden auf der Strecke bis nach Agadir keine Berge mehr kommen. Die ersten Gedanken beschäftigen sich bereits hier mit dem Ende der Marokkotour. Südlich der Hauptstraße fahre ich auf einer ruhigen Nebenstraße weiter Richtung Taroudant.  

Als ich Taroudant mit seiner imposanten Stadtmauer aus rotem Lehm erblicke, gefällt mir diese Stadt auf Anhieb. Möchte Quartier im Hotel Mini Atlas beziehen, aber die Rezeption ist nicht besetzt. Auch haben fast alle Geschäfte geschlossen. Eine Frau erklärt mir, dass das Freitagsgebet gleich fertig sein müsste, und dann der Mann von der Rezeption kommen würde. Und wirklich knapp 10 Minuten später wird aus Taroudant ein lebhafter Ort. Das Hotel ist günstig (100 DH Ü + F) und sehr sauber. 

 

König Mohammed VI, seine Bilder sieht man überall

 

Durchstreife die Stadt und gehe in den überdachten Souk. Obwohl Taroudant über 65.000 Einwohner hat und so nah am Touristenzentrum Agadir liegt, wirkt diese Stadt sehr ursprünglich. Der ausgedehnte Spaziergang durch die Altstadt wird zu einem Genuss aller Sinne. Wieder diese vielfältigen Gerüche. Was rieche ich eigentlich? Weihrauch? Minze? Zitrone? Pfeffer? Egal, einfach genießen.

Die Garküchen preisen lauthals ihre Tajine und Fischgerichte an. Die Cafés sind alle gut gefüllt. Anscheinend lassen es sich die Marokkaner am Freitagabend richtig gut gehen.

Am Abend lasse auch ich es mir gut gehen. Gehe in das während der Kolonialzeit gebaute Hotel Taroudannt und tafle vorzüglich.  

Den Nachteil einer solch pulsierenden Stadt erlebe ich in der Nacht. Da mein Fenster auf der Straßenseite ist, komme ich erst nach 2.00 h zum Schlafen. Es ist eine sehr lebhafte Straße.

 

21.05.2006, Taroudant, 24°, wolkenlos

Start zur letzten Etappe. Und diese starte ich sehr relaxt. Bin nach 7 Kilometern immer noch in der Nähe vom Hotel, weil ich jenes Tor noch durchfahren und manche kleine Gassen auch noch unter die Räder bekommen möchte. Auf dem Hauptplatz gelüstet es mich noch nach einem Tee. Jetzt geht es aber los, es ist immerhin schon nach 09.00 h. Agadir und damit das Ende meiner Rundreise wartet.

Wollte eigentlich auf Nebenstraße fahren, da ich aber etwas reichlich getrödelt habe, fahre ich auf dem Hauptstraße ( N 10 ) nach Agadir. Diese ist fast durchgängig 2 spurig, flach und überraschend wenig befahren. Zu sehen gibt es recht wenig und daher gibt es auch nur einen kurzen Stopp. Auf den letzten Kilometern gehen mir die ersten Gedanken über ein Fazit dieser Tour durch den Kopf und ich ermahne mich konzentriert weiter zufahren. Ohne größere Ereignisse endet meine Fahrt vor dem Hotel Tivoli in Agadir.

Einer der Bediensteten kann sich erinnern, dass ich vor 3 Wochen losgefahren bin, und schüttelt den Kopf, wie schnell die Zeit vergeht. Er trägt mein Rad auf Zimmer und ich genieße das Eintreffen im Hotelzimmer. Endlich muss ich morgens keine Taschen mehr packen.

Bin einen Tag früher als geplant und da ich noch einen Tag als Sicherheit eingeplant hatte, verbleiben mir noch zwei Tage in Agadir.   

Die zwei Tage in Agadir vergingen wie im Flug. An einem Tag bin ich auf die Kasbah von Agadir hinaufgefahren. Hoch ( 205 m ) ist sie nicht und es sind auch nur wenig Überreste, die das Erdbeben überstanden haben, aber immerhin hat kann man die Bucht mit dem breiten Sandstrand übersehen. Und da ich an diesem Tag nicht ausgelastet war, bin ich noch zweimal zur Kasbah hochgesprintet. 

 

Kasbah von Agadir

 

Blick über die Bucht von Agadir

 

Fazit:

Meine erste Radreise außerhalb von Europa. So nah an Europa und doch ist man weit weg.

Auf dieser Reise habe ich einige Gefühlregungen durchlebt. War manchmal niedergeschlagen, wenn auch immer nur kurz, und dann wieder überwältigt von dem angenehmen Kontakt mit den Einwohnern. Hatte noch nie soviel Kontakt zur Bevölkerung wie auf dieser Reise. Bekam viele Einladungen zum Tee oder Ziegenmilch trinken.

Ist es meine Menschenkenntnis, mein gutes Bauchgefühl oder hatte ich einfach nur Glück? Ich weiß es nicht. Aber bei den meisten genügte ein kurzer Blickkontakt, ein Lächeln, ein fragendes Achselzucken und schon war eine gewisse Vertrauensbasis da. Schwer zu erklären, aber schön zu erleben, dass trotz Sprachbarriere sich völlig fremde Menschen so gut verstehen können.

Habe das islamische Marokko bzw. dessen Bevölkerung als liberales Land kennen gelernt.

Die Essensauswahl war, außerhalb der größeren Ortschaften, etwas eingeschränkt. Wenn es aber etwas Warmes gab, war dies fast immer gut und manchmal sogar sehr gut. Ob Salate oder Gemüse, es war alles frisch und von der Menge mehr als ausreichend. Das Fleisch ohne jegliches Fett und köstlich gewürzt.

Den mitteleuropäischen Hygienestandard habe ich nicht erwartet. In den größeren Hotels wurde er jedoch erreicht. In den einfachen Herbergen hieß mein Motto nur: „Augen zu und durch“.

Die landschaftlichen Höhepunkte waren neben der Dades-Schlucht, die erste Piste nach Tisgui-Ida-ou-Ballou, die auf knapp 80 km sehr viel Abwechslung bot.

Von den Städten haben mir Taroudannt und Tata (Flair) am besten gefallen.

Immer wieder ein Thema sind diese bettelnden Kinder. Habe sie hauptsächlich im Draatal als Belästigung empfunden.

An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass die Vorbereitung dieser Reise durch das Rad-Forum und hier besonders durch die Hamburger „Marokko-Connection“ (Jan, Tally, Detlef, Chris und viele mehr) erheblich erleichtert wurde. Danke also an die vielen Forumsmitglieder, die ihre Erfahrungen nicht für sich behalten, sondern weitergeben haben.

Die Internetseite von Jan Cramer ist für Marokkoreisende eine tolle Fundgrube.

Ebenfalls erleichtert wurde diese Tour durch den erstmaligen Einsatz eines GPS-Gerätes, das mir die liebe Anette noch rechtzeitig vor Tourbeginn geschenkt hat. Tja, und bei GPS komme ich nicht umhin, Julius Grossmann aus Heidelberg zu erwähnen. Spontan hat er sich bereit erklärt, mir einen GPS Grundkurs zu geben. Hat mich mit Basismaterial (DVD mit Tracks und Digitalkarten) versorgt und auch meine ungeschickten Fragen geduldig beantwortet. Und damit es nicht bei grauer Theorie blieb, hat Julius auch eine GPS-Tour durch den Odenwald mit mir unternommen. Danke.

 

01.04.2006 – die GPS-Testrunde mit Julius durch den Odenwald

Statistik der Reise:

    Start   Ziel   km   Schnitt max.   hm   Temp.
1.  Agadir  Mehda  24 17,2 54,8 1601 14-26
2.  Mehda  Biwak / Piste  58,3 11,2 69,3 1356 10-28ー
3.  Biwak / Piste  Tata  111,5 16 54,5 469 8-28ー
4.  Tata  Foum-Zguid  152,2 19,6 54,8 487 12-36ー
5.  Foum-Zguid  Zaouia-Sidi-Abd-en-Nebi  65,6 11,4 29,5 220 26-38ー
6.  Mhamid  Zagora  96,7 19,7 56 ?  26-38ー
7.  Zagora  Agdz  96,5 18 53,4 402 26-34ー
8.  Agdz  Skoura  116,5 19,5 72,5 ?  20-36ー
9.  Boumalne  Boumalne  113 19,3 63,4 ?  24-38ー
10.  Boumalne  Tinerhir  52 16,1 34,5 133 24-31ー
11.  Tinerhir  Tinerhir  48 18,1 59 305 24-31ー
12.  Tinerhir  Tigurna  83,2 16,4 37,9 ?  26-38ー
13.  Tigurna  Agdz  154 25,4 57,5 295 26-44ー
14.  Agdz  Tazenakht  89 20,6 70,8 445 24-36ー
15.  Tazenakht  Taliouine  80 22,6 65,5 247 24-44ー
16.  Taliouine  Taroudant  109 26,2 ?  176 24-45ー
17.  Taroudant  Agadir  87 ?  35,9 82 24-32ー
         1636,5          
 
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