Volkers erste Marokkoradreise
Samstag, 16. Februar 2008

Im Folgenden Seiten habe ich meine Erlebnisse auf meiner Radtour vom 7.2.2006 bis zum 7.3.2006 durch Marokko mit Start- und Zielpunkt Agadir aufgeschrieben.

 

Dienstag, den 7.2. 

 

Mein erster Eindruck von Marokko ist die Ankunftshalle des Flughafens Agadir: die Wände im typisch marokkanischen Mosaikstil bieten sie eine schöne Einstimmung auf die kommenden Wochen in dem nordafrikanischen Land. Bis mein Fahrrad zum Vorschein kommt dauert es lange, doch was lange währt währt endlich gut! So kann ich bald das Flughafengelände verlassen und auf die breite Straße nach Taroudannt abbiegen. 

Es geht über eine sehr ländliche Gegend – links und rechts liegen meist Orangen- und Olivenplantagen. Marokkaner am Straßenrand grüßen sehr freundlich und ich höre manchmal sogar ein „Welcome“. Schon jetzt bin ich sehr positiv gestimmt und neugierig auf die Dinge, die da kommen. Nach einer Zeit erblicke ich vor mir den ersten Ort. Als ich hineinfahre, fühle ich mich zum ersten Mal wie in einer anderen Welt – links und rechts viele kleine Geschäfte, die nur so groß wie ein kleiner Kiosk sind aber alle Art Lebensmittel verkaufen, Arkaden an den Straßenrändern, dahinter einfache Kneipen. Ab und zu auch Metzgereien, an denen an einer Stange das Fleisch aufgehängt ist. Auch hier wieder begrüßt man mich sehr freundlich – junge Männer auf ihren Mofas fahren kurz neben mir her um mich zu begrüßen und zu fragen, woher ich komme. Die Frauen dagegen sind zurückhaltender, sie laufen seltener mit einem Schleier, meist aber mit einem Kopftuch herum und sind immer unter sich.

Die Fahrt über Land ist genauso interessant: links erblicke ich hinter den Orangenplantagen die schneebedeckten Gipfel des hohen Atlas, rechts kann man die ersten Hügel des Anti-Atlas sehen. Gegen Abend begleiten mich noch eine Gruppe Jungendlicher, die aus der Schule kommen. Wir unterhalten uns meist auf Englisch, da sie nicht so gerne Französisch sprechen wollen.

Eigentlich wollte ich heute noch bis Taroudannt fahren, aber nun ist es bereits nach 6 Uhr und ich entdecke ein schönes Plätzchen zum Zelten hinter einem Haus, in dem es sogar einen kleinen Laden gibt. Die Leute sind sehr nett und helfen mir sogar noch beim Aufbauen. Dann kaufe ich noch ein paar Sachen. Die Lebensmittel werden mit einer Waage mit Schalen und Gegengewichten abgewogen. Mein Fahrrad kann ich in ihrem Haus unterstellen.

Als ich mich schon ins Zelt zurückgezogen habe, bringt mir einer der Bewohner noch 2 Apfelsinen. So probiere ich zum ersten Mal diese hier so gutschmeckenden Früchte ... 

 

Mittwoch, den 8.2.

 

Heute morgen fahre ich nach Taroudannt. Vor der Stadt häufen sich die vielen Fuhrwerke, die von Eseln, manchmal auch von Pferden gezogen werden. Andere Marokkaner transportieren ihre Lasten mit ihren Fahrrädern, die manchmal noch beladener als meines wirken. Die Stadt ist von einer langen Lehmmauer umgeben, was mit den dahinter aufragenden Bergen des Hohen Atlas sehr fotogen wirkt. Die Innenstadt selbst ist sehr interessant: es gibt einen grossen Souk (Basar), in dem wohl alles feilgeboten wird, was man sich vorstellen kann. Das reicht von Obst und Gemüse über Tücher, Kleider, Teekannen, Tongefäße bis hin zu Fernsehern und Musikgeräten. Die engen Gassen sind oft überdacht und so finster, dass man schon Probleme hat, alle Details um einen herum zu erkennen. Ich erreiche den Hauptplatz in der Stadt und entschließe mich, an einem der Restaurants zu essen. Vorher mache ich noch ein Foto von den Berbern, die hier auf ihren traditionellen Instrumenten spielen, die mich ein wenig an Mandolinen erinnern. Sie wollen natürlich einen Obulus haben, dafür ist das Essen ziemlich günstig.

Nach dem Essen schaue ich mir weiter den Ort an und entdecke auch das Schreinerviertel. Viele kleine Handwerkergeschäfte, Frisöre etc. prägen das Bild. In den vielen Gassen kann man sich schon fast verlaufen, aber es gibt zum Glück immer jemanden der einem den Weg zurück zum Hauptplatz weist.

Es ist Nachmittag als ich die Stadt verlasse. Die Landschaft bleibt weiter interessant, links und rechts der Straße grasen Ziegenherden und die Schäfer grüßen freundlich. Wieder begleiten mich die Jugendlichen, die mit dem Rad aus der Schule kommen. Doch bald spüre ich einen Widerstand –da halten sie sich doch an meinem Rad fest und lachen hämisch! Als sie wieder loslassen, ziehe ich das Tempo an und kann die meisten abschütteln, 2 der Bälge halten jedoch mit und verkriechen sich in meinem Windschatten. Mein Tacho zeigt fast 30 auf ebener Strecke, Donnerwetter, haben die Kondition. Erst nach einigen weiteren Kilometern geben sie sich geschlagen.

Bald ist es schon wieder Zeit, sich nach einem Platz zum Übernachten umzusehen. An einem ausgetrockneten Flussbett zweigt rechts von der Straße ein Weg ab. Den werde ich fahren, um mich mal umzuschauen. Da sehe ich eine weitere Ziegenherde am Ufer des Flussbettes und einen überaus freundlich wirkenden Schäfer, der den Weg entlangkommt. Ich mache ihm klar, dass ich einen Platz zum Zelten suche und er sagt, ein Stück weiter sei eine gute Möglichkeit. In der Tat zweigt bald ein weiterer Weg ab, der an einer provisorischen mit Bambus und einigen Plastikfolien gebauten Hütte endet. Der Besitzer tritt heraus und die beiden unterhalten sich. Auch er wirkt freundlich und winkt mich heran. Er zeigt auf einen Platz neben der Hütte, wo ich das Rad stehenlassen soll. Dann geht er an das Ufer des Flussbettes und winkt wieder. Wir steigen hinab und erst im Näherkommen sehe ich eine Frau, die an einem qualmenden Feuer sitzt. In den Fels ist ein Loch gehauen, in dem sie in der Glut ein Fladenbrot backt ... der Mann nimmt eines der gerade gebackenen, bricht zwei Stücke ab und gibt mir eines, es schmeckt sehr lecker...

Als wir wieder vor der Hütte stehen deutet er mit der Hand, dass ich mein Fahrrad in die Hütte schieben soll. Dort ist es den Umständen entsprechend gemütlich, denn im hinteren Teil liegen orientalische Teppiche und es ist angenehm warm. Mein Gastgeber breitet einen weiteren Teppich aus und spricht sein Abendgebet während ich den Tag resümiere. Danach macht er Wasser für den Tee auf einem Holzfeuer in kleinen Kannen warm. Später erscheint dann seine Frau und seine 4 Kinder, 2 Jungen und 2 Mädchen.

Der Abend wird sehr interessant und gemütlich, denn auch wenn mein Gastgeber nur Arabisch spricht, so lernen die Kinder fleißig Französisch in der Schule und zeigen mir ihre Schulbücher, vor allem die Französischbücher. So kann ich an diesem Abend meine Französischkenntnisse wieder ein wenig auffrischen. Seine Frau bringt auch noch ein wirklich gutes Essen. Es ist wirklich interessant: obwohl die Familie in den einfachsten Verhältnissen lebt, ohne Strom und fließendes Wasser, führen sie ein gar nicht so schlechtes Leben: Licht in der Hütte erzeugen sie mit Gasflaschen, über die sie einen Glühstrumpf ziehen, das Essen wird auf dem Holzfeuer gekocht. Sie haben aber auch eine deutsche Bekanntschaft gemacht, jedenfalls erwähnen sie den Namen Dr. Lang immer wieder in den höchsten Tönen, und der Hausherr zeigt mir noch einen Brief von ihm, in dem er von einer Spende an seine Familie schreibt. Im weiteren Verlauf des Abends erfahre ich auch, dass mein Gastgeber Bus- und Taxifahrer ist und früher in der Armee gedient hat.

So gegen 10 Uhr legen sie mir Decken hin, in die ich mich heute Nacht wickele, so wie sie das auch tun.



Mbaraks Kinder wachsen direkt mit den Haustieren auf – hier in seiner Hütte

Donnerstag, den 9.2.

Nachts regnet es und auch am Morgen sieht es recht trüb aus. Winterzeit ist nun mal Regenzeit in Marokko. Bereits früh am Morgen werde ich von dem Morgengebet meines Gastgebers, der übrigens Mbarak heißt, geweckt. Er fragt mich während des Frühstücks, ob ich Lust habe, heute mit ihm nach Taroudannt zu kommen. Na ja, warum eigentlich nicht? Das Wetter ist ja nicht so berauschend, außerdem steht als Nächstes ja die Fahrt über den Tizi N’Test an, was bis über 2000 Meter ansteigt und das bei dem Wetter?

So gegen 10 Uhr erreichen wir die Straße, die ich gestern gekommen bin, um mir einen Lagerplatz zu suchen. Wir wollen per Sammeltaxi fahren. Er erklärt mir, daß hier in Marokko Einheimische keine Touristentaxis nehmen könnten und so rauschen immer wieder Taxis vorbei, manche nichtmal voll besetzt. Wenigstens hat es endlich aufgehört zu regnen. Erst nachdem wir schon richtig lange warten, hält ein LKW. Mit ihm geht es in den nächsten Ort, wo wir leicht ein Sammeltaxi bekommen. Dicht gedrängt sitzen wir mit 6 Leuten plus Fahrer in dem Opel Rekord. Doch einen Ort später hält er doch tatsächlich an, um noch 2 Leute mitzunehmen! Gott sei Dank steigt einer noch aus, aber mit 8 Leuten wird es in dem Wagen wirklich sehr eng. Hier also bin ich gestern in die andere Richtung gefahren, als mich die Kinder hinten am Gepäckträger festhielten. Aber alles beruht auf ausgleichender Gerechtigkeit: ich werde auf dieser Tour auch noch Kinder treffen, die mich schieben ...

Dann erreichen wir Taroudannt. Am Taxistand direkt vor der Stadtmauer steigen wir aus. Doch Mbarak macht mir ein Zeichen, in ein weiteres Taxi einzusteigen. Ok, ich tue ihm den Gefallen. Doch wir fahren nun weiter in Richtung Agadir. Wo es wohl hingeht? An der nächsten Kreuzung biegen wir links ab, und steigen im ersten Dorf aus. Wir gehen durch die Gassen über die Lehmwege und treffen immer wieder  Bekannte von Mbarak. Schließlich erreichen wir einen Olivenhain, in dem ein grosser, hagerer Mann mit Kaftan Mbarak entgegentritt, er ist offensichtlich der Grund für diesen Besuch. Die beiden unterhalten sich stets auf Arabisch. Auch der Name Dr.Lang fällt häufiger. Erst später, als wir in seinem Haus sitzen, erfahre ich von dem Mann, dass er in dem recht noblen Hotel Gazelle d’Or bei Taroudannt arbeitet und dort Ausflüge für Jäger unternimmt. Es stellt sich heraus, dass der Mann, bei dem wir zu Besuch ist, eine Gruppe Jäger geführt hat, in der sich auch der gewisse Herr Dr. Lang befand. Sie haben Tauben und Wachteln gejagt, was er auf einigen Fotos, die sie damals geschossen haben, zeigt. Sie haben immer ein gutes Trinkgeld gegeben, was sie bei den Marokkanern sehr beliebt machte und an einem Tag lernte Dr. Lang die Tochter von Mbarak kennen, die ihn sehr an sein Enkelkind erinnerte. Da sie wirklich in Armut lebte und die Strecke von etwa 25 Kilometer vom Jagdrevier bis nach Hause zufuß laufen musste, nehm er sie mit dem Wagen mit und steckte ihr auch regelmäßig etwas Geld zu. Auch als er wieder zuhause war, schickte er der Familie noch Geld, in der Hoffnung, dass die Kinder eine bessere Ausbildung bekommen würden als das momentan der Fall war.

Mittags gibt es einen herrlichen Tajine zu essen. Als ich einen Knochen abnage, macht man mir ein Zeichen: die Katze wartet schon auf diesen Schmaus...

Nach dem Essen verlassen wir das Haus, um an einer Strasse zu warten. Nach einiger Zeit trifft ein Bus ein und wir fahren alle zusammen nach Taroudannt. Dort verabschiedet sich der „Jagdführer“. Zunächst gehen wir durch den Souk, wo Mbarak einem Mann einen Geldschein in die Hand drückt, dann gehen wir in ein Internet-Cafe, wo er irgendetwas Behördliches regeln will, doch wie ich erfahre, ist die Internetverbindung heute Nachmittag abgebrochen. Schließlich steigen wir in einen weiteren Bus. Er bringt uns in den Ort, wo wir heute morgen in das Taxi umstiegen. Mbarak kauft noch einige Sachen ein, die er zum Teil en einem Haus abliefert. Dann gehen wir in den hinteren Teil des Dorfes, wo wir zwei seiner Kinder wiedertreffen, deren Schultag wohl gerade beendet ist. In einer Gasse treten wir in ein Haus ein. In einem Zimmer sitzt auf der Erde eine ältere Frau. Mbarak macht mir ein Zeichen, es ist seine Mutter, wir sind offensichtlich in seinem Elternhaus.

Erst als es schon dunkel ist, fahren wir mit einem Taxi zurück zu seinem Heim. In dem Dorf gibt es nur wenig Beleuchtung, nur aus den wenigsten scheint ein behagliches Licht, sodass ich davon ausgehe, dass die meisten der Haushalte über keine Elektrizität verfügen.

Als wir aus dem Wagen aussteigen, gehen wir wieder durch das Flussbett und als wir die durch die Gaslampe beleuchtete Hütte vor uns liegen sehen, macht er mir ein Zeichen mit einem leichten Anflug von Stolz und in der Tat freue ich mich wieder auf diese gemütliche Atmosphäre in der Hütte. „Heute Abend gibt es Couscous“ sagt er und es wird in der Tat wieder ein schöner Ausklang des Tages mit viel Pfefferminztee.

Nach dem Essen werde ich gefragt, ob ich denn morgen weiterfahren wolle. Ich bejahe und sage, dass ich über den Tizi’N Test wolle, einen Straßenpaß über den hohen Atlas, in Richtung Marrakesch. Mbarak meint darauf, das ginge auf gar keinen Fall, da oben sei Schnee und ich solle besser mit dem Bus nach Marrakesch fahren. „Na ja, eigentlich würde ich ja lieber über den Pass fahren“ entgegne ich, doch er entgegnet nur noch ein „In Schallah Allah“ was auf Deutsch etwa „oh mein Gott“ heißt. Später holt er noch ein Kaftan und ein Tuch hervor, den Kaftan ziehe ich an und er zeigt mir, wie er nach dem Brauch hier das Tuch über den Kopf bindet. Jetzt haben sie schon fast einen Einheimischen aus mir gemacht ...

 

In der Nacht werde ich aber selbst skeptisch, als der Regen auf das dünne Hüttendach trom- melt. Ob ich doch mit dem Bus fahre?

 

Freitag, den 10.2. 

 

Am Morgen regnet es weiter und ich bringe in Erfahrung, dass ich mit dem Rad nach Taroudannt zurückfahren solle und von dort den Bus nach Marrakesch nehmen solle. Das ist ja blöd, alles wieder zurück nach Taroudannt? Und ich hatte mich schon so auf den Paß gefreut! Nach dem Frühstück gebe ich Mbarak 300 Dirham. Ich hoffe, ich habe ihm damit genug geholfen und habe die Auslagen, die er für mich hatte, gedeckt. Es war eine schöne Zeit bei der Familie. Er bringt mich noch zur Straße zurück. Wir verabschieden uns und er sagt, also bis Taroudannt per Rad und dann mit dem Bus nach Marrakesch. Mit Regenmontur setze ich mich in Bewegung, aber in Richtung Tizi N’Test, irgendwie werde ich da schon drüberkommen, dann schiebe ich eben durch den Schnee...

Es regnet immer noch und als ich den letzten Ort vor der Abfahrt zur Passstraße erreiche, ist dieser regelrecht überflutet. Die Hauptstraße steht unter Wasser und die Leute suchen sich einen einigermaßen trockenen Weg an den Rändern entlang. Ich tue es ihnen nach, lasse mich nicht unterkriegen sondern fahre einfach weiter. Doch plötzlich hört der Regen auf und bald sehe ich wieder das gewaltige Gebirgsmassiv des Hohen Atlas, das ich heute überqueren werde. Scheinbar hat es auf dem Gebirgskamm Neuschnee gegeben.

Nun beginnt die Steigung und ich verlasse die Sous-Ebene, die immer weiter unter mir liegt. An Bergdörfern, die wie Adlerhorste still an den Berghängen kleben, geht es kontinuierlich nach oben. Die Straße ist wenig befahren, aber manchmal überholt mich doch mal ein Auto oder ein LKW. Langsam glaube ich, dass dieser Pass kein Problem darstellen wird.

Am Nachmittag erreiche ich die Passhöhe und kehre kurz auf einen Tee in den Berggasthof ein. Am Kamin kann ich mir meine feuchten Füße wärmen. Als ich herauskomme, kommt die Sonne heraus und die Bergwelt wirkt wunderschön, der Blick reicht bis in den Antiatlas, auf der anderen Seite zu den Viertausendern, die tiefverschneit die höchsten Berge Marokkos und sogar Nordafrikas sind. Links und rechts der Straße liegt sogar Schnee, aber die Strasse selbst ist freigeräumt und nun kann ich mich sogar auf eine lange Abfahrt, theoretisch sogar bis nach Marrakesch freuen. Das obere Tal, das ich morgen hinabfahre, wirkt in der Abendsonne traumhaft schön, Bilder, die ich so aus dem Tibet kenne.

 

Im Winter liegt auf den Höhen der Passstraßen noch viel Schnee

 

 

Als ich wieder Häuser erreiche, sehe ich an einem Bauernhof eine schöne Wiese, die sich als Zeltlager eignet und bekomme von den Besitzern die Erlaubnis zu zelten. Die Besitzer sind sehr freundlich, sie bringen mir noch eine Matte und ein Schaffell und der Sohn unterhält sich mit mir am Abend. Er spricht recht gut Französisch und, da er recht religiös ist, unterhalten wir uns über Weltreligionen. Wir zünden sogar noch ein Feuer an und es ist sehr gemütlich. Seine Eltern bringen ein Omelett, sodass ich nichteinmal kochen muss und so bereue ich es wahrlich nicht, diesen Platz gewählt zu haben, zumal er ein herrliches Gebirgspanorama hat und direkt neben der ersten Moschee Marokkos Tin Mal gelegen ist.

Morgen werde ich nach Marrakesch fahren, sicherlich eine schöne Tour, bei der es meistens runtergehen wird.

 

 

Samstag, 11.2.

Das Wetter ist recht schön am Morgen. Ich werde frühstücken und dann weiterfahren. Als ich schon das Zelt abbaue, bringt man mir eine Tasse Milch und als ich mich von meinen Gastgebern verabschieden will, bekomme ich noch eine Haferflockensuppe. Wie erwartet, ist die heutige Etappe kurzweilig. Das Tal bildet oft eine tiefe Schlucht und die Häuser aus Lehm schmiegen sich an die Hänge. An den Flussbetten blühen sogar schon die Mandelbäume, was mit den schneegzuckerten Bergen einige herrliche Fotomotive birgt.

Am Mittag erreiche ich den Ort Asni, wo heute Markttag ist. Ich halte an und gleich spricht mich ein Marokkaner an, ob ich den Markt sehen wolle, auf mein Fahrrad wolle man inzwischen aufpassen. Nun gut, ich lasse mir von ihm den Marktplatz zeigen. Direkt vor den Bergen des fast 4200 Meter hohen Toubkal herrscht ein Trubel und ein Durcheinander, das mich fast erschlägt. In einer Halle will ein Händler mir einen Kaftan und ein Kopftuch verkaufen. Der Kaftan soll aus echt Kaschmir sein und er will für beides 500 Dirham. Als ich zögere und ein mißmutiges Gesicht mache, ist er ganz schnell auf 200 Dirham herunter, aber soetwas kann ich nun gar nicht gebrauchen. Ich gehe. Lieber will ich etwas essen. Ich lasse mich zu einem Restaurant führen, und bestelle einen Tajine und Tee. Der Raum ist typisch für Marokko länglich und hat nur spärliches Mobiliar. Als ich gegessen habe, packt der Mann, der mir den Markt zeigt plötzlich seine Brusttasche aus und zum Vorschein kommen allerhand Dinge wie Armreifen, Schnupfdöschen etc. Nun will er, dass ich mit ihm handele. Hmm, ich finde die Döschen ganz schön, aber er verlangt 200 Dirham dafür. Ich sage, es sei zu teuer, und nenne einen viel niedrigeren Preis, aber er will sich darauf nicht einlassen. Schließlich habe ich ihn auf 100 Dirham für 2 Döschen heruntergehandelt.

 

Reges Treiben auf dem Markt von Asni

 

Nun werde ich aufbrechen und finde Gott sei Dank mein Rad unangetastet vor. Jetzt geht es im Endspurt bergab nach Marrakesch. Ich werde am Nachmittag dortsein. Auf der Fahrt treffe ich noch 2 Radfahrer aus Deutschland, die ihre Tour in Marrakesch begonnen haben und jetzt den Pass zum Tizi N’Test hochwollen. Sie sind sehr beruhigt als ich ihnen sagen kann, dass oben kein Schnee liegt.

Um kurz vor 5 Uhr nachmittags stehe ich auf dem Platz El Fnaa, der Hauptplatz von Marrakesch und quartiere mich dort im Hotel CTM ein, wo die Übernachtung 11 € für ein Zimmer mit Dusche kostet. Außerdem gibt es Frühstück auf der Dachterasse, von der man auf den Platz schauen kann. Makabererweise heißt „El Fnaa“ „die Geköpften“, was daraus resultiert, dass man hier bis vor gut 100 Jahren die Köpfe der Hingerichteten zur Abschreckung aufgehängt hat. Heute sieht man hier tagsüber etliche Gaukler, Schlangenbeschwörer und viele andere Leute, die Touristen das Geld abjagen wollen.

 

Am Abend genieße ich noch ein Abendbuffet in einem anderen Hotel, wo es auch Couscous gibt. Es wirkt recht gemütlich dort. Auf dem Platz El Fnaa haben sich etliche Essstände installiert und über ihnen erhebt sich eine gewaltige Dampfwolke. Ich habe noch Appetit auf ein Glas Orangensaft aus frischgepressten Orangen, den ebenfalls etliche Wagen anbieten, die ihre Orangen ganz penibel gestapelt haben. Nachdem ich mein Glas getrunken habe, winkt man mich zurück und fragt mich, ob ich einen Euro in Dirham wechseln kann. Dafür bekomme ich ein zweites Glas gratis ...

 

 

Sonntag, 12.2.

Heute nehme ich mir Zeit, die Stadt anzuschauen. Nachdem ich mir das Wahrzeichen der Stadt, das Minarett der Koutoubia-Moschee von Nahem angesehen habe, bin ich schnell in den Souks. Doch hier merke ich schnell, wie schwierig es ist, sich in dieser Stadt zurechtzufinden. Ist gibt unzählige verwinkelte Gassen und die auf der Karte verzeichneten Sehenswürdigkeiten sind nur schwer zu finden.

 

So bin ich froh, als ich einen Mann treffe, der Fremdenführer ist und auch gut Deutsch spricht. Er will mir 2-3 Stunden die Stadt zeigen und so bekomme ich schon bald die Saadier-Gräber zu sehen, die Stadtmauer und am Ende die theologische Hochschule (Medersa) Ben Yousef, die ich super interessant finde. In einem Geschäft für Gewürze und Naturheilmittel bekomme ich noch eine Art Verkaufsveranstaltung, was ich aber nicht bereue, denn am Nachmittag erstehe ich hier (hoffentlich) echten Safran und bezahle für 15 Gramm nur 16 € und selbst eine Massage bekomme ich, bei der man die Wirkung der Mittel demonstrieren will.
 
Oben: die alte Koranschule „Ben Yousef“ in Marrakesch
 
 
Dann geht es zurück durch die Souks, wo wir uns noch ein Webergeschäft anschauen. Da ich nur wenig Geld für heute morgen eingesteckt habe gemäß dem Motto „es kann einem nur das Geld aus der Tasche gezogen werden was man drin hat“ bin ich jetzt fast blank und muss zum Hotel zurück. So lehne ich freundlich ab, als man mir eine Decke verkaufen will und sage meinem Führer, ich wolle jetzt Siesta machen. Ich gebe ihm 100 Dirham und verschwinde auf mein Zimmer. Da habe ich heute morgen schon eine Menge gesehen.
Am Nachmittag lasse ich mich mit einem Taxi zu dem Jardin Majorelle kutschieren, der einst von dem gleichnamigen Franzosen angelegt wurde. Die vielen Pflanzenarten, darunter Kakteen, Palmen und viele andere subtropische und tropische Pflanzen wirken sehr schön mit den Wassergräben. Im Kontrast dazu sind die Gebäude, darunter das Museum für islamische Kunst, knallblau angestrichen, was einen interessanten Stil ergibt.
Als ich aus dem Garten herauskomme, lehne ich ein Taxi dankend ab. Es ist noch früh, sodass ich auch bis zum Hotel laufen kann. Doch bald gerate ich in die Souks und verirre mich in den Gassen ... ich schaffe es nicht mich wieder zu orientieren, sodass ich am Ende einen Mann frage. Doch dieser will mindestens 10 Dirham, dafür hätte ich fast auch mit dem Taxi fahren können. Zu allem Überfluss setzt kurz vor Erreichen des Hotels ein wolkenbruchartiger Gewitterregen ein. Alle stellen sich unter ... so ein Mist auch das noch. Als es kalt wird sprinte ich den Rest der Strecke bis zum Hotel, dennoch bin ich klatschnaß und fluche laut ...
Als Ausgleich und zum festlichen Abschluss dieser Stadtbesichtigung esse ich am Abend noch in einem Berberrestaurant, in dem es auch Berbermusik live gibt.Es ist recht gemütlich und man kann aus dem Fenster direkt in den Souk schauen. So kann ich während der Zeit noch eine Schlägerei dort beobachten ...

 


 
 
 
Das geheimnissvolle Layrinth der Souks von Marrakesch
 
 
 
Montag, 13.2.
Am Morgen verlasse ich Marrakesch. Schnell bin ich wieder in ländlichem Gebiet. Die Strecke weist kaum Steigungen auf, aber rechts von mir in der Ferne ragen majestätisch die schneebedeckten Bergketten des Hohen Atlas auf. In einem Ort riecht es herrlich nach Brot. Deshalb halte ich hier an und kaufe ein paar Sachen ein. Einige hundert Meter später setze ich mich an einem Fluss hin, um etwas zu essen, als kurze Zeit später ein Radfahrer mit Gepäck auftaucht. Er kommt rüber und wir kommen ins Gespräch. Er ist zwar von der Nationalität Belgier und Franzose, ist aber in Deutschland geboren, wohnt heute in Stuttgart und sein Name ist Jan. Zusammen setzen wir die Fahrt fort, da wir in der gleichen Richtung unterwegs sind.
Bald wird die Strecke wieder hügeliger und wir erreichen wieder den Fuß des Gebirges. Vor einer endlosen Zahl Feigenkakteen, die links und rechts der Straße wachsen, lassen wir uns mit meinem Stativ und Selbstauslöser fotografieren und ich pflücke noch einige Feigen, die wir probieren wollen. Doch leider haben wir danach die Finger voller Stacheln ...
Jan ist übrigens mit dem Flugzeug nach Südspanien (Jerez) gekommen und mit dem Zug bis Marrakesch gefahren. Heute ist sein erster Tag auf Radtour in Marokko. Vom nächsten Dorf will er bis Taddert mit dem Bus fahren. Doch dieser fährt heute nicht und so will er sich mitnehmen lassen bevor die Steigung zum Tizi N’Tischka richtig beginnt.
Vorher essen wir an einer Kneipe noch einen deftigen Tajine und trinken natürlich Tee. An den öffentlichen Toiletten im Dorf habe ich das Problem, dass der Wegweiser zur Herren- bzw. Damentoilette nur auf Arabisch ist.
 



       

Zwei Marokkoradler, die sich gefunden haben!


Nach dem Essen geht es für mich weiter den Berg hinauf, während Jan eine Mitfahrgelegenheit sucht. Erst als ich schon ein weites Stück zurückgelegt habe, holt mich Jan in einem Kleinbus wieder ein und der Fahrer will mich ebenfalls mitnehmen was ich dankend ablehne. Zu gut läuft es jetzt am Abend nach dem guten Essen und dazu habe ich noch einen Begleiter, ein Junge der gerade aus der Schule kommt und verdammt gut mithält. Da wir uns die ganze Zeit unterhalten, wird die Steigung auch nicht lang. Jeden Tag fährt der arme Kerl diese Strecke 11 Kilometer von seinem Dorf bis in die Schule und abends den langen Berg wieder hinauf. Kein Wunder, dass er über eine so gute Kondition verfügt. Als wir oben sind, wird es sehr kalt und es kommt auch noch der Nebel. Der Junge macht mir ein Zeichen, ob ich noch zu ihm kommen möchte. Ich entgegne, dass ich da kein Problem sähe und nun geht es einen steilen Pfad in das urige Dorf hinab. Das letzte Stück des Weges ist ausgewaschen und er hilft mir noch schieben. Das Haus ist wiederum im typisch marokkanischen Baustil und sogleich werde ich freundlich von den Leuten empfangen und in einen Raum geführt. Zum Empfang gibt es gleich mal einen Tee und ich merke, dass bei diesen Gastgebern das Fernsehen den Ton angibt. Immerzu läuft ein Programm, egal ob beim Essen oder tief in der Nacht, obwohl ich eigentlich schlafen will als es schon nach 11 ist. Nur der Vater des Jungen schaut noch. Als er kurz den Raum verlässt, schalte ich das Gerät aus. Endlich ist Ruhe ...Bis dass der Mann wieder hereinkommt. Er wundert sich, dass die Kiste aus ist, beschwert sich bei seinem Sohn, der nur ein Brummen von sich gibt. Schaltet es wieder ein und mit vollem Rohr tönt es aus dem Lautsprecher. Sodann ist die Nachtruhe eingeläutet, denn er schaltet wieder ab und gibt es auf für heute ...
 
 
 
Dienstag, 14.2.

 
 
Spektakuläre Ausblicke auf verschneite Berge vor Taddert
 

Schon morgens beim Frühstück läuft wieder das Fernsehgerät. Das ist ja echt eine fernsehsüchtige Familie. Ich mache mich auf die Socken. Der Sohn ist schon in die Schule gefahren und der Vater hilft mir, das Rad wieder zurück auf die Strasse zu schieben. Die Etappe heute verspricht sehr schön zu werden. Als ich um die Kurve komme, sehe ich bereits die hohen verschneiten Berge des Toubkal-Massivs. Es ist sonnig und klar nach dem Nebel gestern und die Sonne sorgt für angenehme Wärme. Die Strecke ist wunderschön, kurvenreich, abwechslungsreich und immer wieder tauchen neue Berge auf. Die Dörfer, die ich zwischendurch passiere, sind urig und Gastronomen preisen ihr Tajine an, das sie auf Holzkohle garen. Immer wieder grüßen die Leute freundlich.
 
Mittags erreiche ich Taddert, dort wo Jan gestern hingefahren ist. Ob er wohl schon die Passhöhe erreicht hat? Die Moschee wirkt mit ihrem Minarett als ein schönes Motiv vor den hohen Bergen. An einem Laden kaufe ich noch ein paar Sachen ein. Als der Besitzer merkt, dass ich Deutscher bin, bittet er mich um den Gefallen, einen Brief zu schreiben, da er eine Frau in Freiburg kennt. So holt er ein Arabisch-Englisch Wörterbuch, dessen Englisch ich dann wiederum ins Deutsche übersetze und notiere. Dazu sagt er mir noch ein paar Sätze auf Französisch, die ich übersetzen und aufschreiben soll. Er bittet mich, den Brief in Deutschland zu frankieren und an die Adresse zu schicken. Offenbar kann er wohl kaum schreiben.
Die Strecke wird nun immer spektakulärer. Die Strassenführung erinnert mich an die französischen Pässe Galibier und Izoard, kein Wunder alle Strassen wurden bereits unter Napoleon angelegt. Bald passiere ich die ersten Schneefelder, wer stellt sich Marokko schon so vor? Hier und da passiere ich kleine Hütten, in denen Mineralien verkauft werden. Bald ist schon die erste Kuppe erreicht und es geht langsam wieder hinab. An einem Bach mache ich eine kurze Pause, doch auch wenn die Sonne scheint, darf man in dieser Höhe und um diese Jahreszeit auch in Marokko nicht zuviel erwarten, denn es wird so kalt, dass ich freiwillig wieder aufbreche.
Dann erreiche ich die Passhöhe ... und sehe ein bekanntes Rad, ah ja, Jan ist wohl auch da, aber kaum habe ich ihn auf einer Hochterasse entdeckt, werde ich schon wieder von einem Händler angequatscht ... ich solle ihm einen Gefallen tun und eine Postkarte übersetzen. Sie ist aus Estland und auf Englisch, ein paar Sätze Smalltalk, kein Problem. Nun tut er so, als könne ich mir in seinem Laden dafür was aussuchen, aber es ist nur vorgeschwindelt, in Wirklichkeit will er natürlich verkaufen. Bald sehe ich, wie er ein paar Halsketten und andere Andenken einpackt. Nein, nein, ich wollte nichts verkaufen, aber für ihn ist der Deal schon fast gelaufen. Ich verlasse den Laden. Da kommt er doch hinterher und drückt mir die Sachen in die Hand. Nö, will ich nicht für das Geld, ich gebe ihm alles, nehme mein Rad und fahre weiter.
Ein Stück weiter sehe ich Jan. Ich warte und wir fahren zusammen weiter. Wir sind uns einig, das war ein ausgemachtes Schlitzohr und er hat bereits ihn über’s Ohr gehauen.
Weiter unten entschließen wir uns, obwohl uns wieder einmal Einheimische davon abraten, den Abstecher über Telouet zu fahren, angeblich sei die Piste furchtbar schwer zu fahren. Nun, wir haben Zeit, irgendwie wird es schon gehen und die Kasbah Ait Benhaddou, die man am Ende passiert, ist von der Unesco auf die Liste der Weltkulturerbe gesetzt.
Die Landschaft ist traumhaft schön, nun haben wir nur noch eine schmale, kaum befahrene Straße und passieren ganz kleine Dörfer, in denen der Muezzin zum Nachmittgsgebet ruft. Irgendwie erinnert mich die karge Hochgebirgslandschaft auf immerhin noch fast 2000 Meter Höhe ein wenig an Island.
In Telouet kehren wir auf einen Tee ein, während uns ein in Gewänder gehüllter „Möchtegern-Touareg“ uns eine Trekkingtour durch die Wüste schmackhaft machen will. Als aber weitere Touristen im Ort eintreffen, sind diese für ihn interessanter.
Als wir wieder aufbrechen, ist es schon recht spät am Nachmittag. An der Kasbah vorbei geht es weiter durch karges Land. Schließlich schlagen wir in einem ausgetrockneten Bachbett unsere Zelte auf. In meinem Zelt kochen wir uns ein leckeres Nudelgericht und verbringen den Abend noch mit viel Erzählungen.
 
 
Mittwoch, 15.2.
 
Die Nacht wird die kälteste auf dieser Tour. War der Schlafsack bis jetzt eigentlich eher zu warm, ist er jetzt gerade richtig. Die Kälte merke ich aber deutlich im Gesicht. Am Morgen liegt Reif auf dem Zelt und sogar auf dem Fahrrad. Immerhin sind wir hier auf ca. 1800 Meter Höhe. Dafür haben wir ab heute wolkenloses Wetter, während es gestern Nachmittag auf dem Tizi N’Tischka sogar einige Flocken schneite.
Immer wieder diese Farbkontraste, bei denen man sich eigentlich nicht satt sehen kann: das Braun der Berge unmittelbar um einen herum, das Weiß der verschneiten Berge in der Ferne und das tiefe Blau des Himmels. Es ist wirklich wunderschön heute. Die Strecke ist  noch aufgeweicht: so erleben wir sogar einen Landrover, der auf dem lehmigen Boden ins Rutschen kommt. Mit unseren Rädern haben wir jedoch keine Probleme. Weiter unten sehen wir sogar 2 Franzosen, die jeweils mit einem R4 diese Strecke fahren. Da bleibt für uns nur Kopfschütteln angesichts diesem Pistenzustand. Wir fahren weiter hinab, bis wir schließlich wieder einen Ort erreichen. Oft kann man den Streckenverlauf nur erahnen.
Am Nachmittag trinken wir in einem kühlen Teesalon einen Tee, bevor wir später wieder eine Asphaltstrecke erreichen. Hier liegen die schönsten Kasbahs der Strecke, in deren Umgebung schon Filme wie „Sodom und Gomorha“  von Sergio Leone gedreht wurden. Jetzt in der Nachmittagssonne wirkt alles in einem zauberhaften Licht.
Abends erreichen wir die Hauptstrasse wieder, die nach Ourarzazate führt. In einem Ort essen wir und beenden unsere Etappe danach auf dem Campingplatz. Hier bietet man uns als Schlafplatz den Teesalon an, was wir dankend annehmen. Der Platzwart macht uns auch noch einen Tee und wir genießen die Abendstimmung und den leuchtenden Sternenhimmel.
 
 
 
Jedem Ort seine Kasbah: bei Ait Benhadou passiert man Orte, in denen Filme entstehen
 
 
Donnerstag, 16.2.
 
Wieder ein wolkenloses Wetter heute morgen und die Nacht war auch viel wärmer als gestern. Nach Ourarzazate geht es erstmal den Berg hinauf. Plötzlich kommt der Campingplatzwart an, ebenfalls auf einem Fahrrad: wir haben Jan’s Reisführer liegenlassen, den bringt er uns jetzt  nach. Das ist wirklich unheimlich nett.
 

Voller Elan der Wüste entgegen: kurz vor der Karawanenstadt Ouarzazate
 
In einer Palmenoase machen wir Picknick. Die schneebedeckten Berge bleiben jetzt hinter uns zurück und es nahen die Berge, die zwischen Atlas und Sahara liegen. Wie sind auf dem Weg direkt in die Wüste! Dazu sind jedoch noch ein paar Berge zu erklimmen: vor Agdez liegt noch ein ziemlich langer Anstieg. Ich bin das ja gewohnt, aber Jan, der nicht so trainiert und dazu Raucher ist, ist es ganz schön anstrengend, aber er hält sich ziemlich gut bis jetzt, es ist immerhin keine leichte Strecke, da es in der Nachmittagssonne keinen Schatten gibt und 25-30 Grad sind es schon. Im letzten Ort vor der Steigung muss eine Stärkung her. Wir kehren ein und Jan bestellt auch nochmal was Nahrhaftes, wogegen ich mich heute mit einem kleineren Snack zufriedengebe. Den letzten Anstieg bewältigt jeder in seinem Rhythmus, ich klettere oben sogar noch auf einen Felsbrocken bis Jan kommt. Die Aussicht ist wirklich fantastisch und die Landschaft hat ihr Gesicht völlig verändert: jetzt ist sie schon sehr wüstenartig. Ein Marokkaner präsentiert uns einen Leguan, den er gefangen hat und den wir für 5 Dirham fotografieren sollen. Zu dem Verwendungszweck meint er, der komme heute Abend in den Tajine. Nun, warum nicht, und mir fallen die Worte auf einem Vortrag von Rüdiger Nehberg ein „Es gibt begründeten und nichtbegründeten Ekel“.
Für uns liegt noch die superschöne Abfahrt nach Agdez bevor, jetzt am Abend werden die Schatten wieder lang und die Landschaft noch bizarrer. Der Ort liegt bereits in der riesigen Flussoase des Draa wo endlos viele Dattelpalmen wachsen und wir quartieren uns auf dem sehr schönen Campingplatz ein, wo wir unsere Zelte mitten im Palmenhain aufschlagen. Bei Trommelklängen wird so das Märchen aus 1001 Nacht war: ein Sternenhimmel über Dattelpalmen, der Ruf des Muezzin, der durch den Ort hallt und eine laue Wüstenluft obwohl doch erst Februar ist. Bevor wir diesen Tag beenden, trinke ich mit Jan noch einen Tee, den ich auf meinem Kocher aufbrühe.
Freitag, 17.2.
Beim ersten Blick aus dem Zelt kann ich auch heute einen wolkenlosen Himmel anschauen, von dem mich die Sonne begrüßt. Es wird wieder eine schöne Etappe werden, das Draa-Tal entlang ohne namhafte Steigungen, was für Jan auch einfacher wird, und am Abend werden wir wohl in der alten Karawanenstadt Zagora angekommen sein. Früher zogen Nomaden mit ihren Kamelen aus Timbuktu durch dieses grüne Tal, und manchmal ist der alte Karawanenweg noch zu sehen. Immer wieder passieren wir Orte deren Häuser aus ockerbraunem Lehm gebaut wurden, eine Stadtmauer fehlt genausowenig wie die Kasbah, die Burg, die damals die Dorfbewohner gegen feindliche Nomadenstämme aus der Wüste schützten. Kinder betteln nach Kugelschreibern und anderen Sachen, aber wir lassen uns nicht beirren und setzen den Weg fort. In jedem Dorf sieht man bettelnde Kinder, das ist schon seit dem Tizi N’Tischka so. In dem Tal wachsen überall Dattelpalmen, ein endloses Band Grün zieht sich an dem Flusslauf entlang, der an vielen Stellen breit genug ist, dass die Frauen darin die Wäsche der Familie waschen. Heute am Freitag, dem wöchentlichen Feiertag der Muslime, sind viele Leute etwas eleganter angezogen als die übrige Woche.
An einem Restaurant mit grosser Terasse, von der man eine schöne Aussicht in das Draa-Tal und die umliegenden Berge hat, essen wir zu Mittag. Es ist herrlich, in der Sonne zu sitzen und zu wissen, dass zuhause noch klirrender Winter ist ...
 
 
     
      
 
 
Mit Lehm gebaute Kasbahs in den Orten im Draa-Tal
 
Die Katze des Hauses erweist sich als anschmiegsam und ich nehme sie auf den Schoß. Natürlich weiß sie, dass sie so die Sympathien erhaschen kann, hinterher ein wenig vom Essen abzustauben ... Wir essen heute Mittag Lammfleisch vom Spieß.
Je weiter wir in Richtung Zagora kommen, desto karger wird die Landschaft. An vielen Häusern sind jetzt Brunnen zu sehen aus denen die Bewohner auch heute noch ihr Trinkwasser beziehen. Am Nachmittag werde ich von zwei Kindern, die auf einem Esel sitzen, nach Geld angepumpt. Ok, ich gebe ihnen 2 Dirham, aber nur gegen ein Foto.
Als die Sonne schon wieder fast untergeht, erreichen wir unser Etappenziel Zagora. Der Campingplatz erweist sich als sehr schön und wir können in urigen Strohhütten schlafen sodass wir heute wieder einmal die Zelte nicht aufzubauen brauchen. Dafür kochen wir uns ein zünftiges Abendessen mit Süßkartoffeln und den hier heimischen Gemüsesorten und Gewürzen. Es ist wirklich gut, dass ich meinen Kocher dabeihabe, so bekommt man eine Abwechslung zu dem häufigen Tajine und ist nebenbei noch unabhängiger. Billiger ist es auch noch, eigentlich bezahlen wir für die Zutaten einen Spott wenn wir das daran messen, was wir in Deutschland dafür bezahlt hätten.
Der Campingwart ist sehr freundlich. Er hat das weite Gewand der Touaregs an und ein zweiter jüngerer Mann bei ihm lädt uns noch auf einen Tee in einer der urgemütlichen Strohhütten des Platzes ein. Wie mehrere Leute die letzten Tage will er uns auch ein Kameltrekking schmackhaft machen. Sein Name ist Abdullah, und er hat einige Jahre in Köln gearbeitet, sodass er fließend Deutsch spricht. Wir sagen, dass wir zu den Dünen von Chegaga wollen und er macht uns ein Angebot, das in 4 Tagen per Kameltrekking zu bewerkstelligen. Da Jan aber nicht mehr so viel Zeit hat (er fliegt bereits am 26.2. zurück nach Deutschland) und ja auch noch den ganzen Weg nach Südspanien zurückfahren muß, haben wir nur 3 Tage Zeit. Das sei kein Problem, sagt Abdullah. Der Preis sei 400 Dirham pro Tag, also 1200 Dirham für die 3 Tage. Und die Fahrräder könnten wir auf dem Rücken der Kamele mitnehmen. Wir sagen, dass wir uns das überlegen wollen.
Beim Abendessen reden wir über das Angebot und kommen zu dem Schluss, es sei wirklich nicht schlecht, jedoch solle man noch auf 1000 Dirham runtergehen. Schließlich sei ja auch die Verpflegung für die 3 Tage inklusive. Und wir haben mit Abdullah eine deutsche Reisebegleitung was ja auch ein Vorteil sei.
Wir versuchen, den Preis noch zu drücken, doch Abdullah erweist sich als standhaft. Nach langem Reden haben wir den Preis schließlich auf 1100 Dirham runtergehandelt. Dafür müssen wir sofort 50 € zahlen. Damit ist es entschieden: wir werden 3 Tage durch die Wüste gehen, ein Traum wird damit zumindest für mich wahr. Jan ist ja bereits einmal mit Kamelen durch die Wüste Gobi getrekkt. Er war ja nach der Schule ein Jahr in Indien und Südafrika, wo er als Praktikant gearbeitet hat. Zu Zeit studiert er Maschinenbau an der Fachhochschule in Stuttgart. Zum Abschluss des Abends trinken wir noch einen Tee zusammen mit Abdullah.
Es ist schon spät, als ich mich in der Hütte, durch deren Dach man den Sternenhimmel sehen kann, bette. Das werden interessante Tage werden, dort in der Wüste. Mein Traum von der Wanderung durch die Wüste wird wahr werden!
 
 
Samstag, 18.2.


Abdullah wird uns heute im Ort Tamegroute, das zwischen Zagora und Mhamid liegt empfangen. Dann wird er uns den Abzweig auf eine Piste zeigen, die an einer Zeltstadt von seßhaftgewordenen Nomaden beginnt. Dort wird auch morgen unser Kameltrekk beginnen. Dienstag abend werden wir die Dünen von Chegaga erreichen, und Mittwoch wird Jan wie ausgemacht mit einem Landrover nach Zagora zurückgebracht, von wo er dann mit dem Bus nach Marrakesch zurückfährt. Von Marrakesch wird er den Nachtzug nach Tanger nehmen und von dort die Fähre nach Spanien. Am 26. Ist seine Reise dann endgültig zuende, dann geht von Jerez sein Flug zurück nach Stuttgart.
Für mich wird es nach dem Trekking mit dem Rad weitergehen auf der 4x4-Piste nach Foum Zguid. Von dort werde ich wieder auf Asphalt die Strecke Tata-Akka fahren und dann nach einer Woche an die Atlantikküste vorstoßen.
Wir verlassen bei angenehmstem Wetter Zagora. Schon nach dem Ortsausgang wird uns klar, dass wir jetzt die Grenze zur Sahara erreichen: die Flussoase, die wir gestern den ganzen Tag entlangfuhren und in der die Vögel frühlingshaft zwitscherten, weicht einer öden Fläche nahzu gänzlich ohne Vegetation.In der Ferne ragt der Gebirgszug auf, der Zagora von dem letzten Ort auf der Strecke durch das Draa-Tal trennt, Mhamid. Dort endet dann auch die Strasse, denn unmittelbar hinter diesem Ort befindet sich die Grenze nach Algerien. Theoretisch kann man auf dem alten Karawanenweg nach Timbuktu fahren, allein das ist ein toller Gedanke ...
Auf den Gebirgskamm fahre ich vor und treffe oben eine deutsche Radfahrergruppe, die gerade von Foum Zguid kommen. Sie sind die Piste gefahren, die ich nach unserem Trekking weiterfahren werde. Sie sind von Agadir schon durch den Antiatlas gefahren und wollen in Zagora ihre Tour bereits beenden.
Kurz vor Tamegroute hat Jan noch einen Plattfuss, aber am Nachmittag erreichen wir dann doch den kleinen Ort am Rand der Wüste. Und an einem Cafe steht Abdullah. Zusammen trinken wir einen Tee und schauen den Einheimischen bei ihren letzten Besorgungen für den Sonntag.
Nachdem wir noch die letzten Sachen eingekauft haben, immerhin ist das für mich die letzte Versorgungsmöglichkeit bis Foum Zguid und ich werde den Ort frühestens Donnerstag erreichen, fahren wir durch gebirgige Landschaft und in der Abendsonne wirken die Schatten wie im Bilderbuch, vor allem im Kontrast zu dem azurblauen Himmel.
Abdullah wartet am Abzweig mit einem Bekannten in einem weißen R4. Sie fahren voraus und wir hinterher. Die Piste ist zwar oft versandet, aber das Fahren macht einen riesen Spaß in dieser Naturkulisse. Vor allem vor der untergehenden Sonne macht sich Wüstenromantik breit. Schließlich tauchen die Zelthütten der Nomaden auf. Sie liegen vor einem Meer von Dünen, die zwar nicht hoch sind, aber trotzdem eindrucksvoll erscheinen durch die Weite dieser Landschaft.
Neben einer Hütte schlage ich mein Zelt auf, während Jan in dieser übernachten will. Nachdem wir unser Abendessen gekocht haben, kommt Abdullah noch einmal und fragt, ob wir mit ihm seinen Schwager besuchen wollten, der einen Kilometer von hier in einer weiteren Hütte wohnt. Wir sagen zu und gehen los als es schon dunkel ist. Der Lichtkegel meiner Stirnlampe erleuchtet den Boden vor mir ein wenig und die Sterne funkeln über uns von dem klaren Himmel. Von Weitem sehen wir schon die Hütte, die hell erleuchtet ist. Als wir hineingehen, werden wir von der ganzen Familie begrüßt, die um ein Feuer herum sitzen. Es ist recht gemütlich in dem Raum, obwohl auf dem Boden nur wenige Teppiche liegen.
Schließlich sagt Abdullahs Schwager, er wolle uns noch etwas zeigen. Wir gehen in eine weitere Hütte direkt nebenan. Auf dem Boden liegt eine Perserteppich, der voll mit Souvenirs belegt ist, von Silberschmuck über Trommeln und Kleider bis zu Ketten und vielen anderen Sachen. Jan handelt mit ihm um eine Souvenir und bietet auch noch sein Messer, aber die Preise sind wie meistens sehr hoch ...
Als es schon spät ist, gehen wir zu unseren Unterkünften zurück.
 
 
Sonntag, 19.2.


Am Morgen stehen unsere Kamele schon bereit und nachdem wir das Frühstück in einem der Hütten genossen haben, eröffnet Abdullah uns, dass er nicht mitkommen kann. „Was, das gibt’s doch nicht?“ Hatte ich schon ein Gefühl, dass da noch ein Haken kommen sollte. Der neue „Führer“ kann kein Deutsch und immerhin schaffen wir es, Abdullah noch um 100 Dirham runterzuhandeln. Die Sachen werden aufgeladen. Es ist schon abenteuerlich anzusehen, wie jedes der beiden Kamele ein Fahrrad auf seinem Rücken trägt und auch unser Kameltreiber muss wohl erst mal Erfahrungen sammeln, wie man es am besten transportiert, denn es verrutscht am Anfang häufiger mal. Abdullah meinte, sein „Stellvertreter“ könne recht gut Englisch und Französisch, aber in Wirklichkeit kann er gerade mal die wichtigsten Brocken Französisch, geschweige denn Englisch. Angeblich hat Abdullah kurzfristig eine 6-köpfige deutsche Reisgruppe bekommen, die er zu betreuen hat, aber da ist sicherlich auch nichts dran ... Da hilft nur, das Ganze gelassen zu nehmen und die Tage zu genießen.
 

 
Keine Fata Morgana: 2 Fahrräder auf dem Rücken der Kamele!
 
Das tun wir dann auch, und am Mittag machen wir Picknick an einem schönen schattigen Plätzchen. Neben einem Tee, den unser Führer auf dem Holzfeuer aufbrüht, gibt es einen Salat.
Die Landschaft ist abwechlungsreich. Mal gehen wir durch Steinwüste, mal durch Sandfelder, in denen es auch noch hin und wieder Bäume gibt.
Am Nachmittag erreichen wir einen Brunnen und in der Nähe schlagen wir unser Nachtlager auf. Unser Führer und Kameltreiber hat ein recht großes und schweres Zelt dabei, aber bei dem starken Wind jetzt am Nachmittag schafft er es nicht, auch mit unserer Hilfe, es aufzubauen. Wir beschliessen, unsere leichteren Zelte zu installieren. Jan hat auch noch die Idee, meine Zeltunterlage zwischen den beiden Bäumen direkt am Lager aufzuspannen, um einen Windschutz zu haben. Erst als die Sonne untergeht, schläft der Wind wieder ein und am Abend sitzen wir zusammen am Lagerfeuer und erzählen uns unter dem Sternenhimmel Geschichten über Gott und die Welt. Unser Führer hat uns ein leckeres Essen zubereitet und alle 3 essen wir am zünftigen Lagerfeuer von einem Teller, was irgendwie schon verbindet.
 
 
Montag, 20.2.


Am Morgen werden die Kamele wieder aufgeladen. Ein wenig leid tun sie mir schon, wenn sie einen Strick durch das Maul bekommen. Es ist klar zu sehen, dass sie das nicht besonders mögen. Sie dürfen sich auch erst aufrichten, wenn sie komplett beladen wurden, woran sie sich auch nicht immer halten. Es muss dann wieder runtergedrückt werden bis alles verstaut ist.
Nachdem wir die Wasserflaschen am Brunnen aufgefüllt haben, geht es weiter. Bald sind wir wieder in einer Art Steinwüste und die Weite dieser Gegend ist faszinierend. Obwohl wir seit Tagen wolkenloses Wetter haben, ist es nicht zu warm, nachmittags vielleicht 25 Grad, dazu weht immer ein frischer Wind.
Am Nachmittag schlagen wir direkt hinter einer Düne wieder unser Nachtlager auf. Diesmal ist es windstill, dazu ja auch noch geschützt durch die 3-4 Meter hohe Düne. Damit wir heute Abend mal lange Feuermachen können, sammle ich heute das meiste Brennholz.
Der Sonnenuntergang wird sehr beeindruckend und ich mache einige Fotos von den Dünen in dessen Mulden Bäume mit knorrig trockenen Stämmen wachsen. Dies ist der Rand der Wüste, der wohl noch vor gar nicht langer Zeit noch von genügend Pflanzen bewachsen war, aber die Sahara breitet sich aus ...
Wieder sitzen wir unter funkelndem Sternenhimmel am wärmenden Lagerfeuer, bevor wir unsere Schlafsäcke ausbreiten. Alle 3 schlafen wir draußen ohne Zelt um die Glut des Feuers herum ...
 
 
Dienstag, 21.2.


Heute werden wir unser Ziel erreichen, die Dünen von Chegaga. Die letzten Kilometer bis dort sind sehr abwechlungsreich, führen sie zum Teil durch die Dünenfelder, danach über einen ausgetrockneten See, dessen Boden leicht grünlich schimmert.
Am Mittag sind wir am Ziel. Vor den Dünen, die wohl bis zu 80-100 Meter hoch sind, ist wieder ein „Dorf“ aus kleinen Hütten, in denen zum Teil seßhaft gewordene Nomaden wohnen, zum anderen Teil Touristen untergebracht werden. In einer werden wir heute übernachten. Nachdem unser Führer uns ein Mittagessen bereitet hat und wir gegessen haben, möchte er bereits sein Geld, um wieder aufzubrechen und zurück zu unserem Ausgangspunkt vor drei Tagen zu gehen. Und was ist mit dem Abendessen? Da machen uns die hierwohnenden Leute gleich einen Pauschalpreis mit der Übernachtung zusammen 200 Dirham. „Was?“ Das ist uns zu teuer. Und nachdem wir unseren Mißmut ausgedrückt haben,  kriegen wir beides für 150 Dirham. Aber wieder einmal hat man uns ein wenig über’s Ohr gehauen. Vereinbart waren eigentlich 3 Tage Verpflegung, da gehörte natürlich das Abendessen dazu. Wir haben außerdem keinen Tropfen Wasser mehr. Gott sei Dank ist hier in der Nähe ein Brunnen, da müssen wir dann heute Nachmittag noch hingehen.
Heute machen wir wirklich einmal eine Siesta in der schattigen Hütte, dann gehen wir los. Zum Brunnen  ist es gut ein Kilometer und es sind vor uns noch Touristen, die auch mit einem Kamelführer unterwegs sind, dran. Aber immerhin sind wir für heute, und ich auch für meine morgige Weiterfahrt versorgt, Jan wir ja morgen bereits die Zivilisation wieder erreichen.
 

 
2 Schatten voraus: Wüste ist ein unglaubliches Erlebnis!


Am Nachmittag zieht es uns dann noch die hohen Dünen hinauf, um den heutigen Sonnenuntergang zu beobachten. Es ist faszinierend, in diesem Gebirge aus Sand unterwegs zu sein. Auf dem Kamm der höchsten Düne in dieser Gegend beobachten wir mit zahlreichen Franzosen, wie die Sonne langsam versinkt. Die Weite, die man sehen kann, ist groß, im Osten bis weit hinein nach Algerien, im Süden bis fast nach Foum Zguid und im Westen zu einem weiteren Gebirgskamm, vor dem die Piste, auf die ich morgen stoßen werde, verläuft. Der Sand erscheint in dem Abendlicht fast wie Schnee und die zahlreichen Wüstenkäfer haben ihre Spuren darauf hinterlassen, die wie kleine Straßen wirken. Reifenspuren zeugen von Leuten, die mit ihren Geländewagen die steilen Dünenhänge hinauf und hinuntergefahren sind, um wirklich einmal ihr „Abenteuer und Freiheit“ aus der Werbung zu erleben.


 
„Sandmeer“ Wüste: hier kann man sich nur klein fühlen!


 
Sonnenuntergang auf den Dünen von Chegaga
 
Am Abend essen wir in einer der Hütten bei den Bewohnern noch einen zünftigen Couscous. Schade, dass der Wüstentrekk schon vorbei ist.
Morgen werde ich wieder alleine sein. Mal schauen, was die weitere Tour bringt.
 
Mittwoch, 22.2.


Am Morgen steht der Wagen, mit dem Jan und einige andere Touristen, die hier übernachtet haben, schon bereit und nachdem wir gefrühstückt haben, verabschieden wir uns und wünschen uns eine gute Fahrt. Jan wünsche ich vor allem, dass das mit den „Öffis“ so klappt, wie er sich das vorstellt.
Dann bin ich zum ersten Mal seit gut einer Woche wieder alleine. Ich lade meinen Kram auf und irgendwie freue ich mich ja auch wieder drauf, dass ich jetzt nicht mehr von irgendwelchen Touristenführern abhängig bin, sondern alles selbst organisiere. Dennoch, unseren Kamelführer beneide ich nicht. Von den 1000 Dirham pro Person die uns der Trekk kostete, bekommt er gerade einmal 150 Dirham, er ist nur 4 Jahre zur Schule gegangen und wohnt eigentlich in Tata. Abdullah und seine Gefährten haben an uns das Geschäft gemacht und selbst als er sagte, von den Dünen aus könne ich meine Route direkt auf der Piste fortsetzen, hat er mal wieder geflunkert.
Jedenfalls herrscht heute morgen starker Wind, der die Sicht rundrum mit Flugsand vernebelt und ich will möglichst fix aus diesem Sandgebiet raus. Zunächst folge ich einem ausgetrockneten Flusslauf, doch ich muss mich links halten. Durch den Sand zu schieben wird zwar anstrengend, aber schließlich bleibt mir keine andere Möglichkeit, die Piste zu erreichen.
Nach einer Stunde wird der Boden steiniger und der Flugsand bleibt hinter mir zurück, aber von der Piste nach wie vor keine Spur. Ab und zu muss ich tiefe Gräben überwinden, was recht mühsam ist. Nach fast 2 Stunden, der Gebirgskamm im Westen ist immer vor mir, sehe ich plötzlich Autospuren vor mir. Jetzt weiß ich, dass der Track nicht mehr weit ist. Und tatsächlich kann ich bald wieder aufsteigen und fahre jetzt nach Südwest. Die Landschaft zeigt hier ein ganz anderes Bild: steiniger Boden, weite Sicht und in der Ferne im Osten wirken die Sanddünen fast wie Maulwurfshügel. Nicht im entferntesten bekommt man eine Vorstellung von ihrer Höhe wenn man hier vorbeifährt, und so bin ich letztlich doch froh, diese 3 Tage mit den Kamelen unterwegs gewesen zu sein. Doch der Wind bleibt stark, sodass ich mein Picknick an einem Palmenhain mache, wo es windgeschützt und herrlich warm ist.
Am Nachmittag komme ich durch ein Dorf, das auch ausschließlich von Nomaden bewohnt ist, dann geht die Piste über einen ausgetrockneten See. Steinhaufen weisen hier den Weg und es fährt sich fast wie auf Asphalt. Nach der holprigen Strecke eben ist das fast wie fliegen ...
Am späten Nachmittag stehe ich dann vor einem Wachposten des marokkanischen Militärs. Immerhin ist die Grenze zu Algerien von hier in Sichtweite. Der Wachsoldat lädt mich gleich zum Tee ein und will mir auch ein Essen kochen. Schlafen könne ich ja auch hier, aber ich möchte nach Langem mal wieder richtig wild campen. Er beschreibt mir noch einen Track, den es auf der Karte gar nicht gibt (ich habe mit Jan die Karten getauscht, da seine besser ist und er sie ja auch nicht mehr braucht auf dieser Reise) und durch sein Fernglas zeigt er mir die weiteren Wachposten in der Gegend. Alle Gebäude liegen auf einer Anhöhe wie Festungen. Der Weg von dem er erzählt, verbindet wohl die Grenzfestungen, aber ich werde wohl dennoch wie geplant nach Foum Zguid weiterfahren.
Der Soldat ist enttäuscht, als ich mich so schnell wieder von ihm verabschiede und lange sehe ich den Posten noch hinter mir. Als die Sonne untergeht, schlage ich das Zelt an einem Hügel auf und koche mir seit drei Tagen mal wieder selbst auf meinem Kocher.


Donnerstag, 23.2.


Ich habe wohl super gut geschlafen heute Nacht bei der Stille und frischen Luft, denn schon um 7 Uhr bin ich hellwach und kurz nach 8 schon wieder unterwegs. Die Piste ist jetzt äußerst holprig, sie ist schlecht gepflegt und hat viele Steine. Meist läßt sich am Rand der Piste besser fahren als auf ihr. Die endlose Weite der Landschaft und die Stille ohne Autoverkehr entschädigt für die Rüttelei.
Erst am Mittag kommt das Dorf Foum Zguid in Sicht, von dort ich wieder eine Asphaltstraße fahren kann. bettelnde Kinder bin ich ja langsam gewöhnt und diese wollen doch tatsächlich ein wenig Sonnencreme. Ich tue ihnen den Gefallen und weise nochmal daraufhin, dass das nichts zum Essen sei. Sie nicken und machen Gesten, dass sie verstanden haben.
Im Ort, der sich aus den typischen Lehmhäusern zusammensetzt, esse ich ein Tajine und kaufe einige Sachen ein. Ein Bewohner möchte mich zu sich nach Hause einladen um mit mir zu sprechen, aber ich möchte den Tag noch nutzen und lehne dankend ab.
Die Fahrt nach Tizinnt ist angenehm. Der Wind kommt eher von hinten und die Strecke ist kaum mit Autos befahren, die Gegend ist viel untouristischer als das Draa-Tal zwischen Ourarzazte und Mhamid.
Die deutschen Caravantouristen, die wir auf dem Campingplatz von Agdez trafen haben mir einen Platz mit natürlichen Schwimmbecken 8 Kilometer vor Agdez empfohlen. Bis dort möchte ich heute fahren. Wenn ich ehrlich bin, bin ich auch gestern noch so lange und heute morgen schon so früh losgefahren um zur Abwechslung mal baden zu können ...
Aber 8 Kilometer vor Tizinnt ist nichts zu sehen. Oder ob er 8 Kilometer von der anderen Seite meinte?
Dafür wirken die Berge jetzt wunderschön im Licht der untergehenden Sonne, im Vordergrund Datelpalmen und im Hintergrund die Südausläufer des Anti-Atlas.
In Tizinnt befindet sich eine Polizeikontrolle und nachdem man meinen Ausweis genauestens kontrolliert hat, kann ich auf dem dortigen Stellplatz zelten.

Freitag, 24.2.

Der Caravan neben mir gehört einem Ehepaar aus Deutschland die schon sehr lange unterwegs sind und gerade aus Dakla in der Westsahara kommen.
Heute will ich bis Tata fahren, eine leichte Etappe, es sind nur gut 70 Kilometer und es gibt kaum Steigungen. Das Wetter bleibt weiterhin sehr schön sonnig und warm, aber über den Bergen des Anti-Atlas sehe ich Wolken. Wahrscheinlich ist das Wetter nur ein Stück weiter im Norden ganz anders.
Bereits am frühen Nachmittag erreiche ich die Verwaltungsstadt des Umlandes, in dem es eine größere Kaserne der Armee gibt und lasse mir noch ein paar Zelt-Heringe anfertigen, bevor ich mich auf dem städtischen Campingplatz einquartiere. Direkt vor dem Swimmingpool des Platzes, doch leider ist in diesem kein Tropfen Wasser. Jetzt in der Nachmittagswärme wäre ein Bad sicherlich angenehm gewesen. Dafür bleibt mir ein Sonnenbad mit selbstgekochtem Rotbuschtee.
Am Abend checke ich meine Emails in einem Internetcafe im Ort, schaue mir den Souk an, und bin überrascht, dass hier niemand aufdringlich mir etwas verkaufen will, es scheint wie ausgewechselt zu den Orten in der letzten Woche. Die wenigen Touristen scheinen sich in ihren Caravans auf dem Campingplatz „verschanzt“ zu haben. Auch der einzige Geldautomat des Ortes funktioniert nicht, so gehe ich noch einen Tajine essen und dann ist der Tag auch schon wieder vorbei.


Samstag, 25.2.

Nachdem ich in einem Hotel noch etwas Geld umgetauscht habe, verlasse ich Tata.
Ich entscheide mich, noch einen kleinen Umweg durch die Berge nach Akka zu fahren. Ich bereue es nicht: es ist super ruhig und die Felsen haben überall bizarre Auffaltungen. Ich fotographiere die interessantesten. Der Abzweig nach Akka ist nicht beschildert, aber Marrokaner, die sich direkt an der Kreuzung Kartoffeln kochen, bestätigen, dass ich hier richtig bin. Die Strecke ist ganz einsam und geschottert. Es ist sehr trocken und mal wieder fühle ich mich an meine Namibia-Radtour erinnert. Dazu ist die Streckenführung sehr abwechslungsreich: sie überwindet mit Kehren einige Steigungen.
Schließlich erreiche ich wieder eine Oase, der Kontrast ist irre, war ich eben noch im staubtrockenen Gebirge, stehe ich plötzlich unter hohen Palmen am Wasser, in dem Frösche quaken. Das Grün tut der Seele gut ...
Nebenan gibt es eine Kasbah und die Lehmhäuser scheinen gar keine Dächer zu haben, selten habe ich soviel Ursprünglichkeit erlebt. Die Dorfbevölkerung begrüßt mich lebhaft und Jungendliche umringen mich neugierig. Man nennt den Ortsnamen und möchte wissen, aus welchem Land ich komme. Es ist schon beeindruckend.
Das Land um den Ort Akka dagegen ist wieder viel trockener und ich bestelle einen Tee im Ort. Die Leute sind auch hier kontaktfreudig und wollen gleich wissen, woher ich komme, ob ich denn ganz alleine unterwegs sei etc.
An der Straße kommt ein Händler vorbei, der einen kleinen Handwagen dabeihat. Die Jugendlichen am Tisch neben mir kaufen dort einen Beutel mit gelbem Inhalt. Was das wohl ist?
Es sind heiße Erbsen, die er in einen Plastikbeutel packt, Curry darüberstreut und einmal durchschüttelt. Das Ganze für 1 Dirham, für die Leute hier ein Snack, ich tue es ihnen nach.
Schließlich kaufe ich noch Benzin und aus einem Schuppen füllt man meine Flasche auf. Immer wieder werde ich gefragt, warum ich denn Benzin brauche, wo denn mein Motor sei. Auf Französisch erkläre ich, dass ich das zum Kochen brauche.
Ich setze meinen Weg fort, die Strecke wird jetzt ganz schmal, bleibt aber asphaltiert, dafür recht einsam. Alles wäre perfekt, gäbe es nicht so einen starken Gegenwind. Dazu wird der Sand aufgewirbelt und wie ein Dunst liegt er über der Wüste. Ich möchte nicht auf der freien Plane campen, sehe das nächste Dorf in der Ferne und möchte unbedingt noch bis dort fahren. Doch das erfordert Geduld. Erst als die Dämmerung einsetzt, bin ich dort. Nach einigem Fragen nach einem Platz zum Zelten, werde ich von einem Mann zu einem Hausbewohner geschickt. Das ganze steht unter einem guten Stern: der Mann winkt mich herein und er sagt er sei Archäologe, der sich mit den Felszeichnungen in der Umgebung beschäftigte. Angeblich hat er sogar die 8500 Jahre alten Felszeichnungen, die sich nur 2 Kilometer weit wegbefinden entdeckt und möchte sie mir morgen zeigen. Er zeigt mir auch Fotos und es ist sehr interessant. Er erklärt auch, dass es in der Nähe eine Schlucht mit weiteren Felszeichnungen gibt. Seine Frau hat ein kleines Kind und in der Ecke des Zimmers sitzt auch noch eine weitere Frau. Nicht ausgeschlossen, dass das eine weitere Frau von ihm ist. Die Kinder von ihm sagen recht wenig, aber er spricht sehr viel über die Felsmalereien und dass er mit einem französischen Kollegen zusammengearbeitet hat. Er wolle mir den Weg in die Schlucht zeigen, aber leider sei sein Mofa nicht fahrbereit.
Bevor wir schlafengehen, holt er noch Wasser aus dem Brunnen des Innenhofes, mit dem ich mich waschen kann. Er scheint sich weder zu waschen noch die Zähne zu putzen. Die Toiletten werden mit einem Eimer Wasser gespült. Wir schlafen auf dem Boden eines Raumes und er gibt mir eine Decke zum Zudecken. Am Abend schauen wir noch fern und er hat den Kanal der Westsahara angestellt.
 
 
Sonntag, 26.2.
Am Morgen gehen wir dann nach dem Frühstück los zu den Felszeichnungen. Er zeigt mir das Dorf, das recht groß ist und wir passieren den Palmenhain dahinter, in dem es auch ein Bewässerungsystem gibt. Er meint, hier in der Nähe kommt auch immer die Rallye Paris-Dakar vorbei.
Auf einem Hügel kann man die Felsmalereien auf einigen Steinen sehen, meist afrikanische Tiere wie Elefanten, Strauße, Giraffen etc. Einen losen Stein ebenfalls mit einer Zeichnung dreht er hinterher wieder um, damit ihn die Kinder nicht klauen wie er sagt.
Dann gehen wir wieder zurück. Eigentlich wollten wir ja noch in die Schlucht, aber die Werkstatt in der er sein Mofa reparieren wollte hat geschlossen am Sonntag. Dafür will er noch zum Markt und ich entscheide, vor Mittag weiterzufahren. Dennoch bin ich irgendwie müde und mit dem Gedanken, wieder Gegenwind zu haben, habe ich nicht soviel Elan. Gestern war es hinter Akka ganz schön anstrengend und irgendwie finde ich dieses Ankämpfen gegen den Wind sehr viel anstrengender als manche Passauffahrt. Die Unberechenbarkeit dieses Gegners, den man nicht sieht, macht die Sache immer wieder schwierig.
Ich fahre dennoch bis ins nächste Dorf, das einen schönen Palmenhain aufweist. Natürlich sind die Kinder des Dorfes gleich bei mir und sie weisen ich auf die Gefahr hin: oh ja, die Palme unter der ich sitze, biegt sich ganz schön im Wind und ich sehe im Geist schon schmunzelnd „Tourist von Palme erschlagen“. Ob ich einen Couscous wolle. Natürlich kann ich Vielfraß da wieder nicht neinsagen und tatsächlich kommen sie nach einer Viertelstunde mit einem Teller Couscous an. Als ich fertig bin, fordern sie natürlich ihren Sold, hätte ich es mir doch denken können! Was tun bei 7 Kindern? So nehme ich mein Kleingeld und halte es ihnen hin. Uhhhh, wie die Tiere fallen sie über die Münzen her, ein paar fallen sogar runter und noch lange sehe ich Kinder im Gras nach der letzten suchen. Au weia, das ist Gier.
Gott sei Dank scheint der Wind am Nachmittag ein wenig nachzulassen und am Abend schlage ich das Zelt hinter einem Steinhaufen auf, der hoffentlich genügend Windschutz bietet.
 
 
Montag, 27.2.
Am Morgen ist es nach Langem mal wieder ein wenig bewölkt. Aber nichts ändert sich: wieder habe ich den Wind von vorn. Auf der endlosen, einsamen Strecke kommt mir ein Landrover entgegen, der anhält als er mich sieht. Es ist ein älterer Brite, der aus Mauretanien kommt. „Dort fand ich es langweilig“ schildert er seine Erlebnisse dort. 300, 400 Kilometer durch die Wüste, immer dasselbe, Algerien sei viel interessanter. Auf die Frage, ob ich genügend Wasser dabeihabe kann ich getrost mit „ja“ antworten. Er sei auch schon mit dem Rad unterwegs gewesen, Indonesien und so.
An der nächsten Kreuzung muss ich mich entscheiden: entweder ich fahre nach Icht und in den Anti-Atlas oder den Umweg über Assa. Als ich die dicken Regenwolken über den Bergen sehe entscheide ich mich für letztere. Da habe ich dann auch den Wind mehr von der Seite. Im nächsten Ort in Foum al Hassan kaufe ich noch auf dem Markt ein und finde, dass dies ein wirklich urtümlicher Ort ist. Auf dem Weg durch den Ort lerne ich einen Mann kennen, der mich gleich zu sich nach Hause einlädt. Dieses Haus sieht gemessen an dem des Archäologen, recht wohlhabend aus: Mosaikfliesen auf dem Innenhof, einen Orangenbaum und im Wohnzimmer sogar einen Schrank. Der Mann ist Kältetechniker, er hat auch mal eine Zeit in Agadir studiert und sein Vater, den ich auch noch kennenlerne hat einige Jahre in Paris gelebt. Der Mann rühmt die deutsche Technik, die auch bei Kühlschränken sehr gut sei. Wir essen Couscous und trinken Tee.
Dann fahre ich weiter nach Assa. Eine Strecke ohne Besiedlung, manchmal sehe ich Kamele, einmal auch ein liegengebliebenes Auto mitten auf der Strasse, der Motorblock liegt auf dem Asphalt, die Insassen sitzen neben der Strecke auf einer Decke. Einen schnellen zuverlässigen Pannenservice scheint es in dieser Gegend wohl nicht zu geben. Auch wenn ich weiterhin wie seit Tagen am Rand der Wüste unterwegs bin, ist es immer wieder interessant und am Ende eines weitläufigen Tals sehe ich in der Ferne den Ort Assa auftauchen. Links geht es jetzt in die Westsahara, nach rechts nach Goulimine. Dort werde ich morgen weiterfahren. Heute wird Assa mein Etappenziel sein. Da es keinen Zeltplatz gibt, werde ich nach Langem mal wieder im Hotel übernachten, dabei geht es mir mehr um die langvermisste Dusche(!) als um das Zimmer.
Doch im Ort lerne ich wieder einen Mann kennen, der mich nach Hause einlädt. Die Familie kümmert sich gleich rührend um mich, der jüngere Sohn spricht mit seinen 11 Jahren sehr gut Französisch, die Tochter ein wenig Englisch. Wir trinken zusammen Tee und sie fragen, ob ich morgen hierbleiben möchte. Da aber das Meer lockt, lehne ich ab.
Am Abend bieten sie mir zu essen an und wir schauen später noch etwas Fernsehen. Sie drücken mir die Fernbedienung in die Hand, damit ich ein Programm auswählen soll. Als es Zeit zu schlafen ist, zeigen sie mir die Toilette und ich bin schon begeistert, als ich daneben eine Dusche sehe. Doch diese liegt voller Klamotten und anderer Sachen, sodass ich heute wieder nicht zu meiner Ganzkörperwäsche komme.
Mit mehreren Leuten schlafen wir wieder „in Tücher gewickelt“ auf der Erde.
 
 
Dienstag, 28.2.
 
Wir frühstücken im „Wohnzimmer“ der Familie und es gibt Tee, Fladenbrot und als Aufstrich Butter, Marmelade und Olivenöl. Die Kinder müssen schon recht früh in die Schule und der älteste Sohn arbeitet auf einem Bauernhof. Und schon wieder läuft der Fernseher.
Das Wetter hat heute gewechselt. Es hat geregnet und die Strasse ist naß und voller Pfützen. Bald aber schon lugt die Sonne ein wenig aus den Wolken. Ich mache den Eltern eine Geste, dass ich nun aufbrechen möchte, und sie lassen verlauten, dass ich jederzeit wieder willkommen sei. Es ist immer wieder faszinierend, bei der Herzlichkeit der Leute vermisse ich kein bisschen unseren gewohnten Luxus.
Ich verlasse den Ort, wieder muss ich durch eine Polizeikontrolle, die meinen Paß genau kontrolliert, und befinde mich bald wieder in den Bergen, die südlichen Ausläufer des Antiatlas. Links hinter mir droht der nächste Regenguß, Pech, dass es hier keine Unterstellmöglichkeit gibt. Da hilft nur regendichte Kleidung.
Drei Wochen bin ich heute unterwegs und die letzten zwei Wochen habe ich kaum eine Wolke gesehen, dennoch waren die Temperaturen tags wie nachts angenehm, über das Wetter kann ich mich wahrlich nicht beschweren.
Es herrscht kühles Schauerwetter heute und zeigt mir auch an, dass das Meer nicht mehr weit ist. In Kehren geht es den Berg hinauf über einen kleinen Paß, dann folgt die Abfahrt mit Blick auf ein karges südländisches Gebirge. Ständig muss ich die Kleidung wechseln, da es mal warm, mal kalt ist. Und die plötzliche Nässe bin ich gar nicht mehr gewohnt.
Nachdem ich ein Dorf passiert habe, öffnet sich ein weites Tal, jetzt wird es schlagartig grüner, auf den Wiesen wachsen Palmen und wieder gerate ich in einen Schauer. Schließlich erreiche ich ein weiteres Dorf, wo ich mich in einer Kneipe unterstellen kann.
Als der Schauer abzieht, fahre ich weiter und erlebe ein Marokko unter ungewohnten, aber sehr eindrucksvollen Lichtverhältnissen: Berge und Dörfer werden von der späten Nachmittagssonne angestrahlt, während über den Bergen noch tiefschwarze Wolken hängen.
Da taucht in einem Palmenhain ein Zeltplatz auf, auf dessen Hinweisschild der Name „Le Chemau Vert“ also „Das grüne Kamel“ steht. Es gefällt mir gleich so gut, dass ich hier übernachten möchte. Vor allem gibt es Duschen. Wie lange ich nicht geduscht habe, möchte ich lieber nicht schreiben. Auch die Gebäude, die zu dem Platz gehören sind sehr schön gemacht, an den Wänden gibt es überall orientalische Kacheln, auf den Innenhöfen sehe ich Bougainvilla, und das Wohnzimmer ist supergemütlich.
 

 
Der Zeltplatz „Das grüne Kamel“ ist wirklich eine Übernachtung wert!
 
Die Dusche ist dafür nicht warm und ich fluche leise darüber. Der Platzwart meint, das Wasser würde hier mit Solarzellen beheizt und heute habe sie nun leider wenig geschienen. Zum Kaltduschen finde ich es heute nicht warm genug. Aber er zeigt mir die Dusche im Haus, die wenigstens lauwarmes Wasser abgibt.
Schließlich muss ich noch meinen Kocher wieder in Ordnung bringen, doch auch nach der Reinigung der Düse funktioniert er noch nicht richtig. Es kann nur am Benzin liegen. In Akka hat man mir Benzin-Öl-Gemisch verkauft, deshalb geht der Kocher nach einer Weile wieder aus wenn sich Öl auf der Düse abgesetzt hat.
Am Abend schaue ich mit dem Platzwert und einem anderen Bekannten fern (andere Touristen gibt es nicht) und bekomme noch ein Omelette zu essen. Die Beiden rauchen eine Wasserpfeife, die recht angenehm riecht. Der Platzwart spricht auch recht gut Französisch, da er einige Jahre in Marseille gelebt hat.
 
 
Mittwoch, 1.3.
 
Am Vormittag erreiche ich die Stadt Goulimine, wo ich auf dem Markt noch einige Apfelsinen und Bananen kaufe. Es ist eine lebhafte Stadt und offensichtlich Versorgungszentrum, hat aber ansonsten nichts zu bieten.
Heute werde ich den Atlantik in dem Ort Sidi Ifni erreichen, ein letzter Gebirgszug trennt mich von dem Meer. Hat es heute morgen noch geregnet, so sieht es jetzt freundlich aus. In einem Tal mache ich Mittagsrast. Es ist wunderschön grün hier und im nächsten Ort gibt es Kakteen im Überfluß.
Am Nachmittag erreiche ich dann Sidi Ifni und quartiere mich auf dem Campingplatz ein, der direkt am Meer liegt. Durch die Tür gelange ich vom Campinggelände direkt an den Strand.
Am Abend esse ich natürlich Fisch in einem recht guten Restaurant, wo die meisten Gäste aus Frankreich kommen. Nach langer Zeit sitze ich mal wieder an einem „richtigen“ hohen Tisch und auf einem „richtigen“ Stuhl.
 
 
Donnerstag, 2.3.
 
2 Ruhetage hatte ich geplant, hier einzulegen, und heute werde ich nicht viel machen. Nach den vielen Kilometern habe ich das wirklich bitter nötig. Ich gehe am Strand entlang, aber dieser hört bald auf, nachdem ich den Hafen erreicht habe.
Am Mittag koche ich auf meinem Kocher, nachdem ich neues Benzin habe, funktioniert er wieder einwandfrei.
Der Ort Sidi Ifni gehörte früher zu Spanien, und so ist er so ganz anders als die vielen typisch marokkanischen Orte, die ich die letzten Wochen passiert habe. Die Häuser sind weiß, ähnlich wie in Andalusien oder den Kanaren. Eine grosszügig angelegte Treppe hinauf in den Ort erinnert auch an bessere Zeiten.
Am Nachmittag lerne ich dann noch ein Pärchen aus Holland kennen, das auch mit dem Fahrrad unterwegs ist. Auf ihren Lenkertaschen steht wahrhaftig auf einem Schild „Holland to China“. Sie sind tatsächlich die ganze Strecke aus Holland mit dem Rad gefahren und wollen nun durch Afrika bis an den Kap der Guten Hoffnung fahren, danach im Osten Afrikas wieder rauf, dann durch Jemen, den Iran irgendwann nach China fahren. Sie haben sich für diese Mammuttour 3 Jahre Zeit genommen. Ich kann es gar nicht glauben, dass sie das alles mit dem Rad machen wollen. Aber sie sind Opportunisten und werden sehen, was geht. Ihr Tagesbudget beträgt 5 €, und zur Zeit seien sie bei 4,77 €, da sie in Spanien häufig bei der Feuerwehr schlafen konnten. Auch in Marokko seien sie oft eingeladen worden. Überhaupt haben sie bis jetzt nur gute Erfahrungen gemacht. Die Visa für die nächsten zu bereisenden Länder (Mauretanien, Senegal etc.) wollen sie sich an der Grenze besorgen. Eigentlich habe ich sie zum Tee eingeladen, aber plötzlich sind sie wieder weg und ich sitze alleine da mit einem grossen Topf Tee ...
Leider ist das Wetter so kalt, dass man heute nicht baden kann. Und so komme ich zu dem Schluss, dass ich morgen schon aufbrechen werde auf den letzten Teil meiner Tour durch den Antiatlas.
Am Abend beschliesse ich den Ausflug zum Meer mit einem „Fischtajine“.
 
 
Freitag, 3.3.
Der Tag wird wieder nur mäßig warm, sodass ich froh bin, weiterzufahren. Viel zu sehen gab es ja nicht in dem Ort, aber zumindest habe ich mir gestern Nachmittag noch einige Gewürze auf dem Markt besorgt, die ich nach Hause mitnehmen werde.
Die Holländer lade ich zum Frühstück ein, ich habe Brot, Butter und Marmelade besorgt, und für den Weg schenke ich ihnen noch eine große Schokolade. Ich denke, es hilft ihnen ein wenig weiter auf ihrer Globetour.
Die Küste ist wirklich nur mäßig interessant, ich passiere klein Orte, deren Häuser weiß sind und weniger typisch für Marokko.
Ich bin heute nicht fit, irgendwie fühle ich mich etwas mürbe und ich ahne eine kommende Erkältung, da mir auch der Hals ein wenig wehtut. Deshalb werde ich heute nur bis Tiznit fahren, was gut 60 Kilometer sind.
Am Nachmittag verlasse ich die Küste und es geht hinauf in das Hügelland. In der Ferne liegen im Dunst die hohen Berge des Antiatlas. Dort geht es morgen hinauf. Schließlich geht es wieder hinab in die Ebene, die sich bis nach Agadir erstreckt und jetzt, nach den Regenfällen, recht grün wirkt.
Gegen Abend komme ich Tiznit an, wo ich mich auf dem Campingplatz direkt an der Stadtmauer einquartiere. Es sind sehr viele Caravane, meist mit französischen Kennzeichen dort und mir gefällt es nicht besonders, aber die Dusche ist sehr schön warm und bis in den Ort ist es nicht weit ...
 
 
Samstag, 4.3.
Am Morgen verlasse ich den Ort. Bald geht es in die Berge und ich merke sehr stark, dass ich mich durch die Erkältung, die jetzt mit Schnupfen und Heiserkeit ausgebrochen ist, schlapp fühle. Durch die Landschaft, die an Schönheit wieder zunimmt, kann ich mich aber wieder motivieren. Ein Auto hält an, und der Fahrer macht mir zusätzlich Mut: er fände es toll, wenn Touristen das Land so individuell entdecken würden wie ich. Und er zeigt mir in einem Reiseführer einen Abschnitt über einen Ort hier in der Nähe in den Bergen: in diesem Ort leben Juden und Muslime, die Moschee und die Synagoge stehen direkt nebeneinander. Beide Bauwerke sind auf ihre Art architektonische Meisterwerke. Sicher hochinteressant, aber ich kann nicht alles anschauen. Er sagt, dass er auch am Marathon du Sable teilgenommen habe und den Ausrichter sogar persönlich kenne. Das sei aber schon lange her, heute sei er nicht mehr fit genug. Er habe ein Sportgeschäft in Tiznit und wenn ich das nächste Mal dorthinkomme, sei ich herzlich eingeladen bei ihm.
So ist das in Marokko: immer wieder nette Leute, immer wieder positive Überraschungen. Am Mittag kommt die Sonne raus und für eine Zeit fühle ich mich stark. Schließlich erreiche ich ein Dorf, hinter dem der Paß liegt, über den ich heute noch fahren werde, den Col de Kerdous.
Komischerweise habe ich jetzt oft Durst auf Cola wenn ich unterwegs bin und kippe meist gleich zwei 0,33 l Flaschen in mich herein, das bringt Flüssigkeit und hebt den Blutzuckerspiegel, auf Marathonläufen hat ein Becher Cola bei Kilometer 35 oft schon Wunder vollbracht. So auch jetzt. In der Kneipe hängen überall Bilder von Fussballmannschaften wie Real Madrid oder Benficia Lissabon und ich sitze draußen in der Sonne. Ich will gar nicht mehr los, so angenehm warm ist es.
Schließlich raffe ich mich auf. Doch der Aufstieg wird hart, was so ein bisschen Erkältung doch ausmacht! Nach einigen Kilometern ist es immer noch so weit bis oben, ich schon jetzt scheinbar am Ende. Ich stöhne, verfluche diesen Aufstieg. Da sehe ich Kinder, die noch ein paar Blumen gesammelt haben. Sie schieben mich doch tatsächlich ein Stück! Da gebe ich ihnen doch gerne ein wenig von meinem Wasser ab!
Schließlich erreiche ich doch noch das Hotel auf dem Paß, dass wie ein Adlerhorst am Hang klebt. Ich kann es kaum glauben, dass ich so viele Mühen hatte, hier hinauf zu kommen, wo ich doch im Atlas ganz anderes bewältigt habe. Nach den Pässen Test und Tischka, die über 2000 Meter hoch sind ist der Col de Kerdous mit seinen 1100 Metern eigentlich ein Lacher – wenn man fit ist. Dazu ist der Übergang von sonnig warm unten nach kühl und neblig oben doch ganz schön krass.
Ich trinke drin noch einen Tee, der nach den Kännchen der letzten Wochen doch sehr spartanisch ausfällt – gerade mal ein kleines Glas bekomme ich. Scheinbar wird es hier doch recht touristisch, auch wenn heute kaum etwas los ist.
Nach der Passhöhe fällt die Strecke kaum ab, sondern steigt nach kurzer Abfahrt wieder leicht an – normalerweise hätte ich die Steigung wohl kaum wahrgenommen, jetzt kapituliere ich schon davor – ich muss mein Nachtlager aufschlagen. Ich frage an einem Haus und sie zeigen mir einen ganz netten Platz. Als ich schon mein Zelt aus der Tasche geholt habe, kommen Kinder angerannt, und eines lädt mich zu sich nach Hause ein. Bei der Kälte und meiner Schlaffheit sage ich sofort zu und wir gehen los. Auf dem Weg zu ihrem Haus tragen sie sogar meine Vorderradtaschen! Jetzt am Abend heitert es noch einmal kurz auf und die hohen Berge des Antiatlas um Tafraoute werden goldgelb angestrahlt. Dort fahre ich morgen hin, aber jetzt glaube ich, dass ich niemals weiterfahren kann, so müde bin ich.
Bei den Eltern des Jungen werde ich sofort aufgenommen, da man wohl meine Müdigkeit ansieht, macht man mir ein Zeichen, dass ich mich hinlegen soll und ich fühle mich unendlich befreit, mich endlich ausruhen zu können. Den ganzen Abend bleibe ich liegen, ich bin so erschöpft, dass ich nicht einmal essen kann, obwohl sie mir wirklich ein leckeres Abendessen anbieten. Als sie sehen, dass ich mich nicht gut fühle, geben sie mir sogar ein Aspirin gegen meine Kopfschmerzen. Wie alle Marrokaner, die mich bisher eingeladen haben, sind sie mal wieder gewohnt zuvorkommend.
Als wir am Abend fernsehen, kriege ich kaum noch etwas mit, so müde bin ich. Mir ist sehr warm und ich bin mir nicht sicher, ob ich leichtes Fieber habe. In diesem Fall wäre es riskant, morgen weiterzufahren. Aber erst einmal ausschlafen und morgen weitersehen ...
 
Sonntag, 5.3.
 
Am Morgen geht es mir aber so gut, dass ich definitiv sagen kann, dass ich kein Fieber habe und weiterfahren kann, zumindest heute bis Tafraoute. Das sind nur gut 40 Kilometer und es geht mehr bergab als hoch. Ich schaue nach draußen – es herrscht Nebel und Kälte, so werde ich noch ein wenig warten und so gegen 11 Uhr starten.
Wir frühstücken und schauen – wie gewohnt ein wenig fern. Mein Gastgeber ist übrigens Kaufmann und arbeitet in Casablanca.
Gegen 11 Uhr starte ich in der Tat und bedanke mich bei der Familie – wieder bin ich sehr herzlich aufgenommen worden und bei meinem physischen Zustand gestern war das wirklich sehr wichtig.
Schon 5 Kilometer nach dem Startpunkt reißt die Nebeldecke auf und die Sonne scheint. Es ist angenehm warm. Vor mir liegt ein beinahe wolkenloser Himmel.
Durch ein enges Tal geht es bergab, und links und rechts stehen die Mandelbäume in voller Blüte. Es ist wunderschön, das Grün der Wiesen mit dem Weiß und Rosa der Mandelbäume und dem Gelb der Rapsfelder.
Da kommt mir ein Ehepaar aus Neuseeland auf dem Rad entgegen, und es stellt sich heraus, dass sie bereits die ganze Strecke aus London unterwegs sind. Ihr Ziel ist unbestimmt, Mauretanien, Senegal und weiter, das wissen sie noch nicht so genau, aber sie seien ja völlig frei, kein Job, kein Haus warte zuhause. So ein wenig beneide ich die Leute ob ihrer Freiheit und Unbekümmertheit.
       

Am Nachmittag erreiche ich Tafraoute. Der Ort liegt wunderschön in einer Felskulisse aus rotbraunen Steinen. Der Vergleich mit der Spitzkoppe in Namibia wird lebendig. Ich richte mich auf dem Zeltplatz ein und lege mich ein wenig in die Sonne. Der Mann vom Caravan gegenüber, der eigentlich aus Ungarn kommt,  ist Akrobat und probt mit einem Handstand
 


Kurz vor Tafraoute werden malerische Orte passiert
 
auf einem höheren Ständer für seinen nächsten Auftritt in einer deutschen Stadt.
Gegen Abend gehe ich noch ein wenig spazieren im Ort und drumherum. Bei der Gelegenheit lerne ich wieder eine marokkanische Familie kennen, die auf der Wiese ein Feuer angezündet haben. Zusammen trinken wir noch einen Tee.
Als es dunkel wird lege ich mich in den Schlafsack, eigentlich, um ein wenig auszuruhen. Aber ich schlafe schnell ein und als ich wieder aufwache, ist es schon fast 23 Uhr. Ich wasche mich noch und schlafe dann bis zum nächsten Morgen durch.
 


Tafraoute ist wirklich einen Abstecher wert!
 
Montag, 6.3.
Am Morgen ist wolkenloses Wetter und ich fühle mich wieder einigermaßen fit – kein Zweifel, heute werde ich einen grandiosen Abschluss meiner Marokko-Radtour erleben.
Durch das wunderschöne Tal der Ammeln geht es den Tizi Mil hinauf, die Felswände ragen hoch in den blauen Himmel und die Dörfer sind an die Felsen gebaut. Mit den blühenden Mandelbäumen wirkt alles herrlich frühlingshaft, vor allem mit den zwitschernden Vögeln fühle ich mich in den Mai versetzt.
Schon vor Mittag bin ich auf dem Paß: jetzt geht es mehr runter als rauf bis nach Agadir. Trotzdem ist es noch ein weites Stück bis zum Flughafen, aber bei dem Wetter und meiner Fitness heute werde ich es schaffen bis morgen Mittag dort zu sein. Die Aussicht ist fantastisch, ich kann sogar bis in den Hohen Atlas sehen und werde wirklich entschädigt für die Quälerei vorgestern.
Am Mittag habe ich aber noch einmal eine Gegensteigung zu bewältigen, oben thront eine Burgruine, die fast mehr an eine Festung in Deutschland erinnert. Dann geht es lange lange runter, bis ich die Sousse-Ebene wieder erreicht habe. Es ist ein schönes Gefühl – obwohl meine Tour fest vorbei ist, schließt sich nun der Kreis, ich bin wieder in der Gegend, wo ich meine Tour begonnen habe.
In der Stadt Biougra bekomme ich leider keinen Tajine zu essen –das sollte zum Abschluss mein letzter Tajine auf dieser Reise sein, sodass ich mir meine letzten Nudeln kochen muss.
Jugendliche zeigen mir in Ortsnähe einen schönen ruhigen Platz zum Zelten und leisten mir am Abend sogar Gesellschaft. Ich gebe ihnen auch noch etwas zu essen.
 
 
Dienstag, 7.3.
 
Am Morgen habe ich noch etwas Zeit, denn ich muss erst um 13 Uhr am Flughafen sein, da mein Flug um 14.50 Uhr geht. Meine Erkältung ist wieder stärker geworden, wieder fühle ich mich abgeschlagen und Kopfweh und Husten sind wieder mehr geworden. Die Anstrengung gestern hat die Heilung nicht gerade gefördert. Aber was soll’s, die knapp 25 Kilometer bis zum Flughafen sind fast brettflach und das werde ich auch geschwächt schaffen.
Im Ort trinke ich noch einen Kaffee, viele Ortsansässige sitzen an den Tischen und halten ein Schwätzchen, die Arbeitslosenquote scheint hoch sein, deshalb gibt es wohl auch keine Gelegenheit zu essen: die Leute sind froh, wenn sie Zutaten genug haben, um sich ihr Essen zu kochen. Da merkt man erst mal, wie reich wir Deutschen sind ...
Die Strecke zum Flughafen ist ohne besondere Sehenswürdigkeiten: irgendwann bin ich wieder auf der schnurgeraden vierspurigen Strasse, die nach Taroudannt führt. Hier begann meine Tour vor exakt 4 Wochen, hier endet sie. Auf den knapp 2000 Kilometern habe ich viel erlebt, viel gesehen von der Landschaft, der einzigartigen islamischen Kultur und interessante Leute kennengelernt. Das Wetter ist wolkenlos, wunderschön warm und Parallelen zur Tour de Island 2002 werden wach, wo ich am letzten Tag ebenfalls ein wolkenloses und für die Jahreszeit ungewöhnlich warmes Wetter hatte, was ich als Einladung für eine weitere Tour verstanden hatte. Soll mir das mit Marokko genauso gehen?
 
Auf dem Rückflug lerne ich dann noch ein Rentnerehepaar kennen, das neben mir sitzt und seit 1963 Marokko bereist. Damals, als die französischen Kolonialherren auf den Behörden  gerade gegangen waren und Marokko im Chaos versank, da sie alle Akten und Unterlagen mitgenommen hatten, waren sie zum ersten Mal dort. Es wurde eine ewige Liebe zu diesem Land. Später kamen sie mit dem Mietwagen, heute bereisen sie Marokko pauschal. Sie haben schon auf der Kasbah in Ourarazazte gewohnt und sind in vielen Teilen des Landes gewesen. So wird selbst der Flug nach Hause kurzweilig.
Mein Fahrrad ist nicht angekommen am Flughafen Düsseldorf, aber am nächsten Tag bringt man es mir dann noch. So habe ich ausser meinen Fahrradhandschuhen, die ich klar selbst verbummelt habe wieder alles heil nach Hause gebracht. Und ich bin gesund geblieben, sieht man einmal von meinem Schnupfen und Husten ab. Dafür bin ich mal wieder um viele Erfahrungen reicher und kann meiner Bekanntschaft 215 Dias präsentieren.