Radreise nach Marokko vom 21.1.- 29.1.2002 Ein Bericht von Jan: Wir taten uns schwer dieses Mal. Zunächst die Frage wohin. Konnte Marokko nach 5 fantastischen Touren überhaupt noch Reize bieten? Wir suchten andere Ziele. Tunesien verwarfen wir, waren wir dort doch auch schon mehrfach unterwegs, zu wenig reizvoll im Vergleich zu Marokko erschien es uns. Ägypten, ja der Versuch bis in den Sudan zu reisen reifte. Für die Strecke Assuan - Khartoum wären aber ohne Hetze drei Wochen zu veranschlagen. Soviel Zeit hatten wir nicht. Die Variante entlang des Roten Meeres mit dem Passat im Rücken nach Süden zu radeln, scheiterte an den Flugverbindungen. Dann die Frage ob überhaupt. Meike alleine zurücklassen mit Lars, der nunmehr 16 Monate war und sie selbst im 8. Monat schwanger?! Nachdem wir uns intern geeinigt hatten, der Umzug bis in den Januar hinein absehbar gewuppt war, konnte ich noch kurz vor Jahreswechsel den Flug buchen. Letztendlich sollte es wieder Marokko sein, fielen mir doch trotz mehr als 5000 Fahrradkilometern im Land beim Blick auf die Karte sogleich wieder mindestens drei Touren ein, die noch anstanden... Das ganz Extreme wurde verworfen, eine neuerliche Schnee-Erfahrung blendete der vom Stress der letzten Wochen geschwächte Körper aus. Aber eine Tour von der Wüste an die Küste, von Akka nach Assa, die große Asphaltrunde, das schien angemessen für mich in 2002. Erfreulicherweise (Glück im Unglück, da der LTU Flug mangels Nachfrage verlegt wurde) entdeckten wir, dass die Condor seit diesem Winter auch montags die Strecke nach Agadir bediente, so dass wir einen Tag zu der oftmals knappen Woche hinzugewannen. Nach dem Vorabend-Check in saß ich mit Thomas am 21.1.2002 um 4.45 Uhr im Taxi zum Flughafen. Afrika, wir kommen! Letzter Aufruf für Herrn Mayer und Herrn Cramer für den Flug nach Marsa Alam, bitte kommen Sie zu Gate 30! Ich denke ich höre nicht recht, auf der Toilette des Münchener Flughafen sitzend. Wie der Teufel springe ich auf, suchte Thomas und - finde ihn nicht! Er hat den Aufruf nicht gehört und schlendert locker durch einen Zeitungsladen, während ich hektisch Erkundigungen einhole. Marsa Alam, der neue Flughafen am Roten Meer, nicht ganz unsere Richtung, aber sicher auch eine schöne Strecke. Nachdem unsere "Doppelgänger" abgeflogen sind, läuft alles ganz locker. Nur eine gute 3/4 Stunde nach der Landung in Agadir sind unsere Räder schon da, keine Kontrollen, ein bißchen Gebastel und schon rollen wir mit Rückenwind davon. Für diesesmal haben wir uns vorgenommen, ausschließlich mit eigener Kraft unterwegs zu sein, und nicht ein Taxi oder Bus zu bemühen, um Agadir hinter uns zu lassen. Die Strecke von der Landebahn weg hinein in den Anti-Atlas ist eigentlich die einzige Route in der Umgebung von Agadir, die verkehrtechnisch harmlos ist. Langsam windet sich ein schmales Sträßchen in die Berge hinein, nach einem kurzen, aber heftigen Serpentinenanstieg kurz vor Ait Baha ist vorerst das Schlimmste geschafft. Leider gelingt es uns nicht einen richtig schönen Übernachtungsplatz zu finden, die Besiedlung ist hier recht dicht. Aber als der Kocher aufflammt und die Dunkelheit hereinbricht ist aller Kummer vergessen. Tages-Höchsttemperaturen | 21.1.02 | 23° | 22.1.02 | 14° | 23.1.02 | 12° | 24.1.02 | 23° | 25.1.02 | 23° | 26.1.02 | 25° | 27.1.02 | 28° | 28.1.02 | 26° | 29.1.02 | 27° | Ein schwerer Tag! Ich kannte die Strecke, war sie 95 mit Meike und 99 alleine schon abgefahren, aber jedes Mal überrascht sie mich aufs Neue. Knapp 2000 Höhenmeter zeigte am Ende des Tages der Tacho. Aber anstrengend heißt in der Regel auch schön und so waren wir letztlich auch rechtschaffen müde. Die Landschaft auf diesem Stück ist einzigartig. Die klare Luft lässt uns von den Höhen der Straße zurückblicken in die Souss-Ebene, bis nach Agadir, ca. 50 km weit reicht der Blick. Terrakottafarben, rosa oder grünlich leuchten die Häuser, versprengt stehen Arganienbäume herum, der Himmel stahlblau, das Licht wegen der nicht hoch stehenden Sonne stets fotogen. Eine Paßhöhe jagt die andere, mal steht ein Schild (Tizi-n-Tarakatine 1500 m), mal keines, auch wenn der Aufstieg mindestens so schlimm war... In Ait Abdallah legen wir eine gepflegte Café-Pause ein. Keine 24 Stunden in Marokko und schon fühlen wir uns akklimatisiert. Zu unserem Komfort trägt auch die neu asphaltierte, in hervorragendem Zustand befindliche Straße bei, die außer uns keiner befahren will. Bis nach Igherm am folgenden Tag sehen wir auf ca. 80 km keine 10 Autos. Die Straße verliert kaum an Höhe, pendelt ständig zwischen 1600 und 1800 m hin- und her, wie eine Höhenstraße streift sie hellbraune Kuppen abgeschliffener Sedimentgesteine. Auf einem alten Pistenabzweig entdecken wir ein nettes Plätzchen zum Schlafen, duschen mit dem Ortliebsäcken. Was selten vorkommt ereilt uns heute doppelt: der erste Besucher lädt uns gestenreich zu einer Übernachtung in seinem Dorf, 3 km entfernt von hier ein. Der zweite ist ein kleiner Hirtenjunge, der schweigend etwa eine halbe Stunde eine Armlänge entfernt von mir unsere Mahlzeit beobachtet. Genau so überraschend, wie er auftauchte, verschwindet er wieder. Wir wachen beim Eiseskälte auf, -0,5 Grad, Eis im Wassersack! Gut, wir waren auf etwa 1600 m, aber dennoch überrascht es ein wenig. Weiter zieht sich die Strecke durch traumhaft schöne Landschaft, immer wieder säumen wie ausgestorben wirkende Ortschaften des Wegesrand. Thomas stellt fest, dass seine Kamera den gestrigen Sturz nicht überlebt hat, fortan muss ich alle Aufnahmen doppelt machen. Auch ein anderer hat Pech: bei einem Mopedfahrer hat sich die Befestigung seines Krümmers verabschiedet, wir helfen mit dem 32er Schlüssel aus. Aus der Vogelperspektive nähern wir uns Igherm, diesem wunderbaren Ort. Die ganze Stadt ist auf den Beinen, es ist Markt. Wir nutzen die Gelegenheit, unsere Vorräte aufzufüllen und sitzen anschließend lange in einem uns bekannten Café, wo wir - Stress lass nach - gebeten werden, die englische Bedienungsanleitung des Fernsehers zu übersetzen. Genug getan für heute, steht doch die erste Piste unserer Reise an. Erika Därr hatte zwar gemeint, die Strecke sei ebenfalls asphaltiert worden, aber sie irrt. Der Einstieg in die Route nach Tata, 10 km südlich von Igherm ist schwer zu finden, ziemlich unbefahren wirkt die Verbindung zudem auch, wir sind recht unsicher. Die GPS-Daten stimmen aber zweifelsohne. Langsam tasten wir uns voran, immer wieder die markanten Punkte der vorhandenen Wegbeschreibung aus dem Buch "Sahara-Overland" nutzend. Dennoch: der avisierte Brunnen steht aus, die Piste läuft eigenartig weit nach Nordosten. Mit jedem Kilometer wird der Untergrund rauer, reißt uns die Rüttelei fast vom Rad. Wir holpern nur noch im Schritttempo dahin, einmal schiebe ich ein Stück. Die Szenerie entschädigt wie immer für alle Qualen: spektakulär geht die Sonne an der Passhöhe unter. Unter uns taucht ein tief eingeschnittenes Tal auf. Wir schaffen es noch, uns bis auf 1500 m hinunter zu "arbeiten" und geben dann erst einmal auf. Ein großartiges Plateau mit Blick auf das in der Tiefe liegende Dorf lässt uns sofort schwach werden... Gefahrene Kilometer/Tag | 21.1.02 | 66 | 22.1.02 | 100 | 23.1.02 | 77 | 24.1.02 | 100 | 25.1.02 | 134 | 26.1.02 | 135 | 27.1.02 | 122 | 28.1.02 | 124 | 29.1.02 | 40 | Auch ein Tubus-Lowrider ist kaputt zu bekommen! Das war uns noch nie gelungen, aber diese Piste war auch unglaublich. Wirklich kaum schneller, als bergauf quälen wir uns bergab. Morgens hatten einige in der Nähe vorbeieilende schnatternde Berbermädchen uns geweckt. Unter uns liegen verrauchte Weiler im milden Morgenlicht. Die Menschen sind freundlich, zurückhaltend. Wie das Paradies windet sich die Straße jetzt durch eine nicht enden wollende Oase entlang eines schmales Flusstales. Der Fußgänger und Eselverkehr wird dichter, geschäftiges Treiben umgibt uns. Nach 20 km erreichen wir die große Oase Tleta Tagmoute. Hier erfahren wir im Cafe, dass der Rest der Strecke nach Tata tatsächlich bereits asphaltiert wurde. Ausnahmsweise freuen wir uns darüber, denn wir sind des Gerüttels leid. Auf dem aalglatten Highway höre ich dann auch diese eigenartigen metallischen Geräusche, das Stahlrohr ist zerlegt. Ich sichere zunächst die Tasche mit einem Riemen, wir fahren erst einmal nach Tata, überlegen den Lowrider schweißen zu lassen. Tata ist ein wunderbarer Ort, groß, ruhig, viel Atmosphäre. Auch die geflieste Arkaden tragen viel zum Flair der Stadt bei. Aber auch in diesem typischen Wüstenort gibt es jetzt ein Internetcafe. In einer Boulangerie vertilgen wir reichlich Kuchen und andere Leckereien, trotzdem zieht es uns weiter. Jeden Kilometer wechseln wir uns ab, fliegen mit Rückenwind durch die klassisch südmarokkanische Landschaft. Berge begleiten wir Mauern die Straße in definiertem Abstand, leuchten schwarz im flachen Abendlicht. Die vereinzelten Akazien wähnen uns schon die Grenze nach Mali passiert zu haben, aber der gute Asphalt holt uns in die Realität zurück. Auf einem ruhigen Platz weit ab der Straße beginnen wir unsere Reparatur. Thomas´ gerissener Bowdenzug wird getauscht, den Tubus schienen wir mit einem abgefeilten Hering innerlich und außen fixiert das Wrack ein Kabelbinder. Bombenfest, sollte bis zum Ende keine Probleme machen. Das erste Mal ist das Leatherman voll in Aktion, kürzt sauber den Zug, trennt den Hering durch - nie wieder ein Taschenmesser ;-) "Ich fühle mich, als hätte ich in einer Waschmaschine geschlafen", das sind Thomas´ erste Worte am Morgen. Zum Glück haben wir wieder Rückenwind. Ohnehin die vorherrschende Windrichtung dieser Reise: Ost. Nach wenigen Kilometern weisen erneut Schilder den Weg zu Felsritzungen (GPS-Koordinaten versende ich gerne auf Anfrage). Wir hatten den Tipp von einem Bekannten bekommen, parken die Räder und stapfen los. Aufrecht stehende Gesteinsschichten bilden einen Rücken, in der milden Morgensonne entdecken wir Elefanten, Nashörner, Giraffen und allerlei andere Tiere, sowie abstrakte Zeichnungen. Ich empfehle jedem Marokkoreisenden den Besuch einer solchen Stätte, von denen es reichlich zu erkunden gibt. Leider haben irgendwelche Banausen auch hier ihre Spuren hinterlassen. Zudem ist alles voller Müll. Ich frage mich, warum es uns als Radfahrern immer gelingt, jeden Abfall bis in den nächsten Ort zu fahren und den motorisierten Reisenden anscheinend nicht!? In Akka ist Frühstückspause, Einkauf. Der Ort ist enttäuschend nichtssagend. Hiernach wechseln wir uns auf 50 Kilometern ab und jagen nach Westen. Vorbei an versandeten Bergketten, die golden im Licht glänzen, saugen wir die Eindrücke wie Schwämme auf. Unfassbar, solche stabilen Tage erleben wir mit Glück im Mai das nächste Mal zuhause. Im Schatten einer riesigen Akazie rasten wir erneut, danach vorbei an einem Militärposten, wenig später ist schon Foum el Hassan erreicht. Dort läuft im Cafe Eurosport mit einem deutschen Kommentar zu einer Bobveranstaltung. Unter der Markise staut sich die brüllend heiße Luft in der schrägstehenden Abendsonne. Wie schon fast vermutet, ist auch die Strecke nach Assa inzwischen ausgebaut worden, das als Pistenabenteuer geplante Teilstück mutiert zur Sonntagsfahrt. Etwa 10 km außerhalb des Ortes zelten wir in einer wunderbaren Hammada-Umgebung. Bis zu dieser Stelle hatten wir unsere Planung gemacht, die Pflicht ist erfüllt, was folgt wird Kür. Wir beugen uns über die Karte - der Traum von Sidi Ifni, dem Erreichen des Atlantik wird gesponnen. Wir werden sehen, wir wir uns fühlen. Alles ist offen - inch allah! Einige marokkanische Preise 2002: | 1 Fladenbrot | 1 - 1,5 DH | 1 Cola/Fanta im Cafe, 0,35 l | 3,5 - 5 DH | 1 kg Apfelsinen | 4 DH | 1 Fl. Wasser 1,5 l | 5,5 DH | 1 Glas Marmelade | 7-9 DH | 1 Tagger (Schokoriegel) | 1 DH | 1 Tango (Kekse) | 2 DH | 1 fettiger Mehlkringel | 1 DH | Wir nehmen den Col de Amezloug wie Armstrong und Pantani den Ventoux... Es gibt diese Tage im Leben des Radreisenden, da laufen die Beine, wie von selbst. Assa ist an diesem Morgen mit Schiebenwind und gutem Belag schnell erreicht. Kurz überlegen wir uns neben dem Café bei einem Friseur die Bärte stutzen zu lassen, aber unsere Entscheidungsgeschwindigkeit hat mittlerweile afrikanische Züge angenommen. Lieber noch ein Hawaii, eine dieser klebrigen marokkanischen Limonaden... An einem Militärposten die üblichen Fragen nach Reisepass, Beruf und so weiter. Der arme Kerl hat am Ende zwei DIN-A4-Seiten mit wertvollen Informationen über uns zusammengekritzelt. Der erwähnte Paß stellt sich nach etwa 70 km in den Weg. In atemberaubendem Tempo fahren Thomas und ich eine Attacke nach der anderen um dann Seite an Seite den Scheitelpunkt auf knapp 800 m zu ereichen. Wir passieren den kleinen Ort Tagoumait und sitzen wie so oft auf zwei eilends herbeigeschafften Stühlen stolz vor dem kleinen Laden und genießen die betriebsame Hektik einiger verhüllter Menschen um uns herum. Dank der digitalen Fototechnik (Sucher auf dem Gehäuserücken) gelingen unbemerkt zahlreiche Schnappschüsse. Trotz erneut über 130 km an diesem Tag schlagen wir schon früh, gegen 16.30 Uhr unser Lager auf. Genug Zeit um zu geniessen: die Landschaft, die Dusche, den Sonnenuntergang, das hervorragende wie immer von Thomas bereitete Essen. Mittlerweile hat der Mond nachts eine enorme Helligkeit, man kann einen Tag vor Vollmond problemlos ohne Lampe auskommen, sogar Lesen wäre möglich. Am Berghang gegenüber lodert ein kleines Feuer: ein Hirte, der dort übernachten wird? Der Besoffene torkelt uns fast ins Rad! Weit war unser Bogen schon geworden, die Variante, die wir jetzt fuhren schien uns zuhause anzudenken kaum möglich. Wenn Thomas an diesem Morgen keinen Plattfuß vorne gehabt hätte, wer weiß, vielleicht wären wir noch bis Tan-Tan gekommen... Nach einer Kaffeepause in Fask, dem Nachfüllen von Brennstoff, ereichen wir das ungemein expandierende, aber auch grässlich stinkende Guelmin. Die Dunstglocke der Stadt sehen wir schon von weitem. Auf der westlichen Ausfallstraße bekommen wir fast Körperkontakt mit einigen Jugendlichen im alkoholisierten Rauschzustand, einer torkelt uns fast ins Rad. Immer wieder flössen mir solche Begegnungen Respekt ein, nicht nur diese hatten kein Gefühl für die Wucht eines vollbeladenen Reiserades. Durch die letzten Ausläufer des hier kaum noch respekteinflössenden Anti-Atlasses fahren wir in stetem Auf- und Ab gen Küste. Wie im Lehrbuch kippt die Windrichtung einige Km vor Sidi Ifni. Die Luft wird kalt, schwül, unangenehm. Nach Tagen der Wüstendurchquerung an die Atlantikküste zu kommen hat einen gewissen Reiz, den wir freudig erwarten. Die Stadt hat ein eigenes Flair, recht untouristisch, untypisch afrikanischer Baustil, großzügig, die Geschichte hat Spuren hinterlassen. Der Strand ist breit, leer und mit infernalischem Getöse schlagen die Brecher vor der Küste auf. In einem Café haben wir eine interessante Begegnung mit dem 22 Jahre alten Aziz, der gut englisch sprechend einige interessante Informationen zu Land und Leuten geben kann. Er erwähnt auch die seit 7 Jahren anhaltende Dürre. Seitdem wir 95 die verheerenden Regenfälle erlebt haben, hat es in weiten Teilen des Südens nicht geregnet. Wir nutzen die Versorgungslage und kaufen Obst. Auf den nächsten Kilometern schwingt sich die Küstenstraße in kräftezehrendem Auf- und Ab am Meer entlang, immer wieder reizvolle Ausblicke auf den tosenden Atlantik mit aufsteigenden Gischtfontänen zu bietend. Aufgrund der ungewohnt dichten Besiedlung fällt die Schlafplatzsuche schwer, aber wie sagt Thomas so schön: es gibt immer einen Übernachtungsplatz. Fast wäre die Regel gebrochen worden... Fahrzeit/Tag | 21.1.02 | 3 h 40 min | 22.1.02 | 7 h 10 min | 23.1.02 | 5 h 50 min | 24.1.02 | 5 h 50 min | 25.1.02 | 6 h 35 min | 26.1.02 | 6 h 30 min | 27.1.02 | 6 h 34 min | 28.1.02 | 6 h 50 min | 29.1.02 | 2 h 30 min | Ein Kettenriß zum Frühstück Kurz vor Mirleft passiert es: beim obligatorischen Ortsschildsprint reisst mir doch tatsächlich die Kette und liegt plötzlich wie eine leblose Schlange hinter mir auf dem Asphalt! Thomas gelingt es mühelos auf 4:4 gleichzuziehen. Al hamdidulah! Ich repariere Zähneknirschend und sinne auf Rache. Ich revanchiere mich mit einem früh (ca. 26 km vor dem Schild) angezogenen Sprint auf dem Weg nach Tiznit. Auf dem Weg dorthin sind erneut etliche Hügelketten zu kreuzen, irgendwann reicht der Blick weit hinaus in die Ebene, bis nach Tiznit, ja selbst der Hohe Atlas ist in der Ferne des Nordens zu erkennen. Im modernen Tiznit tauschen wir mittels der EC-Karte Geld an einem Automaten in der Mittagspause der Bank. Etwas verunsichert aufgrund der hohen Verkehrsdichte, überlegen wir doch mit einem öffentlichen Verkehrsmittel den Rest der Straße nach Agadir zu überbrücken. Aber irgendwie riskieren wir es doch - leider. Denn die Strecke ist hochfrequentiert und nach den genussvollen Tagen der Einöde ein echter Abgewöhner. Zudem herrscht ziemlicher Gegenwind. Einzige Abwechslung ist ein kleiner Einsatz zur Lebensrettung eines Bewusstlosen am Straßenrand, dessen Zunge die Atemwege verlegt hatte. Außer uns scheint das keinen zu interessieren und so findet sich auch keiner, der bereit wäre, den wieder erwachten Kerl nach Tiznit zu bringen. Nach einem Schluck aus unseren Trinkflaschen bleibt er am Wegesrand zurück. Nach dem Erreichen der Souss-Ebene scheint die Suche nach einem Übernachtungsplatz fast aussichtslos. Die Entscheidung, schließlich von der Hauptroute wegzubiegen und einen kleinen Umweg über Biougra auf dem Weg zum Flughafen in Kauf zu nehmen, entpuppt sich als goldrichtig. In einem Plantagenareal schließlich finden wir einen geeigneten Platz. Zeit sich auf zuhause einzustellen, morgen geht es wieder zurück! Zwei Kilometer vorm Terminal der erste Plattfuß! Nach mehreren Fresspausen (es gab leckere Kringel, Kuchen usw...), dem Besuch in einer Tankstelle mit Dampfstrahler erreichen wir schließlich den Flughafen - fast, denn zwei Kilometer zuvor schlägt der Pannenteufel bei mir erstmals zu auf dieser Tour. Ich nehme mir die Zeit zum Flicken, nachher springt der Mantel beim Transport noch von der Felge. Am Flughafen setzen wir die letzten Dirham in ein Mitbringsel um, auf das wir schon lange scharf sind: die typische marokkanische Teekanne mit entsprechenden Gläsern soll es sein. Der einzig angenehme Aspekt unserer Rückkehr: es regnet nicht in Hamburg und es sind mehr als 10°C! Kleine Zusammenfassung: Was war neu, anders, ungewöhnlich, gewinnbringend, was hat mich bewegt frage ich mich immer am Ende einer Radtour?: - Der Winter als Reisezeit für Südmarokko bestätigt sich erneut. Keine Wolken, wenig Wind, wenig Touristen, angenehme Temperaturen - wenn Marokko per Rad, dann im Januar/Februar.
- Marokko mausert sich immer mehr zum (nahezu) perfekten Radreiseland für den Liebhaber des islamischen Kulturkreises und arider Landstriche. Die Infrastruktur in bezug auf Straßenzustand, Versorgungslage aber auch die Sicherheit des Reisens verbunden mit den freundlichen Menschen sind unschlagbar.
- Eine 95%ige Asphalttour habe ich seit Jahren mit dem Reiserad nicht gemacht. Es war Garant für hohe Kilometerleistungen, aber die intensivsten Eindrücke haben wir bisher an schweren Pistenstücken gewonnen. Woran es liegen mag, sei dahingestellt, aber für das nächste mal plane ich weniger Asphalt.
- Ein toller Spaß war der Einsatz der digitalen Kamera, deren Produkte man am Ende des Berichtes sehen kann. Der digitalen Fotografie gehört in meinen Augen die Zukunft.
- Es gibt nichts, was man bei entsprechendem Einsatz am Rad nicht zerstören kann. Nach den unangenehmen Erfahrungen der Rubrik Reifendefekte der letzten Jahre jetzt der Lowrider und die Kette. Diese Erlebnisse waren erneut wertvoll für die Ersatzteilüberlegungen und die Trickkiste.
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