Welch ein Kontrast in diesem Jahr, selten lagen Frust und Faszination so nah beieinander! Dank der neuen Charterflugverbindung der Hapag-Lloyd war eine Buchung nach Marrakesch (RAK) möglich und eröffnete ein anderes Tourenspektrum. Die 10. Radtour in Marokko sollte eigentlich wegen der Kälte des letzten Jahres ein wenig später beginnen, allerdings ließ sich wegen Meikes Vertretungsjob nur dieser Termin als Kompromiss finden. Vier neue Routen wollte ich ausprobieren: - die neu asphaltierte Querung des Hohen Atlas von Demnate nach Ouarzazate
- die offenbar recht unbekannte Ost-Westverbindung nördlich Boumalne/Tinerhir im Asif M´goun Hochtal
- die von Julius Grossmann im letzten Jahr „vermessene“ piste interdite entlang der algerischen Grenze, von der Wolfi und ich auf der Tour 2005 bereits den Westteil erfahren hatten
- die Querverbindung Alnif/Tinerhir von der ich im Sahara Overland Führer schon vor geraumer Zeitz gelesen hatte.
Doch was war nun Frust und was Faszination….? 7.2.06 Was für ein Pech! Nach völlig problemloser Anreise und Landung in Marrakesch, hätte ich bereits um kurz nach 12.00 h auf der Piste sein können. Leider sind aber meine beiden Lowridertaschen nicht angekommen… Am Lost Luggage Schalter lasse ich einen Bericht ausfüllen, eine Vorgangsnummer soll ich heute Abend erfragen – inchallah! Super, noch nicht einmal das Werkzeug habe ich dabei, zum Glück aber die Pedalen! Mit schlotterigem Lenker fahre ich los, finde zum Glück ein französisches Wohnmobil, mit einem guten Werkzeugkoffer incl. der benötigten Inbusschlüssel, die am Taxistand keiner hatte! Auch der Sattel findet so die richtige Position. Dabei fing der Tag so nett an mit einem kleinen Treffen auf dem Stuttgarter Flughafen mit Thomas Friedrich, dem Moderator des www.marokko.com Forums und Rainer, der seit Jahren in Marokko lebt und arbeitet. Unsere Abflughallen lagen direkt nebeneinander, die beiden wollen bzw. müssen heute nach Agadir. Im Flieger konnte ich mich nett mit einem Architekten austauschen, der in Marrakesch und Agadir arbeitet. So verging die Zeit sehr kurzweilig - und nun das! Angeblich soll mein Gepäck erst mit der Freitagmaschine kommen. Ich rufe zunächst im Reisebüro in Hamburg an und dann Meike und bitte um Unterstützung von Deutschland aus. Besonders motiviert wirkten die Jungs am Flughafen nicht… In den Taschen befinden sich übrigens mein Zelt, der Schlafsack und die Isomatte sowie ein paar Kleinteile und das Werkzeug. Nach etwa 5 Kilometern erreiche ich die Koutubia und stärke mich an meinen Sandwiches, in meinem Kopf rattert es. Welche Möglichkeiten habe ich, das Beste aus der Situation zu machen? Das CTM Hotel, wo ich zunächst direkt am Djemaa versuche unter zu kommen, soll 110 DH kosten, ist mir zuviel, das Chellah, ist bereits voll. Im Essaouira gefällt es mir, für 70 gäbe es ein Zimmer, aber da das Rad mit muss, wird es ein Doppelzimmer für 90 – hamdulillah! Ehrlich gesagt habe ich keine Lust groß zu handeln. Der Tag verfliegt mit Telefonaten, Internetcafébesuchen und langen Spaziergängen durch die Medina. Ich kaufe ein Kilo Datteln, werde in einer Berberapotheke mit allen möglichen Mitteln eingerieben und sauge die Stimmung am „Platz“ auf. Irgendwann, als es dunkel wird, setze ich mich in eine Garküche und esse für 30 DH Couscous Poulet, Brot und Oliven, es schmeckt leider recht übel. Lange noch liegt es mir auf dem Magen, hoffentlich gibt´s keinen Dünnpfiff... Immerhin erfahre ich später, dass morgen eine Maschine aus Frankfurt mit meinen Taschen kommen soll. Rainer, mit dem ich lose verabredet hatte, dass er mich evtl. mit gen Süden nehmen könnte, ist übrigens auch versetzt worden und sitzt noch in Agadir am Flughafen fest. Ich beende den Tag im „Frieden“ laufe noch lange durch die Souks, die zur späten Stunde immer mehr anschwellen, Gerüche, Trommeln, Lichter, Rauch – unglaublich. Vielleicht hat das Ganze auch was Gutes. Als ich ins Bett gehe, beginnt es in den Innenhof des Hotels zu regnen. 8.2.06 In der Nacht ist es kühl, nur 14 °C im Zimmer. Schon um 5.00 h bin ich hellwach, habe immer noch ein Grummeln im Bauch vom Essen, als es hell wird sitze ich auf der Dachterrasse des Hotels und warte auf die Berge…Allerdings sind diese im Gegenlicht nicht so eindrucksvoll. Ein Anruf am Flughafen bringt keine neuen Informationen. Für 10 DH frühstücke ich auf der Terrasse, frischer O-Saft, warmes Brot, Butter und Marmelade. Im Internetcafé erfahre ich, dass eine Maschine der British Airways aus London um 19.45 h meine Taschen an Bord haben soll! Also noch ein Tag, der in Ruhe verbracht werden kann. Ich beschließe den Jardin Majorelle und den Busbahnhof zu suchen, letzterer ist schnell ausgemacht und ich erfahre, dass morgen früh um 6.00 h ein Bus nach Demnate föhrt, perfekt. Auch den Garten finde ich etwa 2 km weiter recht schnell, ich schlendere eine knappe Stunde herum. Zum Ende kommt auch die Sonne heraus und lässt die Farben entsprechend kräftiger werden. Zwischendurch informiere ich noch Rainer, dass ich wegen der späten Ankunft der Maschine nicht mit ihm fahren werde, er holt heute sein Auto am Menara Airport in Marrakesch ab. Dieses wäre auch eine Variante gewesen, die ich angedacht hatte. Anschließend mache ich einen Abstecher zum Supermarkt Marjane, von dem ich im Marokkoforum so viel gelesen hatte, kaufe dort sicherheitshalber ein paar Flicken, Vulkanisationsflüssigkeit gibt es leider nicht. Vormittags habe ich Béatrice angerufen, die seit ein paar Jahren in Marrakesch lebt und mit einem Marokkaner verheiratet ist. Zusammen arbeiten sie im Tourismus, haben eine Gite in Agouti hoch in der Bergen und machen individuelle Reiseleitungen incl. Trekking und Radtouren im ganzen Land. Wir verabreden uns um 13.00 h am Djemaa. Dort sitzen wir über 2 Stunden im Café und führen eine sehr interessante Unterhaltung. Es ist richtig warm heute und der Wind geht angenehm. Zurück im Hotel genieße ich die spektakuläre Aussicht auf die schneebedeckten Gipfel des Hohen Atlas und da das Essaouira ein echtes Travellerhotel ist, findet sich schnell eine Neuseeländisch – Holländische – Australische – Deutsche Runde, die Englisch spricht :-) Da heute die Sonne lacht, gehe ich nochmals lange über den Platz und fotografiere viel. Ich kaufe für morgen schon alle Vorräte. Gegen 19.00 h fahre ich nach einem Tankstellenbesuch (Bleifrei für den Kocher…) die gut 7 km zum Flughafen. Alle 50 m steht ein Polizist, angeblich soll der König heute der Stadt einen Besuch abstatten! Hoffentlich kommt er nicht eingeflogen! Am Airport muss ich noch etwa eine Stunde warten, bis der gnädige Herr Ordner mich in die Abfertigungshalle lässt, meine Taschen liegen jedenfalls schon da, wer weiss wie lange… Ich hätte übrigens jede Menge anderer Taschen nehmen können, interessiert hat keinen, was ich da mache. Zurück wieder im Dunkeln auf der viel befahrenen Strecke, auch ein Erlebnis. Im Strom des Abendverkehrs werde ich auf den Djemaa gespült, welch Sintflut der Impressionen. Telefonieren, Entwarnung geben, duschen, packen – ich bin gespannt auf morgen! le jardin Majorelle à Marrakech... Trockenobststand am Djemaa el Fna... Garküche am Djemaa el Fna... 9.2.06 Um 5:30 h stehe ich am Gare Routiere. Es beginnt zu regnen. Knapp 2,5 Stunden dauert der Zickzackparcours nach Demnate, jeder große Ort auf der Strecke wird angefahren, aber es ist ein herrliches Panorama, immer wieder ragen völlig weisse Kuppen aus den Ketten der Berge heraus! Demnate liegt auf 930 m, ein überraschend grosser Ort. Gleich steigt die Strecke an, herrlich endlich unterwegs zu sein. Der erste Paß ist 1650 m hoch, dann einen kleine Abfahrt, aber eher ein wenig Auf- und Ab. Großartige Blicke, tolle Landschaften, ich passiere die Naturbrücke Imi-n-Ifri, leider ist es sehr diesig und stark bewölkt, immerhin aber mit 12° C recht warm. Zu dem leider bestialischen Südwind gesellt sich im schweren Anstieg zum ersten namenlosen, ca. 2200 hohen Paß dann auch noch Regen. Ich überlege ernsthaft, ob es Sinn macht weiter zu fahren, rapide fällt die Temperatur. Auf 2° C, der Schnee liegt jetzt an einigen Stellen noch einen halben Meter hoch! Irgendwie kämpfe ich mich weiter, eine kurze kalte Abfahrt auf 2000 m, dann wieder hoch auf den Tizi-n-Outfi, 2130 m. Inzwischen habe ich alles angezogen, was ich besitze, Goretexjacke und –gamaschen, Kapuze, Stirnband, Handschuhe… In At Tamlil überlege ich kurz einzukehren, aber bei knapp über Null ist es in den Häusern so klamm, das einzige was noch rettet ist warm blieben, weiterfahren. Ich kämpfe mich schon wieder bergan, schade, dass so wenig Zeit für die an sich galaktische Umgebung bleibt, die Straße hat sich in weiten Teile bereits wieder zu einer Piste zurückgebildet und fordert angesichts der Bedingungen volle Konzentration. Es muß unglaubliche Niederschläge gegeben haben, der Nordhang ist komplett weiss, Teilweise liegen ganze Bäume an der Straße, die weggespült worden sind. Endlich ist nach knapp 75 km und 2200 Höhenmetern Toufrine nahezu erreicht. Die Gite d ´Etappe, in der Heiko übernachtet hatte, ist mein Ziel. Er hatte übrigens auch eine Streckenbeschreibung abgeliefert, die ich leicht ergänzt unten einstelle. Noch einen Paß schaffe ich heute einfach nicht mehr, jeden Meter ringe ich den Bergen unter diesen Umständen ab. Und das Zelt in diesem Matsch, der überall auf zu stellen, wäre Unsinn. Also sage ich nach kurzer Inspektion der Örtlichkeit zu, soll 50 DH kosten. Der Raum hat ein paar einfache Lager und Decken, ist mit Teppich ausgelegt, eine Toilette ist im Hof. Im Laufe des Nachmittags gibt es Tee, Brot mit Butter und Olivenöl zum Tunken, lecker. Ich „dusche“ mit Hilfe einer Kelle und eines Eimers warmen Wassers und bekomme einen kleinen Topf mit glühender Holzkohle zum Wärmen, was bei weniger als 6° C (Innen-!)Temperatur sehr nützlich ist…. Draußen regnet es weiter in Strömen. Leider wird aus dem jetzt so gewünschten Alleinsein und Ausruhen nicht viel, meine schlechten Französischfähigkeiten machen den Rest des Tages sogar recht anstrengend. Der Vater Mohammed, der eigentlich die Unterkunft betreibt ist zur Zeit im Lande unterwegs, daher managed sein 18 jähriger Sohn Said den Laden. Am Ende kostet mich der Aufenthalt incl. allem 100 DH. 10.2.06 Es gibt Tage… Nach einer guten Nacht wache ich pünktlich um 6.30 Uhr auf, der Himmel ist fast geschlossen bewölkt, vereinzelt sehe ich Blau. Hoffnung kommt auf! Beim Abstieg vom Haus zur Straße stürze ich fast noch in den Matsch! Nach einige Minuten erinnere ich mich zum Glück an das liegen gebliebene Klopapier und fahre zurück– puh…. Der Anstieg zum Paß ist zäh, zumal heftiger Gegenwind mich beutelt und es anfängt zu regnen. Oben sind noch 1,5° C. Als es schon fast aufklart, ziehen plötzlich wieder dunkle Wolken herein, Nebel lässt mich die Hand kaum noch vor den Augen erkennen. Eine hässliche Abfahrt, rutschig, steil, die Straße existiert an einigen Punkten nicht mehr, ich bin völlig durchnässt. Bereits hier verwerfe ich die Planung, später nach Osten in das Asif Mgoun Hochtal abzubiegen. Stattdessen fahre ich mit dem Mut der Verzweiflung über 4 Stunden am Stück mit Vollgas bis nach Skoura, wo ich nach 100 km gegen 13.00 h ankomme. Ich habe heute von Toufrine bis zur Straße der Kasbahs kein einziges Fahrzeug gesehen! In einem Café gibt es Tee, Kuchen, ich wechsele meine Hose, selbst meine Schuhe sind komplett durchnässt. Der ganze Ort steht zudem unter Wasser. Über den aus einer einzigen Pfütze bestehenden Platz wate und springe ich zu den Taxis, angeblich fährt kein Bus nach Erfoud heute. In diesem Moment rollt allerdings einer in der Ort. Kurze Frage beim Fahrer, schon stürme ich zum Café zurück, der Bus fährt nach - Erfoud. Keine 3 Minuten später ist alles verladen, ich habe 100 DH gezahlt und sitze mir nassen Socken und nassem Oberteil im ziemlich kalten Bus, der unbeheizt ist und etliche offene Fenster hat. Ich wünsche mir eine trockene Winter-Djellabah! Der Bus fährt zum Glück schnell, in Null Komma Nichts sind wir in Boumalne, ich schicke eine SMS an Meike. Wolkenverhangen die Landschaft, weiter Dauerregen – die richtige Entscheidung. Leider macht der Bus noch einen unerwarteten Schlenker über Rachidia, unterwegs überholt uns der Mindener Jeep von Rainer, die Welt ist klein… Hinter Rachidia merke ich leider, dass mir jemand das Handy aus meinem Handgepäck gestohlen haben muß. Ich spreche den Busbegleiter an, wir beschließen in Erfoud gemeinsam zur Polizei zu gehen. Überhaupt ein netter Kerl, dieser Jamal, spricht sehr gut Englisch und kann eine Menge Interessantes berichten. Der Gang zur Polizei ist eine Farce, man schickt uns weiter zur Gendarmerie Royal, diese meint jedoch, sie sei nicht zuständig, ich solle mich an das 100 km entfernte Rachidia wenden. Einen weiteren Urlaubstag zu opfern scheint mir unangemessen, ich melde den Verlust zunächst und lasse über Meike die Nummer sperren. Ich finde Dank Jamals Tipp ein nettes Hotel namens Merzouga, für 60 DH sogar mit eigener warmer Dusche und Toilette auf dem Zimmer. Zum Dank lade ich ihn zum Tee ein und wir klönen noch eine Weile. Ausblick im Aufstieg... Schnee am Tizi-n-Outfi... Katastrophale Bedingungen... 11.2.06 Der erste echte „Afrikatag“, wenn auch mit Einschränkungen, die Nacht war bescheiden, ich weiß schon, warum ich lieber in der Pampa zelte ;-) Immer wieder dröhnte irgendwelcher Lärm und alle Stunde ging für ein paar Minuten ein Wecker, zudem tropfte der Regen an einer Stelle laut in den Innenhof. Selbst die Ohrstöpsel halfen nicht. Um 6:30 h sitzt ich auf dem Rad und fahre im Nieselregen gen Rissani. Auf den 24 km sehe ich nur wenige Autos, die Landschaft im ersten Morgenlicht ist wüst, Palmen, Oasen. In Rissani frühstücke ich ein hart gekochtes Ei, einen Yoghurt und Brot. Die neue Asphaltstraße macht einen langen Bogen nach Osten um die Oase der Stadt herum, um dann direkt auf die Dünen von Merzouga zuzuhalten. Umlaufender Wind und langsam aufklarender Himmel lassen endlich Urlaubsgefühle aufkommen. Mehrmals noch wird diese Idylle von heftigen Schauern unterbrochen, nach 84 km bin ich in Taouz. Endzeitstimmung, ein echter Wüstenort, letzte Versorgungsmöglichkeit vor der längeren Pistenetappe. Ich trockne meine gesamte Ausrüstung in der nun stechenden Sonne. Ein sehr gut Englisch und Deutsch sprechender Marokkaner berichtet, es habe 5 Jahre keine ausreichenden Niederschläge gegeben. Für Land, Leute und Tiere ist das Ganze sicher ein Segen. Für die 400 Einwohner des Ortes hält der kleine Laden sogar köstliche Apfelsinen bereit, ich decke mich damit, sowie mit Brot und Wasser ein. Gegen 13.00 h breche ich auf, ein Junge begeleitet mich hinaus auf die Piste, nicht ohne immer wieder zu betonen, wie schwer und unmöglich mein Unterfangen eigentlich sei. Zunächst ist die Strecke übel steinig, ich fürchte schon Schlimmes, aber im Schnitt ist dieser erste Pistentag eher einfach, was sicher auch am nun günstigen Wind liegt. Es gibt unheimlich viele kleine Chotts, Salztonsenken bzw. –ebenen. Alles ist durchfeuchtet und stellenweise irre matschig, ich fahre viel Slalom um passierbare Stellen zu finden. Die Einfahrt nach Ouzina ist sehr steil, ich muss das erste Mal schieben, im Ort wollen mich die Frauen unbedingt zu einem Tee im Haus nötigen, das Ganze wirkt aber sehr professionell, so das ich ablehne. Es gibt einen Wasserhahn, an dem ich meine Duschration auffülle. Hinter dem Ort beginnt eine erste lange, sehr sandige und unter normalen Bedingungen kaum zu fahrende Passage, durch den feuchten Boden kann ich die meisten Stellen mit Schwung passieren, sobald ich langsamer werde, sinke ich hinten ein und komme nicht weiter. 3 km sind sehr schwer, ich schiebe bestimmt ein Drittel davon. Am Nordrand der Piste sind zahlreiche Auberges, alle Menschen die ich sehe berichten vom beschwerlichen Weg nach Remlia, dem tiefen Sand und ihren bequemen Unterkünften… Dann quere ich einen bergigen Abschnitt, kurz darauf stürze ich fast im Matsch, es wird Zeit aufzuhören. Ich finde exakt den Punkt, wo Julius Grossmann im letzten Jahr übernachtet hat. Dank moderner Technik muss ich ja ohnehin „nur“ dem Pfeil meines GPS folgen, das ich alle Viertelstunde zur Sicherheit anstelle, um zu prüfen, ob ich noch auf Julius Spuren reise. Mein Dank an dieser Stelle an ihn, für den seit Jahren regen Informationsaustausch. Dieser Biwakplatz ist wirklich genial, eine herrliche Wüstenszenerie aus Sand, Bergen und einer großartigen Sicht. Ich zelebriere meine erste freie Übernachtung, dusche, koche, schade, dass keiner dabei ist, mit dem ich meine Freude teilen kann, zur Feier des Tages gibt es 2 Spaghettigerichte…. Einstieg in die Piste bei Taouz Abwechslungsreiche Wüstenszenerie Biwakplatz "Julius" 12.2.06 Was kann und wird noch alles passieren auf dieser Reise? Wieder bin ich früh hoch, schon beginnt es zu nieseln. Ich baue schnell ab und rausche gen Remlia, nicht schon wieder durchnässt werden. Zunächst ist es wieder sehr sandig, dann quere ich einen großen Chott. Zum Glück gibt es einige trockene Abschnitte. Hinter einen kleinen Kuppe taucht dann die Auberge Aghbalou auf. Ach ja, hierzu bedarf es einer kleinen Vorgeschichte. Julius hatte einen netten Kontakt zu Mohammed (wie könnte es anders sein) hergestellt, ich hatte ein Foto von ihm und seiner Sippe im Gepäck und im Vorfeld mit ihm per E-Mail (über einen Bekannten in Rissani) kommuniziert. Diese Auberge wird von seiner Familie betrieben. Sie liegt sehr hübsch und macht einen tollen Eindruck, ich frage mich aber immer, wer solche Art der Unterkunft annimmt, denn die individuell Reisenden campen doch meist wild und die Pauschalos treibt es kaum hierher… Leider ist keiner da und ich frühstücke in Ruhe auf einem kleinen Schemel, der vor der Tür steht. Über dem ca. 5 km entfernten Remlia braut sich ein echtes Gewitter zusammen, pechschwarze Wolken über der Wüste, drohend über den Bergen am Horizont. Sogar einen großen Regenbogen gibt es, da die Sonne von meiner Seite flach hinüber scheint. Gerade noch erreiche ich den Ort, da bricht der Regen los. Ein junger Mann kommt angerannt und fragt: "Monsieur Jan?" Schon schiebe ich das Rad in den Hof der Familie und wir begrüßen alle. Neugierig werde ich beäugt und wir nehmen Platz im Wohnzimmer, es gibt Tee, Brot, sogar ein frisches Omelett hat man mir gebraten! Dank des hervorragenden Englisch, das Mohammed spricht (er hat in Meknes Englisch studiert) erfahre ich wieder unendlich viele spannende Dinge, zumal der Horizont dieses jungen Kerls wirklich weit ist. Nach dem Ende des Regens und einigen Stunden der Konversation (er hat mir sogar eine CD seiner Studienarbeit übergeben!) verlasse ich den wunderbaren Ort. Ich frage ihn nach einer Gegenleistung für die nette Versorgung, er meint die Frauen hätten die Arbeit gehabt. Erstaunlicherweise nehmen sie meine Dirhams ohne Gegenwehr an, die Kinder bekommen einen Corny-Müsliriegel. Mohammed begleitet mich zur Querung des Oued Rheris, die in den Führern ja als sehr schwierig beschrieben ist. Am südlichen Ortsrand zeigt er mir seine Variante mit dem geringsten Sandanteil, in der Tat muss ich vielleicht 4 oder 5 Mal ein kleines Stück schieben, sonst läuft es gut. Die Sonne ist herausgekommen, es ist schwül. 5 km breit ist dann Oued, am Ende trennen wir uns herzlich. Ich folge erneut den Spuren der beiden LKW mit den Sandreifen, die hier kürzlich gefahren sein müssen, wie gestern eine gute Orientierung und oft durch die Kompression der hohen Fahrzeuggewichte gut fahrbar. Plötzlich ein Allradfahrzeug, ein stilechter Toyota mit Aufbau aus OPR-XX YYY. Ich klöne sicher eine halbe Stunde mit dem sympathischen Pärchen, derweil zieht schon wieder schlechtes Wetter auf, genau 10 min verpasse ich den Absprung, in diesen 10 Minuten bin ich erneut durch den heftigen Regen trotz aller schützenden Hüllen durchnässt. Ich peitsche im wahrsten Sinne des Wortes durch die Wüste. Dennoch verwandelt sich die Umgebung in einen See. Der nunmehr klar erkennbare Lac de Maider sieht aus wie ein Meer. Das Tal verengt sich und die Piste steigt an. Einige Motorradfahrer verlassen gerade als ich über den kleinen Paß komme, den Ort Tafraoute. Es gibt einige Auberges, ich steuere eine Gite d´Etappe namens "Sidi Ali" an. Man empfängt mich freundlich, keineswegs überrascht. Ich trockene alle Klamotten im Windzug zwischen den offenen Türen, in der Annahme, ich könnte heute noch weiterfahren. 2 „Fanta lemon“ später kommt einer, der sehr gut Englisch spricht, er berichtet von vielen Radfahrern in letzter Zeit: vor 3 Tagen ein Franzose, vor zwei Wochen ein Belgisches Paar, vor einem Jahr etwa ein sportlicher, schlanker älterer Mann, älter als ich sei er gewesen, der Knoblauch haben wollte – Julius! Klein ist die Welt… Es regnet immer weiter keine Sonne in Sicht, ich frage mal vorsichtig nach dem Preis, ich soll zahlen, was es mir wert ist. Gegen 16.00 h reisst es auf, in Richtung Westen, wo ich hin möchte sieht es gut aus. Ich breche auf, ein Biwak ist doch das Schönste! Allerdings komme ich genau 500 m weit, dann hat sich eine mehrere Zentimeter dicke Schlammschicht um mein gesamtes Rad gewickelt, es geht weder vor noch zurück, mit den vielen Litern Wasser ist der Bock kaum zu bewegen, ich sinke selber ein und habe große Teller Schlamm unter den Sohlen. Der ganze Ort läuft zusammen, welch Schauspiel, Kinder tragen meine Taschen, ein anderer Junge mit seinem Rad fällt in dem Matsch sogar hin, kein Halten möglich. Mühsam wieder zurück an der Auberge arbeite ich eine Stunde an der Reinigung von Rad und Taschen. Kommentar des Besitzers: „Wenn es regnet oder windig ist, fahren wir nicht weiter sondern bleiben wo wir sind.“ Ich verpasse leider während der Reinigungsarbeiten den wunderbaren Sonnenuntergang, nach dem Regen sind die Farben ja immer besonders kräftig. Ok, also eine Nacht hier geblieben. Ich nutze die Gelegenheit und wasche Hemd und Socken, durch die hohe Luftfeuchte der letzten Tage ist es ungewöhnlich schweißig. Normalerweise kann man in Marokko eine Woche im selben Dress fahren, ohne dass es stört… Im Licht einer Gaslampe schreibe ich Tagebuch und höre draußen einen Esel schreien, gemischt mit den Rufen des Muezzin. Regenbogen in der Wüste... Wieder zieht Regen auf... Auberge Aghbalou... Freundliches Willkommen... Mohammed zeigt seinen Hof... Der Lac Maider - zum Glück nur ein Zeitsee... Ausgespielt... 13.2.06 Ich wache erst auf, als es draußen schon hell ist, 7.00 h ungewöhnlich spät für mich auf dieser Reise. Schnell ist alles eingepackt und ich bin abmarschbereit. Heute nehme ich den unbekannten Weg nach Ighf Nighir gen Norden. Der Ort ist auf den 1:250.000 IGN Karten nicht vermerkt. Tiefer, feuchter Sand erlauben maximal 10, 12 km/h trotz voller Anstrengung, nach 5 km bin ich schon platt. Die Streckenführung ist sehr unübersichtlich, wegen des Regens gibt es keine frischen Spuren. Ein Typ begleitet mich nach dem Ort per Rad, ständig erzählend, wie schwer und weit es ist. Nach weiteren 5 km alleine treffe ich mitten in der Pampa einen 207er Benz, der nach einiger Diskussion noch ein Plätzchen für mich hat. Warum ich mich entscheide, mitzufahren, weiß ich nicht genau, aber hinterher, dass es exakt die richtige Entscheidung war. Die Strecke ist extrem schwer. Tiefsandig, ohne jede Orientierung geht es daher. Meine Karten zeigen keinen der passierten Orte, dafür aber andere, die es nicht gibt. Neben mir im Heck der Fuhre sind zwei Ziegen, später darf ich auf die hintere Sitzbank und werde von einem Berber mit Leckereien bedacht, Datteln, Brot, sogar sein Ei will er mir anbieten! Seine Frau ist anscheinend krank, er will mit ihr nach Rissani zum Arzt, so deute ich seine Zeichensprache. Als wir kurz halten, um neue Gäste zu verstauen, springe ich hinaus und spüre eisigkalten Gegenwind. In der großen Streusiedlung Lahfira fahren wir Zickzack und steuern jedes Haus an, ich zeichne die Route spaßeshalber mit dem GPS auf. In Mecissi ist die Tour zu Ende, ich zahle 55. Nun kommt der Wind günstig, er bläst mich die 38 km nach Alnif, wo ich erst einmal eine lange Pause mache, um meine weitere Route zu überdenken. Das ewige Hickhack mit Rad und anderen Transportmitteln geht mir ein wenig auf die Nerven, ich möchte noch einmal ein ganzes Stück ohne Unterbrechung Rad fahren. Leider gibt es bezüglich der Wettervorhersage hier kein Internet, ich rufe mal zuhause an und gebe meinen Standort durch. Der Besitzer eines kleinen Fossiliengeschäftes macht mir eine nette Skizze zum Pistenverlauf nach Tinerhir und so starte ich in die Berge. Natürlich zieht sich über mir eine dicke schwarze Wolke zusammen und es nieselt, aber die grundsätzliche Wetterlage scheint stabil. Bei einer Verfolgungsjagd mit einem Nervbold verliere ich eine meiner frisch gefüllten 1,5 Liter Flaschen... Landschaftlich ist es sehr reizvoll und abwechslungsreich, mal Reg, mal Hammada, kleine Oueds und Palmen. Nach 20 km entdecke ich links der Piste einen kleinen Laden, eine Coke mit zwei Riegeln gibt den letzten Energieschub. Weitere 2 km weiter, als die Piste durch ein reichlich Wasser führendes Oued läuft, gibt es ein weiteres kleines Café zur Rechten. Endlich finde ich einen wunderbaren Platz am Rand eines Flusstales, leider sind noch etliche Leute auf den Beinen und Rädern, die Piste verläuft etwas weiter direkt an der Abbruchkante, so dass ich nicht unerkannt bleibe. Kurz vor Sonnenuntergang gesellt sich noch ein Hirtenjunge zu mir, der aus den Bergen mit seiner Herde abgestiegen war. Er bekommt Brot und schaut mir eine Stunde lang wortlos zu, leider kämpfe ich mit dem Whisperlite und muss ihn einmal komplett zerlegen. Wolkenlos endet der Tag – war das das Ende der Schlechtwetterepisode? Schwere tiefe Piste - kraftraubend... Von Alnif nach Tinerhir... Im Palmtal... 14.2.06 Selbst nachts ist die Piste befahren, um 2.00 h schleicht einer vorbei. Ich kann morgens gerade noch abbauen, da kommt der Hirtenjunge mit Verstärkung. Sie wollen natürlich noch mehr Brot, das brauche ich jetzt aber selber ;-) Es geht zunächst von meinem auf etwa 1100 m gelegenen Übernachtungsplatz lang gezogen bergan, die Szenerie ist wunderbar, leider trüben wieder Wolken das Ganze. Der Tizi-n-Boujour ist knapp 1300 m hoch, es geht auf völlig zerbombter Piste bergab. Die Freude der „Erstbefahrung“ von Pisten nach starken Regenfällen ist immer ein wenig zweifelhaft. Unten ein großer Ort, Ait el Farsi mit Teleboutique. Der weitere Weg ist ganz ok, ich kann manchmal sogar mehr als 20 km/h auf dem Tacho ablesen. Nach 25 km biege ich links auf den Teer nach Tinerhir. Ohne große Pause spule ich auch die nächsten 20 km auf schöner Strecke mit Wüstencharakter ab. Die Berge des Hohen Atlas rücken langsam wieder näher. Für 6 DH/Stunde surfe ich im Cybercafé, Wettervorhersage gut, kein Lebenszeichen der „Group Wilfried“, die zu Fünft ebenfalls in Marokko unterwegs sind. Ich mache mich auf zum Hotel Tombouctu, um Edi Kunz zu besuchen, aber in der Tat ist dieser in der Schweiz, aber da ich eh in der Ecke war und ja am eigenen Leib erfahren habe, wie Pläne sich ändern können… Ich beschließe nach Boumalne zu fahren, um das Hochtal des M´goun doch noch zu sehen. Alternativ hatte ich kurz angedacht, die Todhraschlucht hinauf und quer in die Dadesschlucht zu fahren, aber die Kälte in der Höhe und die voraussichtlich zerstörten Pisten liessen mich davon Abstand nehmen. Die 52 km sind in 2 Stunden gefahren und gegen 14.30 h ist das Tagespensum für heute erledigt. Was für ein herrlicher Ort, ich erinnerte das gar nicht mehr so: unglaublich quirlig und lebendig, echt marokkanisch, tolle Farben und Geräusche, es ist Markt, zudem ein glasklarer Himmel, ich bin wie hypnotisiert. Ein günstiges Hotel für 30 DH incl. warmer Dusche habe ich gefunden, ein bisschen gewaschen und meine Zeltausrüstung getrocknet. Dann laufe ich stundenlang umher, zunächst über den Markt, dann durch die Wohngegenden, zuletzt die Seitengassen. Das Essen am Abend ist lecker, Couscous mit Huhn, vorweg eine Suppe, zum Nachtisch Obst, mit 80 DH aber auch nicht ganz billig! Aber das erste und einzige Mal in diesem Urlaub hatte ich nicht vorher nach dem Preis gefragt. Ich komme noch ins Gespräch mit Sabine aus der Schweiz, die Alleinreisende ist und eine Zeit in Tunesien gelebt hat. Die längere Trommeleinlage der Hotelbesatzung raubt mir leider bis 22.00 h den Schlaf, ich will morgen früh los! Abstieg vom Tizi-n-Boujour... Auf der Straße der Kasbahs... Boumalne... 15.2.06 Die Königsetappe! Nicht von der Länge, aber was Schönheit und Anstrengung angeht ;-)... Kurz vor 7.00 h wache ich wieder erst auf, mein Wecker, das Handy, gibt´s ja leider nicht mehr. Die Tür des Hotel ist noch zu, zum Glück hört man mich daran rütteln. Bei Eiseskälte (Boumalne liegt auf knapp 1600 m) fahre ich die 7 km in die Dadesschlucht, an einem Haus hängt ein Schild: Hotel Bou Thrarar 12 km. Dort will ich hin, eine kleine steile Piste schraubt sich in die Berge gen Westen. Eine wunderbare Morgenstimmung, Pfützen sind gefroren, die Berge leuchten in verschiedenen Ockertönen. Im Hintergrund geht der Vollmond neben einer riesigen weissen Kuppe unter. Die Luft ist klar, wie nie, keine Wolke am Himmel. Die schneebedeckten 4000er sind zum Greifen nah. Ich treffe auf diesem Abschnitt sogar zwei 207er Sammeltaxis. Die Piste ist erneut stellenweise arg ramponiert, aber insgesamt ganz gut machbar. Der Ort Bou Thrarar ist riesig, es gibt Hotels, Restaurants, Auberges, Gites, Cafés, ich bin erstaunt. Hinab geht die Piste ins Flussbett, über eine kleine Betonbrücke, dann steil in die kargen Berge. Die Leute sind alle sehr zurückhaltend, unaufdringlich. Ein Schaltfehler verklemmt meine Kette zwischen Strebe und Kettenblatt, zum Glück löst sich das Problem per Hand. Ich passiere ein tunnelartiges Felsentor. Es geht widerlich steil bergan, schnell klettere ich auf 1800 m, rechts steigt ein Abzweig der Piste hinauf in das Dadestal. Über einen kleinen Sattel hinweg öffnet sich unerwartet ein wunderschönes Hochtal mit jeder Menge pittoresker Orte. An der Nordseite begrenzt von in verschiedenen Farben schimmernden Bergen, darüber eine Kette von 3 – 4000ern im weißen Kleid. Atemberaubend! In Alemdoun zweigt die Strecke über den Atlas über die Pässe Tizi-n-Ait Imi und Ait Hamed ab, die ich schon länger im Auge habe, die aber im Winter nicht machbar sein dürfte. Meine Piste lässt sich hier rasant befahren, stellenweise hat das Oued aber gemeine Querrillen gegraben, man muss Acht geben. Am Ende des letzten Ortes verläuft die Strecke sogar ca. 50 m im Wasser. Plötzlich öffnet sich eine zwischen 1850 und 1950 m liegende, karge und unbewohnte weitere Hochebene, die mich die nächsten 20 km beschäftigt. Es geht ständig leicht bergan, immer wieder müssen tiefe Oueds gequert werden und der Untergrund ist stellenweise kiesig, rutschig. Es ist fast windstill und ich kann – was nur selten in diesem Jahr möglich war – einmal wieder in kurzer Hose fahren. Inzwischen werde ich unsicher, da meine Wegpunkte alle weiter südlich liegen und die Piste nun nach Nordwest/West abdreht und steil in ein Tal fällt. Zwei Hirten, die zufällig am Wegesrand stehen winken mich bei der Frage nach Toundoute aber heftig weiter. Hier beginnt das schwierigste Stück der Reise, ich kann mich kaum auf dem Rad halten. Die 2 Fahrzeuge, die bisher hier fuhren, seit der Regen die Piste verwüstet hat, haben tiefe Rillen gegraben, in denen ich mit den Lowridertaschen aufsetze! Dann läuft die Strecke quer und kaum ersichtlich durch das breite Kiesoued um diesem dann an Rand zu folgen. Immerhin ergibt sich eine grobe Deckung mit der Pistenbeschreibung bei Erika Därr. Immer wieder wird das Oued gequert und ich hüpfe schiebend von Trockeninsel zu Trockeninsel, bloß nicht noch nasse Füße bekommen… Als ich durch eine kleine Oase fahre, traue ich meinen Augen nicht, denn auf einmal beginnt feinster Asphalt! Ich rausche förmlich die 15 km nach Toundoute, nach all den Strapazen der letzten 65 Pistenkilometer. Nach einem Kuchen und dem obligaten Softdrink dort folgen weitere 26 km nach Skoura durch unspektakuläre Steinwüste. Ich bin wie im Rausch, überlege noch nach Ouarzazate zu fahren, da entdecke ich einen wunderbaren Platz in einer merkwürdig erodierten Lehmlandschaft, mit tollem Blick auf die verschneiten Berge. Da die Anzahl der Biwaknächte ohnehin ungewöhnlich gering ausgefallen ist bisher, fällt die Entscheidung leicht. Mit grandioser Bergkulisse genieße ich meine letzte Outdoor-Übernachtung in Marokko für dieses Jahr. Jetzt wo es anfängt in gewohnten Bahnen zu laufen, ist die Tour leider (fast) zu Ende… Einstieg hinter Ait Youl... Abzweig einer Piste ins Dadestal... Pistenbegegnung... Der Mgoun... Schlüsselstelle... Hotel 1000 Sterne... 16.2.06 Morgens ist bei 1°C alles feucht, aber nicht gefroren. Ich stopfe das klitschnasse Zelt in die Taschen und breche noch bei Dunkelheit gegen 6.00 h auf. Wie geplant erreiche ich Ouarzazate nach gut 35 km deutlich vor 8.00 h, obwohl die herrliche Morgenstimmung mich fast davon abgebracht hat, da ich ständig versucht war, zu fotografieren. Am Gare Routiere steht in der Tat schon der erhoffte 8.00 h Bus nach Marrakesch. Die Fahrt kostet 60 DH zzgl. 25 DH für Rad und Gepäck, die Route über den Tizi-n-Tichka ist ein großartiges Erlebnis, das Teilstück von Agouim bis zur Paßhöhe das pure Spektakel. Ich ärgere mich ein bisschen, dass ich mir das nicht gegeben habe. Man hätte gut in Agouim den Bus verlassen können, um das Stück zu fahren. Wunderschön die grünen Wiesen im Kontrast zu den Lehmbehausungen und den kargen Bergen, später dann der noch nicht weg geschmolzene Schnee, dazu wieder ein echtes Kaiserwetter mit glasklarer Luft, Ich möchte die Zeit anhalten. Die Gegenseite mindestens so gut, endlos zieht sich die Abfahrt, hinter Taddert verbleibt die Strecke kilometerlang noch um die 1500 m und immer wieder sind kleine und größere Gegenanstiege zu bewältigen. Leider fehlt mir ein Tag, um diese ganze Strecke selber zu fahren! Leider wechselt das Wetter, nachdem wir die Berge verlassen haben, überzieht eine zähe Hochnebeldecke die Ebene um Marrakesch - schade. Dabei ist es mit 14° C fast kühl. In Marrakesch reinige ich zunächst das Rad mit dem Hochdruckreiniger und fahre dann in das bekannte Hotel Essaouira, wo ich bereits bei der Ankunft unterkam. Der Tag vergeht schnell mit Bummeln in den Souks, reichlichem Essen (Patisserie…) und ich geniesse eine Einkehr in einer kleinen Gasse in einem winzigen Laden, wo ich Brochettes und Pommes vertilge. Alles weg vom Touristenstrom scheint von guter Qualität zu sein. Mir scheinen jetzt sehr viel mehr Touristen in der Stadt. Eine ganze Zeit verbringe ich noch im Internetcafé um den Bericht anzufangen, damit ich nicht so viel Zeit damit zu Hause verbringen muß, stattdessen kann ich mehr mit den Jungs Memory usw. spielen J Über den Tizi-n-Tichka im Bus... 17.2.06 Gemütlich lasse ich den letzten Urlaubstag ausklingen, Frühstück um 9.00 h auf der Dachterrasse. Die wärmende Sonne lässt sich nur selten blicken, wieder ist es diesig. Später mache ich den letzten Bummel, packe die Taschen flugfertig, als ich ein bisschen Verpflegung kaufen will, treffe ich zufällig noch einmal Béatrice in einer Gasse. Sie ist auf dem Weg zu Sabina, die ein Hotel leitet. ich begleite sie und lerne so noch zwei Marokkoforumsaktivisten kennen, da Elke seit kurzem auch im Hotel Sherazade arbeitet. Nun aber los zum Menara Airport, wo ich trotz heftiger Gegenwehr noch 5 Euro mehr zahlen muß, für das Rad, als auf dem Hinweg und als in den Transportbedingungen angegeben... Die Rückreise verläuft problemlos, wenn auch anstrengend, denn ich bin nach Ankunft am Flughafen Marrakesch um 11:30 h erst um 23:30 h zuhause. Kleines Fazit: Trotz der zahlreichen Unannehmlichkeiten war die Tour für mich in der Summe eine runde Sache. Ich habe die geplanten Routen alle befahren können, die Atlasquerung schreit wegen der schlechten Sicht eigentlich nach Wiederholung, ich halte sie für eine der Traumstrecken des Landes. Technisch gab es überhaupt keine Probleme, das Werkzeug war bis auf die Inbusschlüssel 5 und 6 mm und die Pumpe nur Ballast, noch nicht einmal einen Plattfuß gab es... Ich habe viele nette Kontakte zu Einheimischen und Zugereisten gehabt. Diese möchte ich weiterhin gerne vertiefen, um verlässliche Bekannte vor Ort zu haben und weitere tiefere Einblicke und detaillierte Infos auszutauschen. Individualtouristen sind weiter Mangelware im Land, zumindest auf den abgelegenen Routen. So traf ich auf den 4 Highlightrouten letztlich nur zwei Fahrzeuge Gleichgesinnter. Die Wohnmobilisten mit den großen weissen Monsterkisten (insbesondere die französischen) sieht man immer nur in Gruppen durchs Land rauschen, auf einen Gruß wartet man vergeblich. Radfahrer habe ich erneut keine gesehen, obwohl mehrere gleichzeitig unterwegs waren im Land. Meine letzte Radreise nach Marokko per Rad, weil mir die Touren ausgehen? Hm, ich denke zur Zeit über einen späteren Reisetermin im Jahr nach, um den Mittleren und Hohen Atlas noch genauer zu studieren. Warten wir´s ab, bis dahin fließt noch viel Wasser die Elbe hinunter - inchallah!
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