Radreise nach Marokko vom 26.1. - 2.2.2007 Nach zwei Jahren des Wetterfrustes, einmal sogar gepaart mit Krankheit, sollte es in diesem Jahr mal wieder ein angenehmer 7-Tage-Trip werden - so die theoretischen Gedanken. Für März hat sich Nachwuchs Nr. 3 angekündigt und so konnte ich Meike nicht länger alleine lassen, toll dass es überhaupt möglich war zu fahren! Um das Positive vorweg zu schicken: es gab keinen Plattfuß oder andere technische Probleme. Aber es kam anders, als geplant, ja eigentlich kam alles anders... Alles floß - im wahrsten Sinne des Wortes! 26.1.07 Marokko ist mir überlegen, selten habe ich mich so wie heute in die Schranken weisen lassen... Mit etwas Verspätung geht es in Hamburg los, mit weiterer Verzögerung ab Stuttgart weiter, angeblich lag kein gültiger Wetterbericht aus Marokko vor... so kommen wir mit 30 min Verspätung in Marrakesch an. Interessanterweise hat Hapag sein Programm geändert, ein Platz mit Beinfreiheit kostet jetzt 20 Euro extra, das Essen besteht nur noch aus einem Sandwich und einem Joghurt. Erfreulicherweise sind Rad und Taschen komplett da, nur der Spritzschutz vom Vorderrad wurde mitsamt einem Schutzblechteil abgerissen. Das Wetter ist wie vorhergesagt: bewölkt, ab und zu Regen, kalt, maximal 11 Grad erlebe ich heute. Gleich neben der Flughafenausfahrt nach Westen ist eine Tankstelle, der Kocher ist also versorgt! Dank Olafs kostenloser GPS-Vektorkarte Karte und meiner Ortskenntnisse vom letzten Jahr ist die Navigation herrlich einfach, gegen einen minimalen Gegenwind fahre ich nach Süden auf den Hohen Atlas zu. Besonders spannend ist es landschaftlich nicht, zumal dunkel und trist, die Strecke teilweise klitschnass. Immer wieder nieselt es leicht. Nach gut 35 km erreiche ich den Stausee, der Ort Takerkoust ist herrlich normal, in einem kleinen Laden, den 3 kleine Jungs managen, kaufe ich ein und freue mich über die aufreißende Wolkendecke. Hier geht der Abzweig zur Piste nach Aouzzer ab. Ich genieße diese auf den ersten Kilometern in vollen Zügen, toller Blick auf den Stausee! Nach ca. 3 km beginnt es ein wenig schlammig zu werden, ich denke mir nichts und fahre bis das Schutzblech vorne durch den Matsch blockiert, da es ohnehin auf dem Flug zerbrochen ist, schraube ich es ab... nach einem weiteren Kilometer Schieben frage ich einen entgegenkommenden Landcruiser, noch 5 Km, dann werde es besser. Ich schaffe noch einen, dann ist Schluß, es geht weder vor, noch zurück. Einige Baumaschinen stehen herum, ein einheimischer Radfahrer kommt mir entgegen, berichtet es gehe noch 10 km so weiter! Ich versuche zurück zu schieben, kiloweise Lehm und Matsch kleben am Rahmen. Als ich aufgeben will, kommt ein Caterpillar von der Baustelle, ich schmeisse schnell meine Taschen rein, lade das Rad auf seinen ausladenden Vorbau und zurre es mit zwei Riemen fest. So schaffe ich einen einfachen Kilometer zurück, dabei planiert der freundliche Fahrer die Strecke. Weiter erlaubt ihm sein nebenher laufender Chef jetzt aber leider nicht zu fahren, also lade ich nolens volens ab und quäle mich Meter für Meter voran. Nach einer weiteren Stunde bin ich mit Hilfe des anderen Radlers bis zu einer Parallelpiste gekommen, die ich dann wieder fahren kann. Mit dem letzten Sonnenlicht brause ich auf dem inzwischen zum Eselspfad mutierten Weg in den Ort, komme völlig verdreckt wieder auf Teer und werde wie ein Außerirdischer angestarrt. Schnell fahre ich zu dem Quadvermieter, den ich vorhin am Ortsende kurz vor Pistenbeginn passiert hatte, aber der ist natürlich schon zu und so kann ich nicht den Dampfstrahler benutzen, den ich vorhin dort registriert hatte... Aber am nahegelegenen Hotel gibt es einen Wasserschlauch! Brahim, der Patron hilft mir und erlaubt mir sogar das Zelt im Garten (auf Rasen!) aufzustellen, die Herberge wird zur Zeit nicht bewirtschaftet. Ich koche und baue auf, es ist nur 6 Grad warm, aber immerhin trocken. In einem Gespräch erfahre ich von einer Altenativroute über Amizmiz... 12 DH, 50 km, 537 Hm, 6-11 Grad, Ü 500 m 27.01.07 Ein sehr intensiver Tag! Ich wache nach schlechter Nacht mit bellenden Hunden und knatternden Mofas früh auf und packe bei 2 Grad die klitschnasse Ausrüstung zusammen. Der Weg führt nach Amizmiz und ist abgesehen von der furchtbaren Kälte wunderschön. Langsam kämpft sich die Sonne durch die Wolkendecke und leuchtet den frisch gefallenen Schnee auf den Bergspitzen an. Ich bin nicht gut drauf und komme nur langsam voran, zumal es ständig leicht bergan geht. Nach knapp 30 km erreiche ich das sehr typische unspektakuläre Amizmiz, ich brauche erst einmal einen Tee zum Aufwärmen... Der freundliche Cafebesitzer gibt mir Streckendetails, ein Stück sei sehr schlecht, zudem gebe es weniger Hügel als eher Kurven. Ersteres stimmt, das zweite ist Autofahrersicht, es geht natürlich ständig in tief eingeschnittene Oueds hinab und ist landschaftlich höchst spektakulär. Ich bereue den Umweg nicht! Später, nachdem ich die ersten nervigen Kinder der Reise abgeschüttelt habe und das nicht asphaltierte Oued Nfiss direkt vor Aouzzer durchfahren habe, steigt die Strecke deutlich und es geht 300 weitere Höhenmeter zum Paß Tizi Ouzla hinauf, der etwa 100 Meter höher, als in der Karte verzeichnet ist. Bei wolkenlosem Himmel gerate ich sogar einmal ins Schwitzen, obwohl das Thermometer heute nicht über 10 Grad steigen wird! Nach der unscheinbaren Paßhöhe eine schnelle Abfahrt durch teilweise schönen Kiefernwald und ich biege rechts ab auf die S 501 gen Ouirgane. Ein deutlicher Rückenwind wird mich von jetzt an begleiten. Mit ihm schaffe ich noch bis in den trostlosen und nur aus dem Hotel "zum rauchenden Wildschwein" bestehenden Ort, wo ich mir ein Hawaii und zwei kleine Kuchenstücke gönne. Inzwischen ist der Himmel leider wieder bewölkt und es ist ziemlich ungemütlich. Weiterfahren macht mehr Spaß, als anzuhalten und so fahre ich die folgenden gut 30 km im ewigen Auf und Ab, immer am teilweise großartige Ausblicke bietenden Oued durch die Gebirgslandschaft. Der Verkehr hält sich in Grenzen, Tourismus gleich Null, lediglich ein paar Mietwagen. Kurz vor Ijoukak geht meine eigentlich geplante Piste nach Ost, also links ab, auch eine Gite ist an der Strecke nach 3 km ausgeschildert. Angesichts der gestrigen Pleite und der bescheidenen Wettervorhersage beschließe ich, auf der Teerstraße zu bleiben, sollte es morgen wider Erwarten trocken bleiben, fahre ich das kurze Stück einfach zurück. Der Ort ist mir im Gegensatz zu Ouirgane sehr sympathisch! Sogar Apfelsinen gibt es seit Längerem mal wieder zu kaufen. In einem der Cafes genieße ich zum Warmwerden einen weiteren Tee, spiele mit 3 Jungs eine Runde Tischfußball! Der Besitzer zeigt mir eher wiederwillig seine Zimmer, es gibt leider keine Dusche, nicht mal eine kalte. Er empfiehlt wir eine Gite, 3 Kilometer südlich des Ortes. Gute Idee, ich mache mich auf den Weg und beziehe gegen 16.00 h mein Zimmer, da bleibt genug Zeit um ein bisschen die Ausrüstung zu pflegen... Aber zunächst führt mich der Patron durch sein Haus, ein Teil der Familie lümmelt vor der Glotze, die Dusche sei warm. Das Ganze soll 60 DH kosten. Ich stelle als erstes das Zelt zum Trocknen im Garten auf und wasche ein bisschen den Restschmutz von den Taschen. Schön, sich so ausbreiten zu können! Nach der wirklich warmen Dusche ist alles trocken, so dass ich am Rad noch einige Kleinigkeiten machen kann. Der Chef berichtet, dass es morgen im ganzen Süden stark regnen soll. Ob das Schnee am Test bedeutet? Als es dunkel wird, koche ich zur Gewichtsreduzierung noch ein Nudelgericht, es hätte auch Couscous im Haus gegeben, aber so groß ist der Hunger nicht. Vorm Zubettgehen besuche ich noch die Familie, auch um sicherheitshalber schon zu bezahlen. Da entdecke ich im Gästebuch tatsächlich einen Eintrag von Torsten Zumm, einem radfahrenden Freund aus Leipzig, der vor gut zwei Jahren auch hier untergekommen war! Ich bin früh im Bett, der zunehmende Mond scheint durch die dünnen Wolken. 84,5 DH, 102 km, 1820 Hm, 1-10 Grad, 6 h 37 min, Ü 1290 m 28.1.07 Noch so ein Wahnsinnstag! Als ich gegen 6.00 h aufwache prasselt der Regen auf das Dach - also doch... Völlig in Goretex gehüllt und mit Gefrierbeuteln über den Handschuhen verlasse ich noch bei Dunkelheit die Gite. Es gilt 800 Hm zu überwinden, bevor der Paß eingeschneit ist und ich hier in der Sackgasse stecke... Es geht langsam bergan, insgesamt sind es noch 40 km bis zum Tizi-n-Test. Der Regen wechselt von prasselnd zu schüttend. Von den nächsten gut drei Stunden gibt es zwei wesentliche Erfahrungen zu berichten: Zum einen wechsele ich die einen Tick zu kleinen Gefrierbeutel gegen ausgewachsene Plastiktüten, was mich sicher rettet, denn die zu dünnen Windstopper-Handschuhe wären nach einer Minute durchnässt gewesen, zum anderen beginnt ab 1800 m eine unangenehme vereiste Schnee- und Hagelschicht auf der Straße zu wachsen. Es sind lange Zeit 4 Grad, dann 3, zuletzt 2. Eiskalt prasselt der Hagel gegen mein Gesicht. Leider gibt es kein einziges Foto von der Strecke, da ich mit meiner komplizierten Handschuhkonstruktion zu ungelenk bin, die Taschen zu öffnen und dies angesichts des Regens auch besser nicht vorhabe. Der Wind hat kurz vor der Paßhöhe noch einmal aufgefrischt, inzwischen fahre ich durch eine verschneite Winterlandschaft. Endlich, das kleine Haus auf dem Paß! Ich schleppe mein Rad durch knöcheltiefen Schneematsch zum Eingang und trete ein. In der Ecke bollert ein riesiger Ofen! Hier verbringe ich die nächsten zwei Stunden, trockne mich und die gesamte Wäsche, trinke Tee, esse, komme langsam wieder zu mir. Die anderen Leute (der Chef, sein Bediensteter, zwei Lastwagenfahrer) sind sehr freundlich und geben mir den besten Platz am Ofen. Leider verbrenne ich einen meiner Fleecepullis, da ich ihn zu nahe an den glühenden Körper des Ofens halte... Am Ende zahle ich einen deutlichen Ofenbonus (ca. Faktor 3) für meine Dinge, aber egal, es war einfach schön hier oben. Schön ist jetzt auch der Blick in die Soussebene und weiter zum Anti-Atlas, es beginnt aufzureißen. In rasender Fahrt verliere ich 1400 Höhenmeter, teilweise ist es ziemlich gefährlich, loser Schotter, jede Menge Erdreich sind auf die schmale Asphaltdecke gespült worden, der ganze Paß ist nur 1,5 spurig ausgebaut und unvermittelt kommen Fahrzeuge um die Kurven. Immer wieder großartige Blicke genießend erreiche ich nach weiteren 40 km die Hauptstraße nach Aoulouz. Zunächst scheint es, als wären die restlichen 25 km dorthin schnell erledigt, aber ein grauenvoller Wind stabilisiert sich, der mich teilweise auf dem kleinen Kettenblatt fahren läßt! So bin ich zwei Stunden beschäftigt und fluche vor mich hin, als wäre das nicht schon genug da oben gewesen heute... In Aoulouz reißt dann die Wolkendecke auf, die ersten Sonnenstrahlen des Tages, zwischendurch hatte es tatsächlich wieder getröpfelt. Hier kaufe ich ein paar Kleinigkeiten ein und besorge Wasser für mein Biwak. Nach ein paar Minuten rolle ich gen Taliouine, dann falle ich kurz nach einer größeren T-Kreuzung rechts in die Pampa. Auch wenn ich mich hier unbeobachtet pflegen und das Zelt aufbauen kann, so bläst ein stürmischer Wind, der mich froh sein lässt, das stabilere Hilleberg dabei zu haben. Beim Kochen kauere ich mich hinter das Zelt, was kaum etwas bringt - zu allem Überfluss fällt auch noch der Topf um und etliche Dinge fliegen fast weg. Es wird Zeit für einen ersten wirklich erholsamen Reisetag! 46 DH, 124 km, 1500 Hm, 2-17 Grad, 7 h 20 min, Ü 700 m 29.1.07 Mein 40.ster Geburtstag - aber so hatte ich ihn mir nicht vorgestellt! Die ganze Nacht über bekomme ich kaum ein Auge zu. Zunächst bläst der Sturm bis ca. 2.00 h, dann beginnt es wie aus Eimern zu schütten, bei nahezu Windstille. Nach dem Platzregen windet es wie verrückt weiter. Völlig gerädert stehe ich gegen 7.15 h auf. An einer Stelle ist Wasser in das Zelt eingedrungen, natürlich genau da, wo die Klamotten lagen... Ich hänge während des Abbauens alles in die umstehenden Bäume. Auf der Straße Gegenwind und ich merke, wie schlapp ich bin. Endlos ziehen sich die 30 km bergan nach Taliouine. Mir wird klar, dass heute ein Ruhetag her muss. Kurz reißt die Wolkendecke auf, gibt den Blick auf die tief verschneite Atlaskette im Norden frei. Endlich in Taliouine angekommen genehmige ich mir erst mal ein paar Geburtstagskuchenstücke und gehe ins Cybercafe. Für 3 DH erfahre ich in der halben Stunde, dass es weiter kühl, aber trocken sein soll. Für Ouarzazate (1160 m) sind 15 Grad angesagt, ich will auf über 1900 auf meiner Anti-Atlas-Runde. Dann lese ich meine Geburtstagsemails und -sms und freue mich. Nach einem Telefonat mit Meike geht es schon wieder besser. Als ich aus dem Telefonladen heraustrete ist der Ort in einer Wolke verschwunden und es geht ein Schauer nieder. Ich sitze in verschiedenen Cafés und grübele. Anscheinend haben die Anstrengungen der letzten Tage mir ziemlich zugesetzt. Die unangenehme, auszehrende Kälte, schlecht geschlafene Nächte und die Aussicht, dass es nicht wirklich besser wird. Zudem "hänge" ich einen ganzen Tag in den Planungen. Fast sitze ich schon im Bus an die Küste um wenigstens an der Wetterschraube zu drehen, da überlege ich mir eine Nacht hier in der Stadt im Hotel zu verbringen. Nach einem Smalltalk mit zwei recht gut Deutsch sprechenden Marokkanern wird mir die Auberge Touristique Siroua empfohlen, Motel, Restauration und Camping in einem. Für 70 DH quartiere ich mich ein. Zu Mittag gehe ich in das Café oberhalb des Taxenstandplatzes, wo ich vor zwei Jahren mit Wolfi nett gegessen hatte und bekomme erneut eine köstliche Kefta, Hackbällchen in leckerer Sauce mit Pommes und Brot für 30 DH. Frisch gestärkt lege ich mich erst einmal eine Stunde aufs Ohr. Anschließend gehe ich noch mal ins Internetcafe, kaufe ein und erkundige mich nach der Abfahrtszeit der Busse nach Agadir. Sie fahren angeblich stündlich - inshallah! Es ist weiter extrem ungemütlich, diesig, kühl. Einen Moment sitze ich noch mit den Jungs vom Hotel, die Tee und Brot mit Marmelade anbieten, dann dusche ich kalt und gehe sehr früh schlafen. 120 DH, 32 km, 415 Hm, 11-13 Grad, 2 h 18 min, Ü 1050 m 30.1.07 Der Tag der (schweren) Entscheidungen. Ich wache erstaunlich fit auf! Der Himmel ist teils heiter, teils wolkig, insgesamt gar nicht so übel. Kurz entschlossen mache ich mich auf den Weg, meine geplante Route fortzusetzen. Aus Taliouine heraus ist zunächst eine 400 Hm Steigung zu überwinden. Es läuft recht gut, wenn es auch bitter kalt ist, eisig bläst der Wind aus Osten. Am zunächst höchsten Punkt ist ein kleiner Weiler mit Einkaufsmöglichkeit, ich gönne mir neben einem Getränk ein hart gekochtes Ei. Bereits hier auf knapp 1500 m kommen mir Zweifel, die sich 3 km weiter ab Abzweig nach Agadir Melloul stärken: der Tag mit glasklarer Fernsicht scheint zwar sonnig zu werden , auf der Höhe auf der meine Tour läuft, wird es aber eiskalt bleiben. Eine weitere desolate Übernachtung ohne Möglichkeit umzuplanen traue ich mir trotz ganz guter Beine nicht zu. Zudem hätte ich wohl den ganzen Tag Wind von vorne - herrje arbeitet es in mir, aber ich drehe um, brause mit mächtiger Wut im Bauch ohne anzuhalten durch Taliouine bis zum nächsten Ort, wo ich im Cafe in Ruhe frühstücke. In einer Art Verzweiflungstat fahre ich die hier beginnende Straße nach Igherm an - war es im Windschatten des Cafes in der Sonne doch so warm - hier bläst wieder der eisige Wind. Immerhin sind die Kilometer im Tal des Assif Tisgui ein echter Leckerbissen: wunderschöne Lehmdörfer säumen die Straße, freundliche Menschen grüßen überall, Palmen wachsen im Flußbett, die Türen der Häuser leuchten in frohen Farben. Ich fahre weiter gen Aoulouz - wie zum Hohn hat der Wind seine Richtung geändert und bläst mir nun auf den kommenden 80 km entgegen. Zum Glück geht es tendenziell bergab und mein Ärger über diesen Streckenverlauf lässt die Pedalen nur so fliegen. Mit einigen kurzen Stopps erreiche ich gegen 16.00 h Arazane. Insgesamt ist die Fahrt durch die Soussebene nicht uninteressant. Der weite Blick hinüber zum Hohen Atlas, die wechselnden, sehr fremdartig, teils wüst wirkenden Landschaften haben durchaus ihren Reiz. Wie immer ist gerade, wenn man auf Zeltplatzsuche ist, gerade nichts zu finden, daher muß ein Platz mitten auf einem riesigen Acker mit Sichtschutz durch eine große Arganie herhalten. Ich hänge lange über der Karte und überlege, welche Schleifen ich noch fahren kann, Luftlinie zum Flughafen sind es gerade noch 80 km... 31 DH, 127 km, 726 Hm, 5-18 Grad, 6 h 41 min, Ü 370 m 31.1.07 Klitschnass ist morgens alles - und das obwohl die ganze Zeit der Wind blies. Offensichtlich sitzt die Feuchtigkeit im Boden durch die kräftigen Regenfälle der letzten Tage! Gaaaanz langsam mache ich voran, aber die flach stehende Sonne hat keine Chance, das Zelt zu trocknen. Mit leichtem Ostwind fahre ich auf den Abzweig nach Igherm zu - die letzte Chance!? Aber weder geistig noch körperlich kann ich mich aufraffen. Selbst hier unten in der Ebene ist es jetzt gegen 8:30 h so erbärmlich kalt, dass ich mit langen Handschuhen fahre. Ich habe irgendwie keine Lust mehr zum Radfahren, das soll was heissen! Eine Chance gebe ich mir noch, nehme nicht den direkten Abzweig nach Taroudant, bei nächsten könnte ich noch links gen Ait Baha ausscheren. Aber Taroudant zieht mich magnetisch an, gegen 10.00 h rolle ich durch eines der 7 Stadttore durch die Stadtmauer, wunderschön liegt die Stadt zu Fuße der satt schneebedeckten Berge. Nach ein wenig Fragerei ist auch der Place Assarag gefunden und im Cafe Les Arcades "mein" Zimmer bezogen. Leider wurde es nach den Vorbesitzern nicht gereinigt, das lässt den Preis noch einmal fallen... Der Tag vergeht mit langen Bummeln, Barbierbesuch, einer Stippvisite im Internetcafe und einigen lustigen Begegnungen und Gesprächen, z.B. Mit Mahdi, dem Burschen an der Kasse des Internetcafes, der Englisch in Agadir studiert hat und keinen Job als Lehrer bekommt. Oder mit Noudine, der mich unbedingt in "la maison berbere" abschleppen möchte, in der ich LKW-Ladungen von Souvenirs abschleppen könnte. Am Abend sagt wetteronline.de zwei Regentage für Agadir voraus, wunderground.com dasselbe für Taroudant. Morgen sehen wir weiter! 81 DH, 38 km, 50 Hm, 7-18 Grad, 1 h 51 min, Ü 240 m 1.2.07 Habe (mit Ohrstöpseln) gut geschlafen und baue gegen 7.30 h mein Rad auf dem Vorplatz des Cafes zusammen. Nach Osten verlasse ich die Stadt - auf jeden Fall erst einmal den Wind testen und sicherheitshalber am Busbahnhof vorbei. Noch meint das Wetter es gut mit mir, es ist bewölkt, mit 13 Grad sehr mild und der Wind bläst mir in den Rücken. Nach der Überquerung des Oued Souss macht die neu gebaute Parallele einen kräftigen Schlenker nach Süd, der mich überlegen lässt, doch von Taroudant die Hauptstraße zu empfehlen um erst später auf die Umgehungsstraße zum Flughafen abzubiegen. Aber der Vorteil dieser Strecke ist ganz klar der geringere Verkehr. Ca. 90 Minuten stehen die Zeichen günstig, ich fahre am Stück 40 km, dann weht mit einem kräftigen Gegenwind und einer kalten Brise die erste Regenwolke aus der Bucht von Agadir herein. Ich kaufe in einem kleinen Laden - der Besitzer spricht ausnahmsweise kein Wort Französisch und hat im Nebenraum einen hygienisch einwandfreien Geflügelverkauf- ein und ziehe das Regenzeug an, heize ein paar Minuten im Windschatten eines Treckers mit und bin exakt drei Stunden reiner Fahrtzeit in Temsia, wo sich direkt auf Höhe des Flughafengeländes einige kleine Läden befinden. Hier hatte ich vor 4 Jahren mit der Familie eines Ladenbesitzers einen netten Kontakt. Aber leider scheint der Besitzer gewechselt zu haben, ich erkenne niemanden wieder. Eine Bemerkung am Rande: die Flughafenmagistrale scheint sich zum Treffpunkt der Nervbolde zu entwickeln. Nicht zum erstenmal ist meine Anzahl unangenehmer Anmachen hier auf wenigen Kilometern höher, als in der ganzen Urlaubszeit zusammen... Relativ entspannt erreiche ich nach knapp 80 km Ait Melloul, gerade, als es erneut heftig und langanhaltend beginnt zu regnen. Zusammen mit dem ungewohnt dichten Verkehr ist das Ganze schon eine Herausforderung! Eigentlich will ich ja noch bin Inezgane, wegen des Regens kehre ich aber zunächst in ein Internetcafe ein, wo ich fast zwei Stunden hängen bleibe. Der Kassierer und seine Kumpels entpuppen sich als sehr nett! Auf eigene Faust erkunde ich in der ersten Regenpause den Ort, werde mehrmals von Autos komplett naßgespritzt, da die Pfützen enorme Ausmaße angenommen haben. Versteckt in einer größeren Straße entdecke ich das Hotel Joubir, das allerdings über 200 DH kosten soll. Am Ende zahle ich 120, habe immerhin Fernseher, heisse Dusche, ein halbwegs nettes Ambiente und erstmals unbenutzte Bettwäsche, so kann der Schlafsack eingepackt bleiben, die Lowridertaschen bleiben am Rad in der Hotelgarage, ähem... Nach einer kurzen Aufwärm- und Trockenphase im Bett mache ich mich auf den Weg zu Lahcens Cybercafe und er lädt mich zum Tee ein, dabei treffen wir zahlreiche Freunde, u.a. Einen, der am Flughafen als Polizist arbeitet und morgen meinen Paß stempeln wird! Mit einem anderen, der extra losgerannt ist, und seine gesamte Spielesammlung angeschleppt hat, spiele ich meine erste Partie Schach seit Jahren, gewinne trotz einiger derber Schnitzer am Ende knapp. Plötzlich kommt ein sympathischer älterer Herr, der mir (er hatte gehört, dass ich Chirurg bin) Fotos und ein Zeugnis seiner über 2000 durchgeführten Phimosen-Operationen zeigt. Er war Krankenpfleger in der Region Fes. Nun fragt er mich, ob ich nicht seinem 28 jährigen Sohn einen Job als Krankenwagenfahrer in Deutschland vermitteln kann? Zum Glück kann ich radebrechend klar machen, dass das so leicht nicht ist... Der Regen hat inzwischen aufgehört und nach einem kleinen Einkauf gehe ich nachdenklich zurück in mein Hotel. Morgen steige ich also einfach in den Flieger nach Hause - so leicht ist das für uns...für andere unerreichbar. Zeit für ein Fazit. Trotz allen Pechs dieser Reise, ich habe nicht eine einzige der insgesamt 5 geplanten Pisten befahren, landschaftlich wenig bis gar nichts Neues erlebt, das schlechteste Wetter aller meiner Radreisen gehabt und mich körperlich die ganze Zeit überfordert gefühlt, bin ich mit Marokko und seinen Bewohnern absolut im Reinen. Gerade unter den geschilderten Bedingungen hat mich die Offenheit, Freundlichkeit und bedingungslose Hilfsbereitschaft der Menschen nachhaltig beeindruckt. Neben den grandiosen Landschaften, die ich dieses Jahr nur ansatzweise im Hohen Atlas und dem immer wieder begeisternden Anti-Atlas erfahren habe, ist diese menschliche Atmosphäre das Potential des Landes. Das Lächeln, der herangerückte Stuhl, der untergeschobene Pappkarton, die Einladung zum Tee, das Interesse am Fremden macht das Reisen in Marokko zum Genuß. Ich werde wieder kommen - inshallah! 144 DH, 80 km, 77 Hm, 13-19 Grad, 3 h 39 min, Ü 15 m 2.2.07 Als ich aufwache, regnet es kräftig. Nach dem Duschen und Packen reißt es zum Glück rasch auf und ich komme zumindest von oben trocken zum Flughafen. Der Dampfstrahler der Afriquia-Tankstelle befreit mein Roß vom Schmutz der Reise, ich nutze die sanitären Einrichtungen dort zum Umziehen und schnacke noch eine ganze Zeit mit einem deutschen Wohnmobilisten aus deem Allgäu und drei Taxifahrern, die an meinen Radreisen und den Handypreisen in Stuttgart hoch interessiert sind. Beim Einchecken gerate ich noch mit dem Chef des Sicherheitsservice aneinander, der meint, mein Rad müsse über das Rollband. Außerdem walken seine Gehilfen jedes Luftmolekül aus meinen Reifen... Am Ende kann ich ihm demonstrieren, dass es nicht passt und er gibt nach. Nach unaufregendem Rückflug kehre ich um einige Erfahrungen reicher heim. Ehrlich gesagt habe ich mich noch nicht häufig nach einen Urlaub richtig gefreut wieder zuhause zu sein. Diesesmal war es anders, aber nach über 40 Radtouren kann es ja auch mal so sein, oder? A la prochaine!?
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